Galapagos-Riesenschildkröte, Chelonoidis nigra, wird mit einem Apfel aus der Unterkunft gelockt – © Hans-Jürgen Bidmon

Freeland - 2020 - 01

Freeland, L., C. Ellis & C. J. Michaels (2020): Documenting Aggression, Dominance and the Impacts of Visitor Interaction on Galapagos Tortoises (Chelonoidis nigra) in a Zoo Setting. – Animals 10(4): 699.

Der Einfluss der Interaktion mit Besuchern bei Galapagos-Riesenschildkröten (Chelonoidis nigra) in einer Zoohaltung.

DOI: 10.3390/ani10040699 ➚

Galapagos-Riesenschildkröte, Chelonoidis nigra, – © Hans-Jürgen Bidmon
Galapagos-Riesenschildkröte,
Chelonoidis nigra,
wird mit einem Apfel
aus der Unterkunft gelockt
© Hans-Jürgen Bidmon

Die Sicherstellung des Tierwohls gehört für moderne Zoos zur unerlässlichen Notwendigkeit. Solche Organisationen müssen aber auch die Besucher mit einbinden, um erfolgreich das Bewusstsein für die Tiere zu steigern und um auch Spenden für Erhaltungsprojekte zu sammeln. Es ist daher wichtig zu verstehen wie die Tiere auf die Interaktionen mit den Besuchern reagieren, um ihr Wohlbefinden zu optimieren. Des Öfteren kann die Interaktion mit Menschen stimulierend und abwechslungsreich für die Tiere sein, aber in anderen Zusammenhängen kann eine Interaktion sich auch negativ auf das Wohlbefinden auswirken. Wir beobachteten hier in Gefangenschaft gehaltene weibliche Galapagos – Riesenschildkröten (Chelonoidis nigra), um aggressive Interaktionen zu beschreiben und um anhand des Elo-Einstufungssystems die Hierarchie zu charakterisieren sowie den Einfluss der Besucherinteraktionen zu bewerten. Die Elo-Einstufung zeigte, dass ein Individuum dominant war gegenüber zwei gleich eingestuften untergeordneten Individuen und die aggressiven Interaktionen werden in diesem Kontext diskutiert. Wir entdeckten signifikante Auswirkungen in Bezug auf das Vorhandensein von Besuchern und in Bezug zu den besuchenden Personen (Tierpfleger, Veterinäre oder Zoobesucher) innerhalb des Geheges auf die Aggressivität und die Aktivitäten. Wir vermuten, dass frühere Fehleinschätzungen bei den natürlichen Verhaltensweisen (z. B. die Finkenreaktion) als ein operant konditioniertes Verhalten anstatt als ein fixiertes unveränderliches Aktionsmuster als Auslöser für Aggression anzusehen ist. Wir dokumentierten daraufhin die Veränderungen die im Management der Tiere eingeführt wurde, um diese Einflüsse zu minimieren. Diese Arbeit hebt hervor wie wichtig es ist die empirischen Nachweise zur Festlegung einer optimalen Managementstrategie für Zootiere zu nutzen und in Bezug auf die Interaktionen mit den öffentlichen Besuchern im Sinne des Tierwohls abzustimmen.
Einfache Zusammenfassung: Das Verstehen der Mechanismen die dazu beitragen können das Wohlbefinden der Tiere in Zoos zu optimieren ist eine essentielle Notwendigkeit zur Verbesserung der Standards bei der Tierpflege. Unter Verwendung von Rasterdatensammlungsmethoden zur Gruppenhierarchie und durch direkte Beobachtung wurde das Verhalten von Galapagos-Riesenschildkröten (Chelonoidis nigra) erfasst und zwar in Bezug zu den Interaktionen mit Besuchern. Wir beobachteten das Kopfbewegungen und das Hochstellen wichtige Anzeichen für aggressive Interaktionen darstellen. Wir stellten fest, dass das Vorhandensein sowie die Art der anwesenden Personen (Pfleger, Tierärzte, Zoobesucher) innerhalb des Geheges das Verhalten dieser Tierart beeinflusst, wobei die Aggressivität und Aktivität zunehmen. Wir vermuten, dass wenn die Anwesenheit von Besuchern das sogenannte „Finching“ (Finkenreaktion) initiiert, also ein Verhalten das eine Schildkröte zeigt, wenn sie sich von Vögeln Parasiten entfernen lässt und welches durch Hochstellen des Körpers und Strecken gekennzeichnet ist, das Tierwohl negativ beeinflusst wird. Wir schlagen vor, dass ein sorgsames Management der Interaktionen mit Besuchern bei dieser Spezies das Wohlbefinden verbessern kann.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Die Arbeit zeigt gute farbige Abbildungen zu den Verhaltenspositionen. Eine Arbeit die zwar eine interessante Beobachtung beschreibt deren Interpretation aber nicht unumstritten ist. Bei vielen großen Schildkröten beobachtet man dieses beschriebene Hochstellen und auch das Reiben mit dem Carapax. Genau dieses Verhalten zeigen z. B. auch Astrochelys radiata Männchen. Hier konnte ich aber beobachten, dass sie das gerne tun, genauso wie sie sich gerne am Hals und Carapax kraulen lassen. Dazu nutzen sie sogar Besenborsten die man am Gehegerand anbringen kann wenn keine geeigneten Sträucher im Gehege vorhanden sind. Das tun sie auch nur ab einer gewissen Größe und manche Exemplare kommen sogar direkt auf einen zu, um sich kraulen zu lassen. Genau dieses Verhalten wird auch als „Finching“ beschrieben. Etwas anderes sind die Bisse die wirklich manchmal zur Verdrängung anderer Schildkröten im Gehege eingesetzt werden. Was mich hier etwas stutzig macht sind die Haltungsbedingungen einer reinen Weibchengruppe, denn wie wir das auch von der Hühnerhaltung kennen, zeigt sich auch in reinen Hennengruppen häufig eine Verhaltensweise die eher als Paarungsaufforderung anzusehen ist gegenüber den Haltern oder Besuchern. Auch würde ich das nicht als Aggression interpretieren, sondern als Stress der hier zum Ausdruck kommt und der eher auf die Abwesenheit eines Männchens zurückzuführen wäre. Ja bei Strahlenschildkröten beobachtet man sogar, dass sie gegenüber jungen Männchen aggressiv reagieren, wenn diese zu früh mit ihren Balz- bzw. Paarungsversuchen aufhören und nicht wie die alten Männchen bis zum Finale durchhalten.

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