Kreffts Spitzkopfschildkröte, Emydura macquarii krefftii, zwei mondbadende Exemplare am Rossfluss – © Eric J. Nordberg

Kidman - 2024 - 01

Kidman, R., D. T. McKnight, L. Schwarzkopf & E. J. Nordberg (2024): How turtles keep their cool: Seasonal and diel basking patterns in a tropical turtle. – Journal of Thermal Biology 121: 103834.

Wie sich Schildkröten kühlen: Saisonales diurnale Sonnenbademuster bei einer tropischen Süßwasserschildkröte.

DOI: 10.1016/j.jtherbio.2024.103834 ➚

Kreffts Spitzkopfschildkröte, Emydura macquarii krefftii, – © Eric J. Nordberg
Kreffts Spitzkopfschildkröte,
Emydura macquarii krefftii,
zwei mondbadende Exemplare
am Rossfluss
© Eric J. Nordberg

Die Thermoregulation durch das Verhalten von Ektothermen ist ein wichtiger Mechanismus zur Aufrechterhaltung der Körpertemperatur, um die physiologische Leistung zu optimieren. Experimentelle Studien deuten darauf hin, dass Krefft's Flussschildkröten (Emydura macquarii krefftii) in den Tropen durch nächtliches Sonnenbaden hohe Wassertemperaturen vermeiden können. In dieser Studie untersuchten wir den Einfluss der Umgebungstemperatur auf die jahres- und tageszeitlichen Muster des Sonnenbadens von E. m. krefftii im tropischen Norden Queenslands, Australien. Wildkameras wurden eingesetzt, um die Sonnenbäder der Schildkröten an sieben aufeinanderfolgenden Tagen und Nächten für jeden Monat eines Jahres (April 2020-März 2021) zu dokumentieren. Die Luft- und Wassertemperaturen wurden gleichzeitig mit Temperaturloggern aufgezeichnet. Wir verwendeten ein Modell mit gemischten negativen Binominaleffekten, um die mittlere Dauer (min) des Sonnenbadens in vier Umgebungstemperaturkategorien auf der Grundlage der thermischen Präferenz der Population (26 °C) zu vergleichen: 1) Lufttemperatur über und Wassertemperatur unter der bevorzugten Temperatur; 2) Lufttemperatur unter und Wassertemperatur über der bevorzugten Temperatur; 3) Luft- und Wassertemperatur beide über der bevorzugten Temperatur; und 4) Luft- und Wassertemperatur beide unter der bevorzugten Temperatur. Das Schlafverhalten wurde wesentlich durch das Verhältnis zwischen Luft- und Wassertemperatur beeinflusst. Tagsüber verbrachten die Schildkröten deutlich weniger Zeit mit Sonnenbaden, wenn sowohl die Luft- als auch die Wassertemperatur über ihrer bevorzugten Temperatur lagen. Umgekehrt verbrachten die Schildkröten nachts deutlich mehr Zeit mit dem Sonnenbaden, wenn die Wassertemperatur warm und die Lufttemperatur kühl im Vergleich zu ihrer bevorzugten Temperatur war. Diese Studie ergänzt die wachsende Zahl von Arbeiten, die auf eine ausgeprägte Wärmevermeidung als Thermoregulationsstrategie bei tropischen Reptilienpopulationen hinweisen.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Eine gute Situationsbeschreibung in Bezug auf das Sonnenbadeverhalten bei einer tropischen Süßwasserschildkröte. Hier wird deutlich, dass die Schildkröten durchaus gelernt haben, sich nicht nur in der Sonne aufzuwärmen, sondern auch verstanden haben, wie sie die beim Verdunsten Wasser entstehende Verdunstungskälte zur Abkühlung nutzen können. Da diese Phasen in denen sie diese Formen des „Sonnenbadeverhaltens“ nutzen unvorhersehbar, also stochastisch als abiotische Parameter auftreten wird klar, dass die Tiere diese Verhaltensweisen nicht vererbt bekommen haben können, denn als Erbe haben sie nur den „Bauplan“ für die dazu notwendigen Thermorezeptoren mit in die Wiege gelegt bekommen. Wie sie die darüber erhalten, Umweltsignale zu ihrem Wohlbefinden oder gar zum Überleben nutzen, mussten sie lernen. Das heißt, sie müssen sensorisch aus der Umwelt aufgenommene Signale zu ihren Gunsten interpretieren und sich entsprechend verhalten. Etwas, was wir für viele Bereiche beobachten können. Insofern müssen wir selbst eigentlich lernen, dass Gene nicht alles sind (siehe Bidmon, 2007; Reber et al., 2023) und in diesem Sinne müssen wir verstehen, wie wir das „Senom“ bei der Betrachtung der Organismen zu beurteilen haben, denn die Anpassung an Umweltveränderungen wird dadurch seit eh und je gesteuert. Es ist schon erstaunlich zu sehen, dass selbst Säugetiergehirne darauf angewiesen sind, dass zuerst der Geruchsinn (Chemosensorik) ausgebildet sein muss als Grundvoraussetzung zur Ausdifferenzierung der Somatosensorik (Cai et al., 2024). Für welche Anlage und Ausdifferenzierung der anderen Sinne, welche anderen sensorischen Systeme ausgebildet sein müssen, ist bis heute unklar. Was wir aber erkennen ist, dass anscheinend auch die Sinneswahrnehmung eine Phylogenese hatte, die mit der chemischen Sinneswahrnehmung bei Bakterien begann. Wenn wir also nun lernen, das bei der Hirnentwicklung die Chemosensorik vor der Somatosensorik funktionell etabliert sein muss, erinnert das doch sehr stark an Ernst Haeckel's Rekapitulationstheorie, wonach die Ontogenese (vorgeburtliche Entwicklung) der Säuger die Stadien ihrer Phylogenese (Abstammungsgeschichte) durchläuft.
Ich will dabei auch nicht verhehlen, dass auch ich seit 2007 dazu lernen musste, denn damals war auch mein Blick noch mehr in Richtung Genom orientiert, als es aus heutiger Sicht angebracht erscheint. Aber wie so oft in der Biologie, ist es ja immer das Zusammenspiel aller Aspekte, die das ausmachen, was wir als Leben umschreiben. Dabei tut es uns gut, wenn wir zumindest das „Schubladendenken“ ad acta legen würden (siehe Szabo et al., 2020) und den dortigen Kommentar.

Literatur

Bidmon, H.-J. (2014): Kommentar zu: Fritz, U., A. K. Hundsdörfer, P. Široký, M. Auer, H. Kami, J. Lehmann, L. F. Mazanaeva, O. Türkozan & M. Wink (2007): Phenotypic plasticity leads to incongruence between morphology-based taxonomy and genetic differentiation in western Palaearctic tortoises (Testudo graeca complex; Testudines, Testudinidae). – Amphibia-Reptilia 28(1): 97-121 oder Abstract-Archiv.

Cai, L., A. Ö. Argubsah, A. Damilou & T. Karayannis (2024): A nasal chemosensation-dependent critical window for somatosensory development. – Science 384(6696): 652-660; DOI: 10.1126/science.adn5611 ➚.

Reber, A. S., F. Baluska & W. B. Miller (2023): The sentient cell. – Oxford University Press 1-249; DOI: 10.1093/oso/9780198873211.001.0001 ➚.

Szabo, B., D. W. A. Noble & M. J. Whiting (2020): Learning in non-avian reptiles 40 years on: advances and promising new directions. – Biological reviews of the Cambridge Philosophical Society 96(2): 331-356 oder Abstract-Archiv.

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