Batagur-Schildkröte, Batagur baska, ein Weibchen mit Fluoreszenzklebebandmarkierung – © Rupert Kainradl, Zoo Wien

Dedieu - 2023 - 01

Dedieu, A., N. Scherzer, T. Paumann, A. G. J. Morshed, A. Weissenbacher, C. Walzer & D. Preininger (2023): Camera Traps Provide First Insights into the Nesting Behavior of the Critically Endangered Northern River Terrapin (Batagur baska). – Chelonian Conservation and Biology 22(1): PDF only.

Kamerafallen liefern erste Erkenntnisse über das Nistverhalten der stark gefährdeten Nördlichen Flussschildkröte (Batagur baska).

DOI: 10.2744/CCB-1543.1 ➚

Batagur-Schildkröte, Batagur baska, – © Rupert Kainradl, Zoo Wien
Batagur-Schildkröte,
Batagur baska,
© Rupert Kainradl, Zoo Wien

Kamerafallen sind sehr hilfreiche Geräte zum Nachweis oder Fehlen von seltenen und versteckt lebenden Spezies, wobei sie auch Einblicke in bestimmte Verhaltensweisen ermöglichen. Passive infrarotgesteuerte Kameras werden routinemäßig zur Erfassung warmblütiger Tiere eingesetzt, aber bei wechselwarmen Reptilien erwies sich diese Überwachungsmethode bislang als sehr unzuverlässig. Als Teil unserer Erhaltungsbemühungen zum besseren Verständnis und Schutz der hochgradig gefährdeten Süßwasserschildkröte Batagur baska, untersuchten wir ihr zum größten Teil unbekanntes Nistverhalten und testeten ein videobasiertes Bewegungserfassungssystem, indem wir zwei unterschiedliche Kamerafallensysteme und deren Einstellungen kombinierten und unter kontrollierten Bedingungen im Wiener Zoo einsetzten. Eine pixelbasierte Videoüberwachungskamera erwies sich als geeigneter, gegenüber einer Kamerafalle mit Bewegungssensor. Die Überwachungskamera erlaubte bei sensitiver Einstellung eine zuverlässige Bewegungserfassung und die Aufzeichnungspräzession konnte erhöht werden durch das Markieren der Schildkröten mit aufklebbaren, reflektierenden Klebebandstreifen. Diese Videoüberwachung wurde während zweier Nistsaisons (2019 und 2020) im Erhaltungszuchtprojekt für die nördliche Flussschildkröte (B. baska, Gray 1830) im Bhawal Nationalpark in Bangladesch eingesetzt. Die Auswertung der Videoaufzeichnungen zeigten erstmals, dass die Weibchen der nördlichen Flussschildkröte in einem Zeitraum von durchschnittlich 1,5 Stunden ihr Nest anlegen und dass sie pro Jahr nur ein Gelege absetzten. Die Ergebnisse zeigen, dass die Weibchen die Sandbänke inspizieren und nach geeigneten Nistplätzen einige Male wiederholt absuchen bevor sie ihre Eier ablegen, was andeutet, dass die Nistplatzauswahl bei B. baska nicht zufällig erfolgt. Zusätzlich zeigten die Wassertemperaturmessungen in zwei Zuchtteichen innerhalb des Zuchtprogramms für B. baska in Gefangenschaft, dass die Wassertemperaturen zur Paarungszeit durchschnittlich auf 16 °C–18 °C abgesunken sind und dass sie vor Beginn der Nistsaison wieder auf durchschnittlich 28 °C–31 °C angestiegen sind. Die Temperaturen der Nächte in denen die Weibchen nisten schwankten zwischen den zwei Nistlokalitäten und sie unterschieden sich auch zwischen den jeweiligen Nistvorgängen innerhalb einer Nistlokalität was nahelegt, dass die übergeordneten saisonalen Temperaturveränderungen die Nistperioden initiieren, wohingegen andere physiologische sowie weitere Umweltfaktoren den eigentlichen individuellen Nistvorgang induzieren. Mit Hilfe dieser kontinuierlich über die Bewegungen gesteuerten Videoaufzeichnungen lieferte unsere Studie die ersten Daten über die Nistökologie von B. baska.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Eine sehr innovative Studie zum Nistverhalten dieser seltengewordenen Flussschildkrötenart, die zwar gute detaillierte Beobachtungsdaten zu deren Nistverhalten liefert, die aber auch wieder darauf verweist wie komplex die Steuerung der einzelnen individuenbasierten Nistprozesse ausfallen kann. Denn die Beobachtung, dass die Erfassung des Durchschnittwerts der Umwelttemperatur zur Nistsaison eben nicht wirklich ausreicht, um die Nistereignisse genau vorherzusagen zeigt ja schon, dass die individuellen Weibchen offensichtlich auf noch weitere vielfältige Faktoren reagieren ehe sie sich zur Anlage eines Nests entscheiden. Auch hier deutet sich wieder an, dass Gedächtnisfähigkeit und individuenbasierte Kognition der einzelnen Weibchen zur Nistplatzselektion beitragen. Was hier wohl auch noch fehlt wäre eine Untersuchung, ob auch diese Schildkröten wie für südamerikanischen Podocnemis-Arten dabei untereinander kommunizieren. Siehe dazu auch Cassill & Watkins (2022); Tornabene et al. (2018) und Jorgewich-Cohen et al. (2022) sowie die dortigen Kommentare.

Literatur

Cassill, D.L. & A. Watkins (2022): Nest-site choice by loggerhead sea turtles as a risk-management adaptation to offset hatching failure by unpredictable storms and predators. – Frontiers in Ecology and Evolution 10: 850091 oder Abstract-Archiv.

Jorgewich-Cohen, G., S. W. Townsend, L. R. Padovese, N. Klein, P. Praschag, C. R. Ferrara, S. Ettmar, S. Menezes, A. P. Varani, J. Serano & M. R. Sánchez-Villagra (2022): Common evolutionary origin of acoustic communication in choanate vertebrates. – Nature Communications 13(1): 6089 oder Abstract-Archiv.

Tornabene, B. J., R. G. Bramblett, A. V. Zale & S. A. Leathe (2018): Factors Affecting Nesting Ecology of Apalone spinifera in a Northwestern Great Plains River of the United States. – Chelonian Conservation and Biology 17(1): 63-77 oder Abstract-Archiv.

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