Valli, F. E., M. S. Simoncini, M. A. González & C. I. Piña (2023): How do maternal androgens and estrogens affect sex determination in reptiles with temperature-dependent sex? – Development Growth and Regeneration 65(4): 565-576.
Wie beeinflussen mütterliche Androgene und Östrogene die Geschlechtsbestimmung bei Reptilien mit temperaturabhängigem Geschlecht?
DOI: 10.1111/dgd.12887 ➚
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Chelodina expansa,
© Bruce C. Chessman
Die Temperaturabhängige Geschlechtsausprägung (TSD) bei Reptilien wurde untersucht, um die Mechanismen zu klären, durch die die Temperatur in ein biologisches Signal umgewandelt wird, welches das Geschlecht des Embryos bestimmt. Es wird angenommen, dass die Temperatur Signale auslöst, die die Genexpression und den Hormonstoffwechsel verändern und so die Entwicklung weiblicher oder männlicher Keimdrüsen bestimmen. In dieser Übersichtsarbeit konzentrieren wir uns auf die Zusammenstellung und Erörterung wichtiger und aktueller Informationen über die Rolle der mütterlichen Steroidhormone bei der Geschlechtsbestimmung in eierlegenden Reptilien wie Krokodilen, Schildkröten und Eidechsen, die über TSD verfügen. Insbesondere konzentrieren wir uns auf mütterliche Androgene und Östrogene, die sich im Eidotter ablagern, und deren Metaboliten, die auch das Geschlecht der Nachkommen beeinflussen könnten. Abschließend schlagen wir Leitlinien für die künftige Forschung vor, um den Zusammenhang zwischen mütterlichen Steroidhormonen und dem Geschlecht der Nachkommen zu klären.
Kommentar von H.-J. Bidmon
Dieser Übersichtsartikel beschäftigt sich zwar nicht nur mit Schildkröten, fasst aber sehr schön die bis 2023 erarbeiteten Daten zusammen und präsentiert auch in Tabellenform wie z. B. die experimentellen Studien zur Hormonapplikation sich auf die Geschlechtsentwicklung bei den bis dato untersuchten Spezies auswirken. Ebenso wird auf die das Geschlecht steuernden Gene eingegangen und es werden auch die Enzyme diskutiert, die mütterliche Geschlechtshormone im Ei metabolisieren können. Neben diese Labordaten befasst sich die Diskussion auch mit den Befunden, die im Freiland bei schwankenden Inkubationstemperaturen erzielt wurden und die zumindest in dem einen dazu durchgeführten Experiment (Warner et al. 2027; 2020; Breitenbach et al. 2020) bei der Zierschildkröte C. picta zu komplett unterschiedlichen Befunden führte. Warum das so sein könnte lässt sich nur spekulativ angehen, aber wenn zum Beispiel mütterliches Östrogen oder experimentell zugeführtes Östrogen im Freiland anderes wirkt als bei definierten Laborbedingungen liegt es wohl nahe, dass die Hormonwirkung durch die unterschiedlichen Freilandtemperaturprofile, die die ja auch die Entwicklungsgeschwindigkeit während der Entwicklungsphasen beeinflussen dazu führen, dass sich Entwicklungsprozess und Hormonwirkung phasenweise entkoppeln können z. B. wenn der Hormonmetabolismus und/oder die Hormonrezeptorexpression temperaturbedingt nicht mehr entsprechend zeitlich korreliert ablaufen.
Literatur
Breitenbach, A. T., A. W. Carter, R. T. Paitz & R. M. Bowden (2020): Using naturalistic incubation temperatures to demonstrate how variation in the timing and continuity of heat wave exposure influences phenotype. – Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences 287(1932): 20200992 oder Abstract-Archiv.
Warner, D. A., T. S. Mitchell, B. L. Bodensteiner & F. J. Janzen (2020): Sex and Incubation Temperature Independently Affect Embryonic Development and Offspring Size in a Turtle with Temperature-Dependent Sex Determination. – Physiological and Biochemical Zoology 93(1): 62-74 oder Abstract-Archiv.
Warner, D. A., T. S. Mitchell, B. L. Bodensteiner & F. J. Janzen (2017): The effect of hormone manipulations on sex ratios varies with environmental conditions in a turtle with temperature-dependent sex determination. – Journal of Experimental Zoology Part A: Ecological and Integrative Physiology 327: 172-181 oder Abstract-Archiv.
Galerien
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Chelodina expansa – Riesen-Schlangenhalsschildkröte