Chinesische Weichschildkröte, Pelodiscus sinensis, ein albinotischer Schlüpfling – © Robert Hentschel (www.chrysemys.com)

Huang - 2009 - 01

Huang, Y., X. Huang, H. Liu, J. Gong, Z. Ouyang, H. Cui, J. Cao, Y. Zhao, X. Wang, Y. Jiang & Q. Qin (2009): Complete sequence determination of a novel reptile iridovirus isolated from soft-shelled turtle and evolutionary analysis of Iridoviridae. – BMC Genomics 10(1): 224.

Die komplette Sequenzbestimmung für einen neuen Reptilieniridovirus aus einer Weichschildkröte und die evolutionäre Analyse der Iridoviridae.

DOI: 10.1186/1471-2164-10-224 ➚

Chinesische Weichschildkröte, Pelodiscus sinensis, – © Robert Hentschel (www.chrysemys.com)
Chinesische Weichschildkröte,
Pelodiscus sinensis,
© Robert Hentschel
(www.chrysemys.com)

Hintergrund
Weichschildkröteniridovirus (STIV) ist die Ursache für eine schwere systemische Erkrankung bei kultivierten Weichschildkröten (Trionyx sinensis). Nach unserem Wissen bezieht sich die einzige verfügbare molekulare Information über STIV auf das sehr stark konservierte Major Capsid Protein. Die komplette Sequenz des STIV Genoms ist bislang nicht verfügbar. Deshalb wird die Identifizierung der Genomsequenz von STIV und eine detaillierte bioinformatische Analyse des Genomgehalts und des Evolutionsstatus das Verstehen der taxonomischen Elemente von STIV erleichtern und dazu beitragen die Pathomechanismen einer durch Reptilienviren verursachten Erkrankung besser zu verstehen.

Resultate
Wir bestimmten die komplette Nukleotidsequenz des STIV Genoms unter Gebrauch der 454 Life Science Sequenzierungstechnologie. Das STIV Genom ist 105.890 bp lang mit einer Basenkomposition von 55.1 % G+C. Computer-unterstützte Analysen zeigen, dass das STIV Genom 105 potentielle offene Leserahmen (ORFs) enthält welche für Polypetide mit Aminosäuren von 40 bis 1,294 Aminosäuren kodieren und etwa 20 mikroRNS-Kandidaten benötigen. Unter den möglichen Proteinen zeigen etwa 20 eine Homologie mit den ursprünglichen Proteinen der nukleären und zytoplasmatischen großen DNS-Viren (NCLDVs). Vergleichende Genomanalysen zeigten dass STIV den höchsten Grad an Sequenzkonservierung und eine co-lineare Anordnung der Gene zum Froschvirus 3 (FV3) aufweist, gefolgt vom Tigerfroschvirus (TFV) dem Ambystoma tigrinum-Virus (ATV), dem Singapur Grouper-Iridovirus (SGIV) dem Grouper-Iiridovirus (GIV) und anderen Iridovirus-Isolaten. Die phylogenetische Analyse basierend auf den konservierten Core-Genen und der kompletten Gensequenz von STIV wurde mit den anderen Virusgenomen durchgeführt. Zudem lässt die Analyse von Genaufnahme- und Genabgabe-Ereignissen innerhalb der Familie der Iridoviren vermuten, dass die Gene die von den Iridoviren abgelesen werden sich dahingehend evolvierten um die Adaptation (Anpassung) an verschiedene natürliche Wirtsspezies zu begünstigen.

Schlussfolgerung
Diese Studie lieferte die komplette Genomsequenz von STIV. Die phylogenetische Analyse ergab das STIV und FV3 Stämme derselben Virusspezies darstellen die zu der Gattung der Ranaviren innerhalb der Familie der Iridoviridae gerechnet werden müssen. Unter der Annahme einer Virus-Wirts-Coevolution und den phylogenetischen Beziehungen zwischen den Wirbeltieren vom Fisch bis zum Reptil postulieren wir dass Iridoviren von Reptilien auf Amphibien und umgekehrt übertragen werden können und dass STIV und FV3 Stämme der gleichen Virusspezies innerhalb der Gattung Ranaviren darstellen.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Auch hier wieder ein klarer Beleg dafür, dass China sich langsam aber sicher eine Führungsrolle in Bezug auf die Reptilienpathologie und die entsprechende veterinärmedizinische Versorgung erarbeitet. Ein Umstand, der so bedauerlich es auch sein mag, von den wirtschaftlichen und ernährungspolitischen Notwendigkeiten in China getragen wird. Ich denke für die Reptilienmedizin wird dort schon mehr getan als hier in Europa, wo es zwar einen Liebhabermarkt für Reptilien gibt, der aber trotz des Seltenheitswerts mancher Arten bislang nicht ausreichte, auch die veterinärmedizinische Forschung zu beflügeln. Hier konzentriert man sich wohl eher darauf, auszuprobieren mit welchen für Säugetiere entwickelten Medikamenten man eventuell auch Heilungserfolge bei Reptilien erzielen kann. Man mag zwar den Chinesen vorwerfen, dass sie ihre Schildkrötenbestände zumindest in der Vergangenheit geplündert haben, aber wie wir hier sehen, sie tun an anderer Stelle auch etwas für die Tiere. Diese Art der Forschung wird dringend benötigt, nicht nur der Schildkrötenfarmer wegen, sondern auch dafür, später einmal gesunde Tiere für die Wiederansiedlung in Naturschutzgebieten zu haben. Diesbezüglich muss man sogar sagen, dass wir hierzulande als Endverbraucher aus dem Tierhandel auch nicht gerade wenig zur Ausbeutung natürlicher Bestände während der letzten Jahrzehnte beigetragen haben, und viele rechtfertigten ihr Tun mit der so genannten Erhaltungsnachzucht. Allerdings ist eine Erhaltungsnachzucht ohne entsprechende Weiterentwicklung einer begleitenden veterinärmedizinischen Forschung vor dem Hintergrund der weltweiten Ausbreitung der diversen reptilien- und schildkrötenassoziierten Erreger ein hoffnungsloses Unterfangen. Dementsprechend muss man hierzulande die liebhaberbasierte „Erhaltungszucht“ ohne entsprechende Förderung reptilienspezifischer veterinärmedizinischer Forschung wohl eher als blauäugige Liebhaberei, denn als Erhaltungszucht im eigentlichen Sinn einschätzen. Siehe auch Xu et al. (2009).

Literatur

Xu, Z., G. L. Wang & P. Nie (2009): IgM, IgD and IgY and their expression pattern in the Chinese soft-shelled turtle Pelodiscus sinensis. – Molecular Immunology 46(10): 2124-2132 oder Abstract-Archiv.

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