Zierschildkröte, Chrysemys picta, im Gartenteich – © Hans-Jürgen Bidmon

McGaugh - 2010 - 01

McGaugh S. E., L. E. Schwanz, R. M. Bowden, J. E. Gonzalez & F. J. Janzen (2010): Inheritance of nesting behaviour across natural environmental variation in a turtle with temperature-dependent sex determination. – Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences 277(1685): 1219-1226.

Die Ererbbarkeit des Nistverhaltens bei Variation von Umweltfaktoren bei einer Wasserschildkröte mit Temperatur-abhängiger Geschlechtsfixierung.

DOI: 10.1098/rspb.2009.1883 ➚

Chrysemys picta, – © Hans-Jürgen Bidmon
Zierschildkröte, Chrysemys picta,
© Hans-Jürgen-Bidmon

Nistverhalten ist sehr wichtig für den Reproduktionserfolg bei oviparen (eierlegenden) Organismen die keine elterliche Fürsorge kennen. Bei Organismen bei denen das Geschlecht durch die Inkubationstemperatur festgelegt wird ist das Nistverhalten einer der wichtigsten Faktoren an denen die Selektion ansetzen kann, wenn es zu unausgeglichenen Geschlechterverhältnissen kommt. Um einen evolutionären Wechsel als Reaktion auf sich ändernde Geschlechterverhältnisse zu ermöglichen müssen Teile des Nistverhaltens ererbt sein. Wir untersuchten die Vererbbarkeit von zwei Schlüsselkomponenten des Nistverhaltens bei einer Population von Zierschildkröten (Chrysemys picta), einer Art mit Temperaturabhängiger Geschlechtsbestimmung. Dafür wurde das „Animal Model“ auf eine Abstammungsreihe die anhand der Genotyp-Daten rekonstruiert wurde angewandt. Wir erhielten unter Verwendung sich wiederholender Aufzeichnungen über die unterschiedlichen Umweltbedingungen Abschätzungen für die Ererbarkeit die von niedrig bis zu keiner Ererbbarkeit reichten. Anschließend bestimmten wir eine umweltspezifische Vererbarkeit indem wir die Klimaaufzeichnungen so gruppierten, dass sich Gruppen mit gleicher Wintertemperatur vor der jeweiligen Nistsaison bildeten. Dabei handelt es sich um eine Variable die hochgradig mit den beiden Komponenten des Nistverhaltens die uns interessierten sowie der Vegetationsbedeckung und dem Julianischen-Datum des Nistgeschehens assoziert ist. Die Vererbbarkeitsabschätzungen in Bezug zur Vegetationsbedeckung des Nistplatzes und in Bezug zum Julianischen-Datum des Nistens waren qualitativ sehr hoch und signifikant oder sehr nahe an der Signifikanzgrenze nach warmen Wintern. Eine additive genetische Varianz für diese Verhaltenskomponenten konnten nach kalten Wintern nicht nachgewiesen werden. Unsere Analysen lassen vermuten, dass das Potential zu einem evolutionären Wechsel (Anpassung) des Nistverhaltens abhängig von den thermalen Winterbedingungen die vor der jeweiligen Nistsaison herrschen sind, wobei der Winter die Jahreszeit darstellt die am deutlichsten vom Klimawandel betroffen ist.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Hierbei handelt es sich um einen sehr interessanten Versuch zu ermitteln ob und wie Nistverhalten, dass ja von den Eltern nicht erlernt werden kann vererbt oder ererbt wird. Dabei spielt insbesondere die richtige Nistplatzwahl eine entscheidende Rolle. Würde man davon ausgehen, dass das Nistverhalten als eine festgelegte unflexible Eigenschaft vererbt würde, müsste es immer gleich aussehen und könnte sich innerhalb einer Generation nicht an wechselnde Umweltbedingungen anpassen. Hier deutet sich aber an, dass die Überwinterungstemperatur der Individuen einen Einfluss auf die Vererbbarkeit des Nistverhaltens hat. Eigentlich müsste man bei einer so flexiblen Vererbbarkeit eher von einem epigenetischen Phänomen ausgehen. Sollte dem so sein, würde es sich hierbei um ein schönes Beispiel handeln, aufzuzeigen, dass Epigenetik einen biologischen Faktor darstellt, größere Flexibilität in die Vererbung einzubringen und somit einen wesentlichen Beitrag zur Adaptationsfähigkeit von Organismen unter sich verändernden Umweltbedingungen leistet.

Galerien