Chinesische Weichschildkröte, Pelodiscus sinensis, ein albinotischer Schlüpfling – © Robert Hentschel (www.chrysemys.com)

Zhou - 2009 - 01

Zhou, X,. Q. Guo & H. Dai (2009): Molecular characterization and expression profiles in response to bacterial infection of Chinese soft-shelled turtle interleukin-8 (IL-8), the first reptilian chemokine gene. – Developmental & Comparative Immunology 33(7): 838-847.

Molekulare Charakterisierung und die Expressionsprofile von chinesischen Weichschildkröten Interleukin-8 (IL-8) als Antwort auf eine bakterielle Infektion: Das erste Reptilien-Chemokin-Gen.

DOI: 10.1016/j.dci.2009.02.002 ➚

Chinesische Weichschildkröte, Pelodiscus sinensis, – © Robert Hentschel (www.chrysemys.com)
Chinesische Weichschildkröte,
Pelodiscus sinensis,
© Robert Hentschel
(www.chrysemys.com)

In dieser Studie klonierten und identifizierten wir erstmals ein IL-8 homologes Chemokin in einer Chinesischen Weichschildkröte. Die volle Länge der cDNS des Schildkröten-IL-8 beträgt 1188bp und enthält einen 312bp offenen Leserahmen (ORF), der für ein Protein mit 104 Aminosäuren kodiert. Die Chemokin CXC Domäne, die ein Glu-Leu-Arg (ELR) Motif sowie vier Cysteinreste enthielt, war im Schildkröten-IL-8 hochgradig konserviert. Die 4924bp umfassende genomische DNS des Schildkröten-IL-8 enthält vier Exons und drei Introns. Die phylogenetische Analyse zeigt, dass die Aminosäuresequenz des Schildkröten-IL-8 ein Cluster mit dem aus Vögeln bildet. RT-PCR Analysen zeigten, dass Schildkröten-IL-8 mRNA konstitutiv in Leber, Milz, Niere, Herz, Blut und im Darm von Kontrollschildkröten exprimiert wird. Die quantitative Echtzeit-PCR-Analyse ließ zudem erkennen, dass Schildkröten-IL-8 mRNA Expression in unterschiedlichen Geweben acht Stunden nach einer Infektion mit Aeromonas hydrophila nachweisbar war und dass es zwischen 8 Stunden und 7 Tagen zu einer signifikanten Hochregulation kam. Die derzeitigen Studien helfen uns, die Evolution des IL-8-Moleküls und die inflammatorischen Reaktionsmechanismen in Reptilien zu verstehen.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Siehe Kommentar zu Huang et al. (2009). Zudem zeigt diese Arbeit, auch wenn es nicht extra angesprochen wird, dass IL-8 ein Protein ist, das wie bei uns Menschen bei Infektionserkrankungen benötigt und hoch reguliert wird, da es bei der Immunabwehr eine wichtige Funktion hat. Wer also nun immer noch der Meinung ist, man müsse gerade noch wachsende Jungtiere „großhungern“ und ihnen die Aminosäure sprich Proteinquellen beschneiden, wo es nur irgendwie geht, der sollte sich nicht wundern, dass irgendwann eine Infektionserkrankung durchschlägt und zu Verlusten führt. Ein Umstand, der oft vergessen wird, denn bei vielen ist Jungtieraufzucht oft schon mit Massentierhaltung vergleichbar (viele Schlüpflinge auf engem Raum) und da wir alle nur – wenn überhaupt – bestenfalls semisteril arbeiten können, sind Infektionsgefahren und ein gewisses Maß an Stress meist latent vorhanden. Nicht zu vergessen: jede Immunreaktion beruht auf Proteinbiosynthese, dazu sind RNA-Synthese (Purinbasen) und Aminosäureverfügbarkeit eine Grundvoraussetzung. Schildkröten, die dazu keine Reserven haben, können nur eine schwache Immunantwort aufbauen, wenn eine Infektion erfolgt. Da sie nach Ausbruch der Erkrankung auch meist lethargisch werden und nur noch schlecht fressen, lässt sich ein Mangel, der den Ausbruch von Infektionen begünstigte, nur schwer ausgleichen. Da fragt man sich manchmal, warum reicht es bei manchen Schildkröten schon, wenn man ein Immunstimulanz wie Zylexis oder Baypamun gibt? Denn bei dem, was man da letztendlich spritzt, handelt es sich ja meist um eine Proteinmischung, die zwar das Abwehrsystem stimulieren soll, die aber gleichzeitig auch Protein und damit Aminosäuren liefert, die die Tiere zum Beispiel zur eigenen Protein- und z.B. Cytokin- und Antikörpersynthese nutzen können. Da stellt sich die Frage, ob sie überhaupt erkrankt wären, wenn sie von Anfang an einen ausgewogenen Protein- bzw. Aminosäurepool in der Nahrung gehabt hätten? Man kann viel über Krankheitsprävention diskutieren, aber für mein Dafürhalten ist die beste Prävention immer noch eine ausgewogene Ernährung, die sich an dem orientiert, was wirklich von den Schildkröten in ihrem natürlichen Lebensraum genutzt wird. Als Beispiele dazu siehe El Mouden et al. (2006), Walde et al. (2006), Rouag et al. (2009) und deren Integration in ein entsprechendes Fütterungskonzept (Bidmon 2006). Siehe auch Kommentare zu Hazard et al. (2009) & Russell & Balazs (2009).
Manchmal hört man ja auch Kritik von einigen, die da meinen, dass das, was hier kommentiert ist, nichts Neues darstellt, und man könnte es auch bei Wikipedia nachschlagen. Ich gebe diesen Kritikern sogar Recht! Allerdings, wenn alle die da meinen, ihre Kritik sei angebracht, einmal eines der aktuellsten Lehrbücher zur Reptilienmedizin (z. B. Mader 2006) zur Hand nehmen würden, könnten sie unschwer feststellen, dass viele gute Veterinäre dort immer wieder hervorheben, dass insbesondere für herbivore Reptilien häufig ein Mangel an schwefelhaltigen Aminosäuren zu beobachten ist. Wenn sich diese Kritiker dann noch die Mühe machen würden, bei Wikipedia nachzuschauen, wie viele schwefelhaltige Aminosäuren zum Aufbau nur eines Immunglobulins vom IgG Typ benötigt werden oder wie viele Aminosäuren mit Disulfidbrückenbildung zum Aufbau eines hochmolekularen Antikörper vom IgM Typ (Hunter et al. 2008) notwendig sind, frage ich mich ernsthaft, warum sie nicht langsam anfangen, ihre Argumente zur Ernährung von Schildkröten diesem Erkenntnisstand anzupassen?

Literatur

Bidmon, H.-J. (2006): Die Aufzucht und Ernährung europäischer Landschildkröten – Grundlagen und Rezepte, Futtermittel und Zusatzstoffe. – S. 117-136 in Daubner, M. & T. Vinke (Hrsg.): Testudo – Häufig gehaltene Arten. – Schildkröten im Fokus Sonderband Link zu Amazon. – Bergheim (dauvi-Verlag).

El Mouden, E. H., T. Slimani, K. B. Kaddour, F. Lagarde, A. Ouhammou & X. Bonnet (2006): Testudo graeca graeca feeding ecology in an arid and overgrazed zone in Morocco. – Journal of arid Environments 64(3): 422-435 oder Abstract-Archiv.

Hazard, L. C., D. R. Shemanski & K. A. Nagy (2009): Nutritional Quality of Natural Foods of juvenile Desert Tortoises (Gopherus agassizii): Energy, Nitrogen, and Fiber Digestibility. – Journal of Herpetology 43(1): 38-48 oder Abstract-Archiv.

Huang, Y., X. Huang, H. Liu, J. Gong, Z. Ouyang, H. Cui, J. Cao, Y. Zhao, X. Wang, Y. Jiang & Q. Qin (2009): Complete sequence determination of a novel reptile iridovirus isolated from soft-shelled turtle and evolutionary analysis of Iridoviridae. – BMC Genomics 10(1): 224 oder Abstract-Archiv.

Hunter, K. W. Jr., S. A. Dupré, T. Sharp, F. C. Sandmeier & C. R. Tracy (2008): Western blot can distinguish natural and acquired antibodies to Mycoplasma agassizii in the desert tortoise (Gopherus agassizii). – Journal of Microbiological Methods 75(3): 464-471 oder Abstract-Archiv.

Mader, D. R. (Ed.), (2006) Reptile Medicine and Surgery. 2nd Edition. – St. Louis (Saunders Elsevier), 1242 S.

Russell, D. F. & G. H. Balazs (2009): Dietary Shifts by Green Turtles (Chelonia mydas) in the Kane'ohe Bay Region of the Hawaiian Islands: A 28-Year Study. – Pacific Science 63(2): 181-192 und Abstract-Archiv.

Rouag, R., C. Ferrah, L. Luiselli, G. Tiar, S. Benyacoub, N. Ziane & E. H. El Mouden (2008): Food choice of an Algerian population of the spur-thighed tortoise, Testudo graeca. – African Journal of Herpetology 57(2): 103-113 oder Abstract-Archiv.

Walde, A., M. L. Harless, D. K. Delaney & L. L. Pater (2006): Gopherus agassizii (Desert Tortoise) diet. – Herpetological Review 37(1): 77-78 oder Abstract-Archiv.

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