Europäische Sumpfschildkröte, Emys orbicularis, – © Hans-Jürgen Bidmon

Pellitteri-Rosa - 2018 - 01

Pellitteri-Rosa, D. & A. Gazzola (2018): Context-dependent behavioural lateralization in the European pond turtle, Emys orbicularis (Testudines, Emydidae). – Journal of Experimental Biology 221(20): jeb186775.

Kontextabhängiges Lateralisationsverhalten bei Europäischen Sumpfschildkröten, Emys orbicularis (Testudines, Emydidae).

DOI: 10.1242/jeb.186775 ➚

 Emys orbicularis, Europäische Sumpfschildkröte – © Hans-Jürgen-Bidmon
Europäische Sumpfschildkröte,
Emys orbicularis,
© Hans-Jürgen-Bidmon

In einem ökologischen Kontext zeigt Lateralisation klare Vorteile, da die dominante Hirnhälfte die gleichzeitige Aktivierung konträrer Signale in der anderen Hälfte bei Organismen mit seitlich angeordneten Augen unterdrückt. Dieser Mechanismus ist essentiell um einen sicheren Zufluchtsort während eines Beutegreiferangriffs zu wählen. Letzteres ist ein Verhalten das sehr stark die Interaktion zwischen Beute und Beutegreifer beeinflusst. Wir untersuchten das mögliche Vorhandensein einer Lateralisation beim Beutegreiferabwehrverhalten von Europäischen Sumpfschildkröten indem wir ihre Fluchtreaktion während eines Beutegreiferangriffs erfassten. Es wurden insgesamt 30 Individuen (17 Männchen, 13 Weibchen) getestet indem sie drei verschiedenen Umweltsituationen mit zunehmend ansteigender Bedrohung ausgesetzt wurden: Flucht ins Wasser aus einem unsicheren Versteck, Sprung ins Wasser und Abtauchen von einem Sonnenbadeplatz und Umdrehreaktion nachdem sie auf den Rücken gelegt wurden. Alle Schildkröten wurden 20- mal in jedem der drei Experimentansätze getestet (60 Versuche pro Individum; 1800 Versuche insgesamt). Wir erfassten vielfältige Verhaltensreaktionen in Bezug zu dem allgemeinen Kontext eines Beutegreiferrisikos. Dies wurde gemacht, um zum einen die Existenz von Lateralisation aufzuzeigen und zum anderen um zu sehen ob es eine Korrelation zwischen verschiedenen Verhaltensweisen in Folge einer vorhandenen Lateralisation gibt. Die Anzahl von signifikanten Verhaltensantworten hin zur linken Seite war hochgradig ausgeprägt und zwar in allen drei simulierten Beutegreifertestsituationen was nahelegt, dass es zu lateralisierten Verhaltensreaktionen bei dieser Spezies kommt. Auf dem individuellen Niveau fanden wir für alle drei Testexperimente Anzeichen dafür, dass die unterschiedlichen Reaktionen in Beziehung zum ökologischen Kontext und dem Beutegreiferrisko erfolgten. Unsere Befunde unterstützen im Einklang mit den wenigen anderen vorhandenen Daten für Schildkröten, dass die rechte Hirnhälfte aktiver ist und verweist wichtiger weise darauf wie komplex ein genereller Beutegreiferkontext die Lateralisation des Fluchtverhaltens beeinflusst.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Im Hinblick auf andere Publikationen, die klar den Zusammenhang mit höheren kognitiven Funktionen und Hirnlateralisation herausstellen (Sovrano et al., 2017; Stancher, et al., 2006) auch wieder eine Arbeit die klar andeutet wie überlebenswichtig solche Mechanismen sind und welch selektionierende Umweltfaktoren auf sie einwirken die spezifische Verhaltensweisen fördern. (Siehe dazu auch Roth & Krochmal, 2018 und die dort zitierte Literatur oben).

Literatur

Roth, T. C. II & A. R. Krochmal (2018): Of molecules, memories and migration: M1 acetylcholine receptors facilitate spatial memory formation and recall during migratory navigation. – Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences 285(1891) oder Abstract-Archiv.

Sovrano, V. A., C. Quaresmini & G. Stancher (2017): Tortoises in front of mirrors: Brain asymmetries and lateralized behaviours in the tortoise (Testudo hermanni).– Behavioural Brain Research 352: 183-186 oder Abstract-Archiv.

Stancher, G., E. Clara, L. Regolin & G. Vallortigara (2006): Lateralized righting behavior in the tortoise (Testudo hermanni). – Behavioral Brain Research 173(2): 315-319 oder Abstract-Archiv.

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