Maurische Landschildkröte, Testudo graeca, – © Hans-Jürgen Bidmon

Tiar-Saadi - 2022 - 01

Tiar-Saadi, M., G. Tiar, Z. Bouslama & P. Široký (2022): Mechanisms Determining Body Size and Shape Difference in Algerian Spur-Thighed Tortoises (Testudo graeca). – Animals 12(10): 1330.

Mechanismen die die Körpergröße und Formdifferenzen bei der algerischen Maurischen Landschildkröte (Testudo graeca) bestimmen.

DOI: 10.3390/ani12101330 ➚

Maurische Landschildkröte, Testudo graeca, – © Hans-Jürgen Bidmon
Maurische Landschildkröte,
Testudo graeca,
© Hans-Jürgen Bidmon

Unter der Verwendung von Daten zur Körpergröße und Panzerform von algerischen Testudo graeca versuchten wir die Ursachen zu erfassen, die für Unterschiede in der Morphologie von adulten Schildkröten verantwortlich sind. Alle untersuchten Populationen zeigten signifikante geschlechtsabhängige Größen- und Formunterschiede. Relativ zur Körperlänge hatten Weibchen größere und voluminösere, hochgewölbte Panzer als die Männchen. Wir fanden deutliche Beweise dafür, dass die Unterschiede bei den Körpergrößen zum Zeitpunkt des Erreichens der Geschlechtsreife diese geschlechtsabhängigen Dimorphismen prägen. Die Körpergröße zum Zeitpunkt des Eintretens der Geschlechtsreife ist abhängig von der Dauer der Wachstumsperiode vom Schlüpfling bis zur Geschlechtsreife. Bei den untersuchten Populationen zeigte sich bei der Abschätzung des Erreichens der Geschlechtsreife anhand von Zuwachsringzählung, dass die Männchen immer früher die Geschlechtsreife erreichen als die Weibchen (Zeitdifferenz von 1,4-3,0 Jahren). Wie beim Geschlechtsdimorphismus erwiesen sich auch die geografisch bedingten Körpergrößenunterschiede der Adulti als abhängig von den Unterschieden, die zum Zeitpunkt der Geschlechtsreife festgestellt werden konnten. Bemerkenswert war dabei auch, dass die Population mit den größten Schildkröten auch jene war, die die größte Zeitspanne bis zum Erreichen der Geschlechtsreife aufwies: 9,1 Jahre für Männchen und 10,5 Jahre für Weibchen. Somit ergab sich, dass eine später einsetzende Geschlechtsreife der bestimmende Faktor für eine größere Körpergröße der Adulttiere war. Von allen untersuchten Populationen erwiesen sich die Schildkröten, die in der Djelfa-Lokalität vermessen wurden als die größten, mit einer Körperlänge von 186 mm für die Männchen und 230 mm für die Weibchen.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Diese Arbeit untersucht mehrere südliche Populationen von T. graeca in unterschiedlichen Habitaten und Höhenlagen, die aber zum Teil bis zu 500 km entfernt von den südlichsten als T. g. whitei beschrieben liegen. Sie enthält eine hilfreiche Skizze zur Erfassung der Parameter, die die jeweiligen Formunterschiede bedingen und sie enthält etliche Tabellen und Graphiken, die die Größen und Formunterschiede für die zahlreichen Populationen quantitativ dokumentieren und auflisten. Ebenso gibt es Formeln zur mathematischen Erfassung dieser Daten. Allerdings zeigen die erhaltenen Befunde eigentlich erwartbare Ergebnisse, die den meisten, die sich mit T. graeca beschäftigen, auch hinlänglich bekannt sein dürften. Was vielleicht wirklich etwas überraschend ist, ist der Befund, dass nicht unbedingt die beste Nahrungs- oder Wasserverfügbarkeit oder die Temperaturbedingen [getesteten geographischen Bedingungen (Umweltbedingungen)] die Adultgröße festlegen, sondern anscheinend die Dauer der Wachstumsphase bis zur Geschlechtsreife. Letzteres wird auch ausführlich, aber meist nur vergleichend über alle Testudo-Spezies hinweg diskutiert. Daraus ergibt sich natürlich die Frage, was nun für diese eventuell populationsspezifische Wachstumsperiode verantwortlich ist? Ist diese genetisch festgelegt oder gibt es andere Umweltfaktoren, die diese beeinflussen, wie dies z.B. für Chelodina rugosa (Fordham et al., 2007; 2008) oder Actinemys Snover et al., (2015) beschrieben wurde. Dabei handelt es sich zwar um Süßwasserschildkrötenarten, aber dennoch könnten auch solche Umwelt-„Stress“-Faktoren einschließlich von Populationsdichteunterschieden im weitesten Sinne auch das Wachstum von Landschildkröten beeinflussen. Letztendlich sollte man aber bei all diesen Populationsvergleichen auch bedenken, dass es sich oft um Durchschnittswerte handelt, die verglichen werden, was ja bedeutet, dass es innerhalb der einzelnen Populationen auch kleinere und größere weibliche und männliche Individuen gibt. Insofern besitzt jede Population eine populationsinterne Variabilität, die es ihr wahrscheinlich ermöglicht, sich je nach bislang noch unzulänglich bekannten Bedingungen in die eine oder andere Richtung zu entwickeln und anzupassen. Siehe z.B. dazu auch Aranovski et al., (2018) sowie Znari et al., (2005).

Literatur

Arsovski, D., L. Tomović, A. Golubović, S. Nikolić, B. Sterijovski, R. Ajtić, J. M. Ballouard & X. Bonnet (2018): When carapace governs size: variation among age classes and individuals in a free-ranging ectotherm with delayed maturity. – Oecologia 186(4): 953-963 oder Abstract-Archiv.

Fordham, D. A., A. Georges & B. W. Brook (2007): Demographic response of snake-necked turtles correlates with indigenous harvest and feral pig predation in tropical northern Australia. – Journal of Animal Ecology 76(6): 1231-1243 oder Abstract-Archiv.

Fordham, D. A., A. Georges & B. W. Brook (2008): Experimental evidence for density-dependent responses to mortality of snake-necked turtles. – Oecologia 159(2): 271-281 oder Abstract-Archiv.

Snover, M. L., M. J. Adams, D. Ashton, J. B. Bettaso & H. H. Welsh Jr. (2015): Evidence of counter-gradient growth in western pond turtles (Actinemys marmorata) across thermal gradients. – Freshwater Biology 60(9): 1944-1963 oder Abstract-Archiv.

Znari, M., D. J. Germano & J. C. Mace (2005): Growth and population structure of the Moorish Tortoise (Testudo graeca graeca) in Westcentral Morocco: possible effects of over-collecting for the tourist trade. – Journal of Arid Environments 62(1): 55-74 oder Abstract-Archiv.

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