Maurische Bachschildkröte, Mauremys leprosa, – © Hans-Jürgen Bidmon

El Hassani - 2019 - 01

El Hassani, M. S., E. M. El Hassan, T. Slimani & X. Bonnet (2019): Morphological and physiological assessments reveal that freshwater turtle (Mauremys leprosa) can flourish under extremely degraded-polluted conditions. – Chemosphere 220: 432-441.

Morphologische und physiologische Untersuchungen zeigen, dass Süßwasserschildkröten (Mauremys leprosa) unter extrem gestörten und verschmutzten Umweltbedingungen gedeihen können.

DOI: 10.1016/j.chemosphere.2018.12.142 ➚

Maurische Bachschildkröte, Mauremys leprosa, – © Hans-Jürgen Bidmon
Maurische Bachschildkröte,
Mauremys leprosa,
© Hans-Jürgen Bidmon

Süßwasserschildkröten gehören zu den langlebigen ortstreuen Organismen die als biologische Zeigerorganismen genutzt werden können um anthropogene Störungen in Süßwasserökosystemen anzuzeigen. Letzteres wird in besonderer Weise dadurch ermöglicht weil die Verunreinigungen sich in ihren Geweben anreichern. Solche Verschmutzungen haben gravierende negative Auswirkungen bei Meeresschildkröten, aber Studien an Süßwasserschildkröten ergaben meist gegensätzliche Ergebnisse: Einige Spezies werden von diesen Verschmutzungen negativ beeinflusst wohingegen andere die Habitatzerstörungen und Verschmutzungen tolerieren. Demzufolge ist es wichtig diese Sachverhalte zu untersuchen, da Süßwasserschildkröten weltweit gefährdet sind. Wir verglichen zwei Populationen von maurischen Bachschildkröten (Mauremys leprosa) zum einen in einem relativ sauberen Gebiet (Piedmont des Atlasgebirges) versus einer extrem degradierten und verschmutzen Region (Abwässer einer Großstadt) in Marroko. Alle morphologischen und physiologischen Abschätzungen zeigten, dass die Schildkröten sehr gut in der Lage waren unter diesen extrem schlechten Habtatbedingungen zu leben. Die Populationsdichte, die Körpergrößen und die Körperkonditionen waren höher im Abwasser was wahrscheinlich daran liegt, dass sowohl Wasser wie auch Futter kontinuierlich in den menschlichen Abwässern vorhanden sind. Stressmarker (z.B. Glucocorticoide) zeigten komplexe Muster was möglicherweise ihre Kapazitäten widerspiegelt auf unterschiedlichste Stressfaktoren zu reagieren. Die reproduktionsassoziierten Parameter (Testosteronspiegel, Dotterproteinsynthese) waren vergleichsweise niedrig in der relativ sauberen Region. Diese Analysen verschleiern aber den äußerst zerstörerischen Einfluss des Menschen auf das Flussökosystem. Letzteres zeigt sich auch daran, dass Mauremys leprosa das einzige nachweislich in diesem Abwasser überlebende Wirbeltier war was trotz alledem andeutet, dass diese Art ein guter Indikator ist der komplexe ökophysiologische Informationen liefern kann sofern man dies bei den Untersuchungen berücksichtigt.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Eine Arbeit, die zwei wesentliche Aspekte beleuchtet, nämlich zum einen die Toleranz gegenüber Umweltbelastungen bei bestimmten anpassungsfähigen Arten und zweitens den Aspekt der Ernährung den vielleicht auch der Ernährungszustand dabei spielt. Denn in Bezug auf die Nahrungsverfügbarkeit haben die Schildkröten die im Abwasser leben ziemliche Vorteile, die sie anscheinend auch nutzen. Ja, und bei gutem Ernährungszustand kann ja auch so mancher aufgenommene Schadstoff in Fettdepots oder im neu gebildeten Keratin relativ leicht abgelagert werden, ohne dass gleich lebenswichtige Prozesse im Körper geschädigt werden. Letzteres kennt ja jeder Raucher/in die ja auch den Arsenanteil aus dem Tabakkonsum im Fettgewebe und den Haaren ablagern. Allerdings heißt das auch nicht immer, dass die Tiere dort gesünder sind, denn auch sie müssen sich vor den negativen Auswirkungen der Abwasserbelastung schützen (siehe dazu auch Hofstra und den dortigen Kommentar). Letztendlich könnten aber auch genetisch bedingte Umweltanpassungen dazu beitragen (siehe z.B. Hoffmann & Sgro, 2011 oder Oziolor et al., 2019). Diese Anpassungsfähigkeit mag auch ein Grund dafür sein warum gerade M. leprosa eine Art ist die derzeit selbst in agrarwirtschaftlich genutzten Flächen in Spanien ihr Besiedlungsgebiet ausbreitet und gar nicht mehr so bedroht zu sein scheint (siehe Heritier). Zum anderen müssen wir aber auch bei den sogenannten Belastungen sehen, dass zwar Abfälle im allgemeinen ein Gewässer als verschmutzt erscheinen lassen, dass es aber dennoch von bestimmten eigentlich wesentlicheren Umweltgiften wie z. B. Schwermetallen einschließlich Quecksilber und Kadmium frei oder nur wenig belastet sein kann, während manches klar erscheinende Gewässer durchaus mit solchen Schwermetallen verseucht sein kann.

Literatur

Heritier, L., A. L. Meistertzheim & O. Verneau (2017): Oxidative stress biomarkers in the Mediterranean pond turtle (Mauremys leprosa) reveal contrasted aquatic environments in Southern France. – Chemosphere 183: 332-338 oder Abstract-Archiv.

Hoffmann, A. A. & C. M. Sgro (2011): Climate change and evolutionary Adaptation. – Nature 470(7335): 479-485 oder Abstract-Archiv.

Hofstra, J. (2015): Moerasschildpadden op het Griekse eiland Lesbos. – Schildkröten im Fokus Online 2015 3: 1-9 oder Artikel-Archiv.

Novillo, O., J. F. Pertusa & J. Tomas (2017): Exploring the presence of pollutants at sea: Monitoring heavy metals and pesticides in loggerhead turtles (Caretta caretta) from the western Mediterranean. – Science of the Total Environment 598: 1130-1139 oder Abstract-Archiv.

Oziolor, E. M., N. M. Reid, S. Yair, K. M. Lee, S. Guberman VerPloeg, P. C. Bruns, J. R. Shaw, A. Whitehead & C. W. Matson (2019): Adaptive introgression enables evolutionary rescue from extreme environmental pollution. – Science 364(6439): 455-457 oder Abstract-Archiv.

Slimani, T., M. S. El Hassani, E. H. El Mouden, M. Bonnet, P. Bustamante, F. Brischoux, M. Brault-Favrou, & X. Bonnet (2018): Large-scale geographic patterns of mercury contamination in Morocco revealed by freshwater turtles. – Environmental Science and Pollution Research 25(3): 2350-2360 oder Abstract-Archiv.

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