Mcknight, D. T., J. C. Serano, D. M. Thompson & D. B. Ligon (2023): They really do move in herds: evidence of group living in an aquatic turtle. – Animal Behaviour 205(1): 197-226.
Sie wandern wirklich in Herden: Beweise für ein Zusammenleben in Gruppen bei einer aquatischen Schildkröte.
DOI: 10.1016/j.anbehav.2023.08.015 ➚
Geselligkeit (Sozialverhaltensform) ist ein Schlüsselfaktor in der Ökologie von etlichen Spezies und sie hat eine wichtige Bedeutung für deren Erhaltung. Nichtsdestotrotz beschränkten sich die meisten Untersuchungen des Sozialverhaltens bei Wirbeltieren in der Hauptsache auf Säugetiere und Vögel, während Reptilien dabei zum größten Teil übergangen wurden. Hier liefern wir einige der ersten Nachweise für ein Zusammenleben in Gruppen bei einer Süßwasserschildkröte, und zwar ohne damit die gemeinsame Ressourcennutzung (Nistplatz) im Zusammenhang mit der Reproduktion zu meinen. Wir überwachten die Wanderbewegungen von Gruppen an juvenilen Zentralamerikanischen Flussschildkröten, Dermatemys mawii und wir verwendeten Simulationen, um unsere erfassten Ergebnisse mit der Nullhypothese für eine soziale Assoziation zu vergleichen. Wir fanden dabei heraus, dass die Schildkröten zusammen wanderten, und zwar nicht zufällig und sie formten dabei dichtere Gruppen, als das nach dem Zufallsprinzip zu erwarten gewesen wäre. Tatsächlich gab es etliche Beobachtungen, wo zwei Jungtiere sich dicht zueinander bewegten, wobei eines dem anderen folgte. Diese Untersuchung wurde in einem Gebiet mit einem einheitlichen Habitat durchgeführt, welches nur wenig bis hin zu gar keiner Strukturierung aufwies, was dazu beiträgt, dass die Ergebnisse sich nicht einfach durch eine Habitatauswahl, Nahrungssuchverhalten oder Paarungsverhalten erklären lassen. Letzteres führt dazu, dass sich dieses Verhalten am besten als ein Zusammenleben (soziale Clusterbildung, Gruppenbildung) als naheliegende Interpretation anbietet. Das legt nahe, dass Schildkröten doch mehr Sozialverhalten als allgemein angenommen wird zeigen und somit erweitert diese Studie das Verständnis für diesen Kontext und die Anzahl der Taxa bei denen Sozialverhalten auftritt.
Kommentar von H.-J. Bidmon
Diese Arbeit adressiert mal wieder ein oft diskutiertes Thema, zumindest bei Schildkrötenhaltern. Insofern muss man sich die Frage stellen, ob diese Geselligkeit für alle Altersstadien zu beobachten wäre. Allerdings würde es mich nicht wundern, wenn man bei dieser Flussschildkröte nicht nur das Schwimmen in Gruppen nachweisen könnte, sondern auch eine dazugehörige akustische Kommunikation, wie dies für Podocnemis expansa und Carretochelys insculpta Ferrara et al., (2014; 2017) schon gezeigt wurde. Da es ja, wie bei allen Lebewesen die Umwelt ist, die ihnen eine bestimmte Adaptation abverlangt und damit auch einen prägenden Einfluss auf ihr Verhalten hat, sollte uns diese Variabilität, die es diesbezüglich zwischen den einzelnen Taxa geben, mag nicht verwundern.
Literatur
Ferrara, C. R., R. C. Vogt, R. S. Sousa-Lima, B. M. R. Tardio, & V. C. Diniz Bernardes (2014): Sound communication and social behavior in an Amazonian river turtle (Podocnemis expansa). – Herpetologica 70(2): 149-156 oder Abstract-Archiv.
Ferrara, C. R., R. C. Vogt, C. C. Eisemberg & J. S. Doody (2017): First Evidence of the Pig-nosed Turtle (Carettochelys insculpta) Vocalizing Underwater. – Copeia 105(1): 29-32 oder Abstract-Archiv.
Galerien
Dermatemys mawii – Tabascoschildkröte