Mitchell, N. J., T. V. Jones & G. Kuchling (2012): Simulated climate change increases juvenile growth in a Critically Endangered tortoise. – Endangered Species Research 17(1): 73-82.
Simulierter Klimawandel erhöht die juvenile Zuwachsrate bei einer stark bedrohten Schildkröte.
DOI: 10.3354/esr00410 ➚
Der Klimawandel kann Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von transienten (vorübergehenden) Habitaten haben, die für viele Spezies wichtig sind, um sich dort zu vermehren und zu wachsen. Im südwestlichen Australien gehen die Winterregenfälle seit 1970 zurück, was zu einer Verkürzung der Feuchtperiode in den nur zeitweise auftretenden (ephemeren) Sumpfgebieten führt, die von der stark gefährdeten westlichen Sumpfschildkröte, Pseudemydura umbrina besiedelt werden. Letzteres führt dazu, dass sich die Länge der Wachstumsperiode für die Schlüpflinge und juvenilen Schildkröten verkürzt. Hier testen wir, ob die angenommenen wärmeren Wassertemperaturen, die unter dem derzeitigen Klimawandel auftreten sollen, eine Kompensation für die Verkürzung der Wachstumsperiode darstellen. Wir erhöhten die Wassertemperatur bei in Gefangenschaft gehaltenen Schlüpflingen und Jungschildkröten (1 und 2 Jahre alt) um 1-2 °C und konnten zeigen, dass sowohl die Wachstumsrate als auch die Nahrungsaufnahme mit der Temperatur zunahm, wobei die Schlüpflinge in den erwärmten Teichen im Vergleich zu Kontrolltieren in den unbeheizten Teichen ihr Körpergewicht um zusätzliche 78 % steigerten. Schlüpflinge zeigten dabei eine achtfach höhere Zuwachsrate als ein bis zwei Jahre alte Jungschildkröten. Unter der Voraussetzung einer unbegrenzten Nahrungsverfügbarkeit sagen wir voraus, dass die wild geschlüpften Schlüpflinge ihr kritisches Gewicht von ungefähr 18 g, das notwendig ist, um ihre erste Ästivationsperiode zu überleben, unter der für das Jahr 2050 prognostizierten Klimaerwärmung mindestens einen Monat früher erreichen werden. Da allerdings kürzere Feuchtperioden auch mit einer Verlängerung der Trockenperioden einhergehen, könnte es sein, dass kleine Schildkröten, die ihre gesamte Energiemenge in Zuwachs gesteckt haben, zu wenig Energie gespeichert haben, um die Trockenzeit zu überleben.
Kommentar von H.-J. Bidmon
Diese Studie zeigt deutlich, dass Schildkröten ein Anpassungspotential besitzen und entsprechend auf Umweltveränderungen reagieren können. Sicher auch etwas, dass ihnen in der Vergangenheit das Überleben sowohl in Warmzeiten als auch in Kaltzeiten innerhalb der Erdgeschichte ermöglicht haben dürfte. Was aber bei diesen Voraussagen immer zu bedenken ist, ist die Erfahrung, die uns zeigt, dass solche Veränderungen zwar über einen langen Zeitraum betrachtet langsam und kontinuierlich abzulaufen scheinen, dass es aber von Jahr zu Jahr trotzdem zu Extremschwankungen kommt. In der Regel sind es diese stochastisch auftretenden Extreme, die die Gefahr für das Überleben einer Art ausmachen. Denn ein einziges Jahr, in dem es zu gar keinem Regenfall kommt oder drei aufeinander folgende Jahre mit extrem kurzer Regenzeit sind für das Überleben einer Spezies meist eher entscheidend als prognostizierte, kontinuierliche Langzeittrends. Gerade hier würde dann das Überleben insbesondere von der Größe eines Lebensraums und der Konnektivität innerhalb des Lebensraums abhängen. Denn unter solchen Bedingungen könnten nur Reliktbestände in wenigen tieferen oder wasserreicheren, langsamer austrocknenden Tümpeln überleben, von denen aus dann in besseren Jahren eine Re-Besiedlung der Gesamthabitatfläche erfolgen könnte (siehe dazu auch Kommentare zu Bowne et al. 2006, Reo et al. 2008).
Literatur
Bowne, D. R., M. A. Bowers & J. E. Hines (2006): Connectivity in an agricultural landscape as reflected by interpond movements of a freshwater turtle. – Conservation Biology 20(3): 780-791 oder Abstract-Archiv.
Roe, J. H., A. Georges & B. Green (2008): Energy and Water Flux during Terrestrial Estivation and Overland Movement in a Freshwater Turtle. – Physiological and Biochemical Zoology 81(5): 570-583 oder Abstract-Archiv.
Galerien
Pseudemydura umbrina – Falsche Spitzkopfschildkröte