Grüne Meeresschildkröte, Chelonia mydas, ein Albino-Schlüpfling – © Justin R. Perrault

Whiting - 2007 - 01

Whiting, S. D., W. Murray, I. Macrae, R. Thorn, M. Chongkin & A. U. Koch (2007): Non-migratory breeding by isolated green sea turtles (Chelonia mydas) in the Indian Ocean: biological and conservation implications. – Naturwissenschaften 95(4): 355-366.

Eine nicht migrierende, isolierte Nistpopulation der Suppenschildkröte (Chelonia mydas) im Indischen Ozean: Biologische Konsequenzen und Konsequenzen für den Schutz.

DOI: 10.1007/s00114-007-0327-y ➚

Grüne Meeresschildkröte, Chelonia mydas, – © Hans-Jürgen Bidmon
Grüne Meeresschildkröte,
Chelonia mydas,
© Hans-Jürgen Bidmon

Suppenschildkröten (Chelonia mydas) sind bekannt für Langstreckenwanderungen, und es ist kaum etwas bekannt über Kurzstreckenwanderungen oder ein völliges Fehlen von Wanderungen. Wir präsentieren hier Daten, die mit der Satellitentelemetrie gewonnen wurden um die Insel Cocos (Keeling) im Indischen Ozean, wo sich die einzige bis jetzt bekannt gewordene nicht-migrierende Suppenschildkrötenpopulation befindet (C. mydas). Die mittleren Wanderstrecken vom Niststrand zu den Nahrungsgründen beträgt 35,5 km, wobei die maximale Migrationsdauer 3,4 Tage beträgt. Das Verhalten dieser Population verändert unser allgemeines Verständnis in Bezug auf das Verhalten von Suppenschildkröten und deren Lebenszyklus und hat Auswirkungen für die Erhaltungsmaßnahmen. Erstens lassen diese Ergebnisse vermuten, dass es ein gewisses Maß an juvenilem oder Ablage-unabhängigem „Homing“ Heimkehrverhalten gibt, da sie sich zwischen den Nahrungsgründen im offenen Ozean und dem Niststrand bewegen (ohne dass dies etwas mit der Eiablage zu tun hätte). Zweitens reduziert das Ausbleiben der Langstreckenwanderungen den Energieverbrauch auf dem Weg zum Niststrand, so dass für diese Population eine höhere Fekundität gegeben ist. Drittens wird es durch die Nähe von Nahrungsgrund und Niststrand möglich, ein auf die Region bezogenes einheitliches Managementprogramm zur Arterhaltung zu implementieren, das für andere weit wandernde Suppenschildkrötenpopulationen so gut wie nie zu realisieren ist.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Hier sieht man einmal wieder, auf welch unterschiedliche Weise sich phänotypische Plastizität auswirken kann und wie die Umweltbedingungen auch das Verhalten beeinflussen. Bis zum Lesen dieser Arbeit hätte auch ich jedem, der gefragt hätte, geantwortet, dass Suppenschildkröten immer weite Wanderungen durchführen. Deshalb ist man bei der Beurteilung biologischer Fragestellungen eigentlich immer gut beraten, nie „Nein“ zu sagen, denn die Antwort, dass bisher dieses oder jenes nur noch nicht beobachtet wurde, ist meist besser, da sie von vorn herein nicht ausschließt, dass es etwas nicht doch gibt. Sicher, manche mögen sagen, damit kann man sich immer geschickt aus der Affäre ziehen, indem man keine klare Stellung bezieht, aber sind wir doch mal ehrlich, gibt es in belebten, sich entwickelnden und evolvierenden Systemen „Fixpunkte“, die eine klare Stellungnahme rechtfertigen würden? Im Grunde genommen haben wir von den Möglichkeiten bislang nur ein lückenhaftes Verständnis, und das „Klarstellen“ ist eher ein abstraktes Wunschprodukt unseres Egos, als dass es der biologischen Vielfalt entsprechen würde. Siehe dazu auch Ficetola & De Bernardi (2006); Bowen & Karl (2007).

Literatur

Bowen, B. W. & S. A. Karl (2007): Population genetics and phylogeography of sea turtles. – Molecular Ecology 16(23): 4886-4907 oder Abstract-Archiv.

Ficetola, G. F. & F. De Bernardi (2006): Is the European „pond“ turtle Emys orbicularis strictly aquatic and carnivorous? – Amphibia-Reptilia 27(3): 445-447 oder Abstract-Archiv.

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