Shen - 2013 - 01

Shen, Y. Y., X. Chen & R. W. Murphy (2013): Assessing DNA barcoding as a tool for species identification and data quality control. – PLoS One 8(2): e57125.

Das Ausloten des DNS-Barcoding (Strichkodierens) als ein Mittel zur Artidentifikation und zur Qualitätskontrolle von Daten.

DOI: 10.1371/journal.pone.0057125 ➚

In den vergangenen Jahren ist die Anzahl von Sequenzen für diverse Spezies, die an die Gendatenbanken geliefert wurden, explosionsartig angestiegen, und es ist nicht selten, dass diese fehlerhaft sind. Diese Problematik wird zunehmend ernster genommen, allerdings nicht für nicht valide oder falsch identifizierte Arten, Probenvermischung/Verwechslungen oder Probenkontaminierungen. DNS-Strichkodierung (barcoding) liefert eine wichtige Methode zur Artidentifizierung und zur Bestätigung der Artbestimmung, wobei auch ihr Nutzen für forensische Analysen von höchster Bedeutung ist. In dieser Studie nutzten wir die DNS-Strichkodierung, um fehlerhafte Sequenzdatensätze in Genbanken zu überprüfen, indem wir deutliche intraspezifische und niedrige interspezifische Divergenzen überprüften, um mögliche taxonomische Probleme und andere Fehlermöglichkeiten ausfindig zu machen. Wir verwendeten dazu das mitochondriale DNS-Gen, das für Cytochrom b (Cytb) kodiert von Schildkröten, um zu testen, ob es sich zur Strichkodierung eignet, und um potentielle Fehler aufzudecken. Dieses Gen wird ja sehr häufig für phylogenetische Studien innerhalb dieser Tiergruppe eingesetzt. Intraspezifische Variationen betragen normalerweise weniger als 2,0 % und in den meisten Fällen weniger als 1,0 %. Im Vergleich dazu variieren die meisten Spezies in unseren Datensätzen zu mehr als 10,0 %. Überlappende intra- und interspezifische Prozentsätze an Variation lassen sich auf problematische (fragwürdige) Artidentifizierungen und auf die Benutzung veralteter taxonomischer Begriffe zurückführen. Zudem entdeckten wir identische Probleme (Fehler) in Bezug zum Cytb von anderen Tiergruppen wie den Insektivora (Insektenfressern) und den Chiroptera (Fledermäusen). Nach Anwendung dieser Strategie der Strichkodierung auf 47,524 CoxI-Sequenzen von Säugetieren waren wir in der Lage, ein ganzes Set von potentiell problematischen Sequenzen herauszufiltern. Unsere Untersuchung zeigt, dass fehlerhafte Sequenzen in Gendatenbanken gar nicht selten sind und dass die DNS-Strichkodierung durchaus dazu dienen kann, die Korrektheit der Sequenzen zu prüfen und zu bestätigen und dazu genutzt werden kann, Probleme wie fehlerhaft bestimmte Spezies, falsch benutzte taxonomische Zuordnungen und die Probenkontamination als potentielle Ursachen für die Fehlsequenzierungen ausfindig zu machen.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Eine Studie, die aufhorchen lässt. Denn wenn solche offensichtlichen Fehler in den Genbankdatensätzen vorhanden sind (siehe z.B. Fritz et al. 2010), dann fragt man sich schon, wie sehr sollte man zum derzeitigen Zeitpunkt darauf zurückgreifen, wenn es um die Einführung und Entwicklung von Arterhaltungsmanagementmaßnahmen geht. Hier stellt sich ja auch die Frage, bezeichnet man eine Art als Art oder einen Hybrid als Hybrid, weil man einem Sequenzierungsfehler aufsitzt. Ganz klar man sollte zum einen immer wirklich mehrere Gene untersuchen und zum anderen durchaus die Daten hinterfragen, zumindest wenn, wie hier gezeigt, sehr hohe Abweichungen in den Prozentsatzanalysen auftauchen. Sicher, viele mögen sich freuen, denn hohe Abweichungen plädieren meist für einen eigenen neuen Artstatus (wobei manche z. B. bei Arten, die es nur noch in Gefangenschaftshaltungen zu geben scheint, auch gleich Profit wittern), aber man sollte auch hier kritisch bleiben, denn wenn selbst zwischen zwei seit über 10 Millionen Jahren getrennt lebenden Evolutionslinien auf der einen Seite nur niedrige Variationen auftreten (siehe Mesoclemmys, Vargas-Ramirez et al. 2012), andererseits aber in anderen Fällen in sich noch überschneidenden Lebensräumen überdurchschnittliche hohe Abweichungen gefunden werden, muss man prüfen, welche Ursachen dies haben könnte. Siehe auch Kommentare zu: Costello et al. (2013) und Lovich & Ennen (2013).

Literatur

Costello, M. J., R. M. May & N. E. Stork (2013): Can We Name Earth’s Species Before They Go Extinct? – Science 339(6118): 413-416 oder Abstract-Archiv.

Fritz, U., S. R. Daniels, M. D. Hofmeyr, J. Gonzalez, C. L. Barrio-Amoros, P. Široký, A. K. Hundsdorfer & H. Stuckas (2010): Mitochondrial phylogeography and subspecies of the wide-ranging sub-Saharan leopard tortoise Stigmochelys pardalis (Testudines: Testudinidae) – a case study for the pitfalls of pseudogenes and GenBank sequences. – Journal of Zoological Systematics and Evolutionary Research 48(4): 348-359 oder Abstract-Archiv.

Lovich, J. E. & J. R. Ennen (2013): A quantitative analysis of the state of knowledge of turtles of the United States and Canada. – Amphibia-Reptilia 34(1): 11-23 oder Abstract-Archiv.

Vargas-Ramirez, M., J. Michels & O. Victoria Castano-Mora (2012): Weak genetic divergence between the two South American toad-headed turtles Mesoclemmys dahli and M. zuliae (Testudines: Pleurodira: Chelidae). – Amphibia-Reptilia 33(3-4): 373-385 oder Abstract-Archiv.