Golden Kroner, R. E., S. Qin, C. N. Cook, R. Krithivasan, S. M. Pack, O. D. Bonilla, K. A. Cort-Kansinally, B. Coutinho, M. Feng, M. I. Martínez Garcia, Y. He, C. J. Kennedy, C. Lebreton, J. C. Ledezma, T. E. Lovejoy, D. A. Luther, Y. Parmanand, C. A. Ruíz-Agudelo, E. Yerena, V. Morón Zambrano & M. B. Mascia (2019): The uncertain future of protected lands and waters. – Science 364(6443): 881-886.
Die unsichere Zukunft von geschützten Land- und Wasserflächen.
DOI: 10.1126/science.aau5525 ➚
Schutzgebiete (Protected areas) sind dazu da die Biodiversität langfristig zu erhalten. Allerdings lässt sich beweisen, dass es zu weitreichenden Veränderungen kommt, die das Langzeitziel und die Effektivität von Schutzgebieten einschränken oder zerstören. Wir dokumentieren diese legalen Abänderungen und Abänderungsvorhaben wie - die Herabstufung des Schutzstatus, Verkleinerung der Schutzgebiete und den völligen Verlust des Schutzes abgekürzt PADDD (protected area downgrading, downsizing, and Degazettement = PADDD) - in den Vereinigten Staaten und in den Ländern Amazoniens und wir stellen global gleiche weltweite Daten zusammen. Die Regierungen der USA und jene der Länder Amazoniens veränderten den Schutzstatus (PADDD) für 269 bzw. 440 Schutzgebieten. Zwischen 1892 und 2018, wurden in 73 Ländern 3749 Schutzgebiete im negativen Sinn verändert. Dabei verloren 519.857 Qudaratkilometer ihren Schutz und die Lockerung des Schutzstatus betraf weiter 1.659.972 km2 dabei wurden 78 % dieser Änderungen erst seit dem Jahr 2000 in Kraft gesetzt. Die meisten der PADDD–Veränderungen (62 %) erfolgten im Zusammenhang mit industrialisierten großräumigen Ressourcenentnahmen und Landnutzungen (z.B. industrieller Landentwicklung) was nahelegt, dass PADDD–Veränderungen die Erhaltung der Biodiversität und deren Zielsetzung beeinträchtigten. Es werden daher strategische Anpassungen der politischen Vorgaben notwendig um PADDD zu adressieren und langfristige Erhaltung von Schutzgebieten zu gewährleisten .
Kommentar von H.-J. Bidmon
Wir haben innerhalb der vergangenen Jahrzehnte sehr oft über den illegalen und auch zum Teil legalen Tierhandel (Pflanzenhandel) diskutiert (siehe etlichen Kommentare im Chelonia-science-Archiv, wie z.B. jüngst Jones et al., 2019; Mandimbihasina et al., 2018; Symes et al., 2018; Gong et al., 2017; Manjoazy et al., 2017; Nijman & Shepherd; 2015; Vinke & Vinke, 2015; Walker et al., 2014; Lenzen et al., 2012). In den meisten Fällen erwies sich jegliche Form des Handels oft als nicht nachhaltig und negativ für die noch wildlebenden Populationen. Dabei wurde auch zunehmend klar, dass auch schon in der Vergangenheit nicht jede Art von Gefangenschaftshaltung in Liebhaber- oder Privathand sich als negativ erwies, sondern zumindest für einige Arten vielleicht nicht das Langzeitüberleben (Caballero et al., 2017; siehe auch Bidmon, 2017) aber doch das Überleben bis in unsere Zeit ermöglichte (z. B. Barker & Barker, 2014, Kuchling, 2006). Ja, wenn wir es auf Schildkröten beschränken so sind ja manche Arten heute nur noch aus artifiziellen Haltungen bekannt und man geht davon aus, dass die wirklichen Herkunftsregionen heute unter Beton und Asphalt oder Slumvierteln verschwunden sind (siehe z.B. die Cherry-Head Variante von Chelonoidis carbonaria oder einige der Cuora-Arten in Südostasien, siehe dazu auch Sachs, 2015). Zumindest auf Populationsebene dürfte es auf allen Kontinenten außer Antarktika zu solchen Habitatverlusten gekommen sein. Zudem geht die Habitatkonnektivität weltweit zunehmend verloren oder wird stark begrenzt. Etwas das es den Arten erschwert sich verändernden Umweltbedingen durch Lebensraumverlagerung anzupassen (siehe z. B. Lee, 2011). Auf der anderen Seite erleben wir aber heute auf der politischen Ebene des Artenschutzes und der Arterhaltung zunehmend restriktivere Maßnahmen und Anforderungen, die wenn man sie isoliert betrachtet erst einmal durchaus sinnvoll erscheinen um damit die Wildbestände geschützter Arten und allgemein die Biodiversität zu erhalten. In den letzten Jahren wurde auch der Pestizid- und Herbizideinsatz der die Lebensräume bedroht mit in die Betrachtung einbezogen und insbesondere im Rahmen des Insektenaussterbens kontrovers diskutiert. Wobei natürlich klar sein sollte, dass weniger Insekten oder Evertebraten auch einen Verlust an Nahrung für Amphibien, Reptilien, Vögel und etliche Säugetierarten bedeutet. Im Grunde genommen bestand also in der Gesellschaft eine Einsicht dafür, dass die Politik dafür Sorge zu tragen hat diese negativen Auswirkungen auf die Biodiversität und die Arterhaltung entsprechend einzuschränken. Ja, und in diesem Verständnisrahmen war es auch einzusehen, dass der Handel mit Lebewesen reguliert wird und der illegale Handel mit Pflanzen und Tieren verboten bleibt und strikter kontrolliert wird. Letzteres wurde und wird auch heute noch aus wissenschaftlicher und zunehmend gesellschaftspolitischer Sicht so gefordert und akzeptiert. Diese nun in einem der angesagten Wissenschaftsjournale publizierte Arbeit dokumentiert aber auf einzigartige Weise wie die Politik selbst im Interesse der Wirtschaftsentwicklung weltweit einen immensen Beitrag zum Artensterben und Biodiversitätsverlust leistet. Insbesondere im Hinblick darauf, dass die Handelskontrolle mit geschützten Arten erst Anfang der 1980iger Jahre getroffen wurde als zunehmend bekannt wurde, dass das nicht-nachhaltige Ausbeuten bestimmter Arten so nicht weitergehen sollte ist es schon eine Überraschung in meinen Augen, dass 78 % der auf politischer Ebene getroffenen Maßnahmen zur Verschlechterung des Habitat- und Artenschutzes erst seit dem Jahr 2000 in Kraft gesetzt wurden. Ja, und das passiert nicht nur in den USA, Amazonien wie aktuell gerade in Brasilien), sondern auch in Europa und hierzulande (schon früher diskutiert siehe Bidmon, 2010). Ein gutes Beispiel ist auch das Natura 2000 Projekt der Europäischen Union, denn dort beobachten wir auch, dass z.B. in den mediterranen Ländern Arten verschwinden, weil eben landwirtschaftlich genutzte Flächen nicht weiter spezifiziert werden. Das heißt die Mitgliedsstaaten können ihre früher als Weideland (Schafe, Ziegen) genutzten Flächen mit großer Artenvielfalt problemlos in Mais- und Rapsmonokulturflächen umwandeln denn das ist dann immer noch Agrarland und dort sowohl Herbizide wie Pestizide großflächig einsetzen die dazu beitragen, dass der Biodiversitätsverlust rasant zu beobachten ist. Auch das Wechselspiel zwischen den politischen Machtverhältnissen hat oft große negative Auswirkungen auf den Arten- und Habitatschutz, denn ein einziges Wahlergebnis wie in den USA und Brasilien kann dazu führen, dass die Schutzbestimmungen geändert werden und selbst eine Wiederunterschutzstellung nach solch einem Machtwechsel hilft wenig, wenn in einer einzigen Legislaturperiode die entsprechenden Habitate und Lebewesen verschwunden sind. Welches Beispiel liefert hier die Politik gegenüber ihren Bürgern, wenn sie sich selbst nicht an die Auflagen die sie ihren Wählern abverlangt hält? Wozu brauchen wir Klimakonferenzen und Biodiversitätsgipfel, wenn selbst hier in einem demokratischen, reichen Land die eigenen Vorgaben bezüglich Artenschutz, Umweltschutz (siehe Bidmon, 2010) und Klimaschutz, wenn es hart auf hart kommt nicht mehr ernst genommen werden? Wenn wir uns das seit der Monsantoübernahme durch Bayer bekannt gewordene Vorgehen der Industrie mit Bespitzelung europäischer Glyphosatgegener (Wissenschaftler und Journalisten) sowie die Klagewelle gegen Bayer in den USA anschauen, dann fragt man sich schon warum die EU oder zumindest Deutschland nicht reagiert. Vielleicht weil unser ehemaliger Agrarminister im Alleingang auch für den weiteren Einsatz gestimmt hat? Gesundheitsfürsorglich im Hinblick auf die Bürger, beziehungsweise im Hinblick auf einen nachhaltigen Biodiversitätserhalt war diese Entscheidung für Europa nicht, denn ich schätze sogar, dass das was wir dort erleben sich langfristig schädlicher als Feinstaub und Stickoxide zusammen auswirken kann, mit den letzteren beiden mussten viele Lebewesen auch schon in der Vergangenheit vor dem Einfluss des Menschen erfolgreich fertig werden. Vor diesem Hintergrund weiß ich wirklich nicht ob der z.B. von angeblichen Tierschützern zum Ausdruck gebrachte Widerstand gegen die Wildtierhaltung oder Exotenhaltung (siehe Salzberg, 2019) wirklich heutzutage noch zielführend im Sinne der Arterhaltung sein kann (siehe auch Bidmon, 2019). Denn wenn dem so wäre müssten auch praktikable Alternativen die vor allem global umsetzbar wären zur Verfügung stehen. Wie wir aber an der obigen Arbeit sehen sind selbst jene Staaten die von ihren Bürgern die Einhaltung der Vorschriften fordern jene die sie im großflächigen Rahmen wissentlich nicht als verbindlich ansehen und somit in viel stärkerem Maße zum Habitatverlust und damit zum Artensterben mit beitragen. Sollten Einparteiensysteme daran wirklich effektiv etwas ändern (Gao, 2019) oder sollte im Rahmen einer sogenannten Gemanagten–Natur (Hennessy, 2013) vielleicht Arterhaltung nur noch in der ein oder anderen Haltungsform möglich sein?
Literatur
Barker, D. G. & T. M. Barker (2014): The invisible Ark: In defense of captivity. – VPI Library, Boerne, TX, USA; pp. 169.
Bidmon, H.-J. (2019): Kommentar zu: Van Dyke, J. U., R. Spencer, M. B. Thompson, B. Chessman, K. Howard & A. Georges (2019): Conservation implications of turtle declines in Australia's Murray River system. – Scientific Reports 9(1): 1-12 oder Abstract-Archiv.
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