Diamantschildkröte, Malaclemys terrapin, im Aquaterrarium mit Entengrütze – © Hans-Jürgen Bidmon
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Williamson - 2024 - 01

Williamson, B. A. A. L. Lyons & L. M. Ferguson (2024): Conservation implications of habitat selection by nesting diamondback terrapins (Malaclemys terrapin) investigated via an automated radio telemetry system. – Animal Biotelemetry 12(35).

Untersuchung der Auswirkungen der Habitatwahl von nistenden Diamantschildkröten (Malaclemys terrapin) durch ein automatisiertes Radiotelemetriesystem.

DOI: 10.1186/s40317-024-00391-0 ➚

Diamantschildkröte, Malaclemys terrapin – © Hans-Jürgen Bidmon
Diamantschildkröte,
Malaclemys terrapin,
im Aquaterrarium
© Hans-Jürgen Bidmon

Hintergrund: Trotz umfangreicher Forschung zur Auswahl von Nistplätzen von Diamantschildkröten und den Risiken, die Küstenstraßen für die Populationen dieser obligaten Mündungsschildkröte darstellen, gibt es Lücken in unserem Verständnis der Bewegungen und der Nutzung des Lebensraums durch die weiblichen Schildkröten dieser Art während der Brutzeit. Insbesondere die Bewegungen innerhalb von Marschlandflächen, Flachwasserlebensräumen und an Nistplätze angrenzenden bebauten Lebensräumen sind noch relativ unerforscht. Um die Nutzung des Lebensraums und die Gefährdung dieser semiaquatischen Art zu untersuchen, haben wir ein automatisiertes Radiotelemetriesystem mit 31 passiven Empfängern eingesetzt. Im Jahr 2021 haben wir gleichzeitig mit den jährlichen Nestuntersuchungen 60 weibliche Diamantschildkröten in der Nähe eines Nistgebiets im Süden von New Jersey, das von der Straßenmortalität betroffen ist, mit Telemetriesendern verfolgt. Wir triangulierten die Standorte der Diamantschildkröten auf der Grundlage der Beziehung zwischen der Stärke des Funksignals an jedem Empfänger und der Entfernung, erstellten Nutzungsverteilungen unter Verwendung der Kerndichteschätzung und klassifizierten den Lebensraum unter Verwendung multispektraler Bilder.
Ergebnisse: Wir stellten Unterschiede in der Nutzung des Lebensraums im Vergleich zur relativen Verfügbarkeit innerhalb allgemeiner (95 % KDEs) und zentraler (50 % KDEs) Nutzungsgebiete auf Populationsebene fest. In den Kernnutzungsgebieten wurden Salzwassertümpel, Sumpf- und Hochlandhabitate häufiger genutzt und erschlossene und breite Gezeitenbachhabitate seltener genutzt als aufgrund der Verfügbarkeit allein zu erwarten gewesen wäre. Um die Variabilität der Habitatnutzung weiter zu charakterisieren, verglichen wir die Selektivität zwischen individuellen Diamantschildkröten, die nach der Nähe ihres Fangortes zu einer Straße gruppiert wurden. Individuen, die näher an der Straße nisteten, nutzten während der Brutsaison relativ häufig bebaute Lebensräume und weniger häufig schmale Bäche und regelmäßig überflutete Sümpfe.
Schlussfolgerungen: Die Muster der Habitatauswahl bei allen Diamantschildkröten unterstreichen die Bedeutung von Flachwasserlebensräumen wie salzhaltige Tümpel in der Nähe von Nistgebieten. Die Tiere verbrachten tendenziell mehr Zeit in Habitattypen in der Nähe ihrer Nistplätze, sodass Diamantschildkrötenindividuen, die zunächst in der Nähe von Straßen gefangen wurden, während des gesamten Untersuchungszeitraums mehr Zeit in stark gefährdeten bebauten Gebieten verbrachten. Das Sterberisiko auf der Straße ist innerhalb dieser Nistpopulation möglicherweise nicht homogen, was bei der demografischen Modellierung eine entscheidende Rolle spielen könnte. Diese Studie erweitert unser Verständnis der Bewegungen von Diamantschildkröten und demonstriert gleichzeitig die Wirksamkeit eines neuartigen Radiotelemetrie-Ansatzes. Sie trägt zur Naturschutzplanung in einer sich schnell verändernden Salzmarschlandschaft bei.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Eine Untersuchungsmethode, die sich sicher auch auf andere Schildkrötenarten gut anwenden lässt, um neue Einblicke in die Habitatauswahl und die Gefährdungslage zu gewinnen. Sicher auch in Bezug innerhalb von Wiederansiedlungsprojekten. Was hierbei auffällt ist auch etwas, was oft in der Wissenschaft vernachlässigt wird, da man ja meist auf allgemeingültig, statistisch gut abgesicherte Befunde aus ist, die sich nach Möglichkeit gut einsetzen lassen. Hier wird aber klar auf die individuellen Unterschiede zwischen den Weibchen in Bezug auf die Habitatauswahl hingewiesen! Diese ich möchte einmal sagen Individualität in biologischen Systemen ist aber, wenn man genau beobachtet, überall und auf allen Ebenen wahrnehmbar und sollte stärker Berücksichtigung bei den Untersuchungen finden, denn ohne Berücksichtigung dieses Aspekts werden wir zunehmend Schwierigkeiten bei der Interpretation von wissenschaftlichen Befunden haben, die uns zu Fehlentscheidungen verleiten können. Etwas, was gerade auch bei Arterhaltungsbemühungen zu Rückschlägen führen kann. Siehe dazu auch Miller et al., (2024) und Ashley et al. (2021).

Literatur

Ashley, E. A., A. K. Davis, V. K. Terrell, C. Lake, C. Carden, L. Head, R. Choe & J. C. Maerz (2021): Effects of Salinity on Hatchling Diamond-Backed Terrapin (Malaclemys terrapin) Growth, Behavior, and Stress Physiology. – Herpetologica 77(1): 45-55 oder Abstract-Archiv.

Miller, W. B. Jr., F. Baluška, A. S. Reber & P. Slijepčević (2024): Biology in the 21st century: Natural selection is cognitive selection. – Progress in Biophysics and Molecular Biology 190: 170-184; DOI: 10.1016/j.pbiomolbio.2024.05.001 ➚.

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