Europäische Sumpfschildkröte, Emys orbicularis, – © Hans-Jürgen Bidmon

Velo-Antón - 2015 - 01

Velo-Antón, G.; P. Pereira, S. Fahd, J. Teixeira & U. Fritz (2015): Out of Africa: did Emys orbicularis occidentalis cross the Strait of Gibraltar twice? – Amphibia-Reptilia 36(2): 133-140.

Raus aus Afrika: Haben Emys orbicularis occidentalis die Straße von Gibraltar zweimal überquert?

DOI: 10.1163/15685381-00002989 ➚

 Emys orbicularis, Europäische Sumpfschildkröte – © Hans-Jürgen-Bidmon
Europäische Sumpfschildkröte,
Emys orbicularis,
© Hans-Jürgen-Bidmon

Die schmale Straße von Gibraltar trennt den afrikanischen von dem europäischen Kontinent seit dem Miozän (5,3 Millionen Jahre), während dieser Zeit variierten die Möglichkeiten zu deren Überquerung für die mediterranen Taxa. Die südlichen und nördlichen Regionen der iberischen Halbinsel und Marokko stellen somit Schlüsselregionen dar, um Kolonisationsgeschwindigkeiten und die biogeographische Geschichte von Arten zu untersuchen, die auf beiden Seiten der Straße von Gibraltar vorkommen. Die Ibero-Maghrebiane Unterart der Europäischen Sumpfschildkröte Emys orbicularis occidentalis ist hochgradig bedroht und lebt verteilt in kleinflächigen Feuchtgebieten sowohl auf der iberischen Halbinsel wie auch im nördlichen Marokko. Man geht davon aus, dass sie aus Nordafrika stammt. Hier erweiterten wir das Gebiet, in dem Proben gesammelt wurden, sowohl auf der iberischen Halbinsel wie auch in Marokko, wobei wir den Schwerpunkt auf die südliche Spitze der Halbinsel und das nördliche Marokko legten. Aus diesen 183 E. o. occidentalis Proben analysierten wir die mitochondrialen DNS-Sequenzen, um die komplexe biogeographische Geschichte dieser Unterart besser zu verstehen. Wir liefern damit erstmals Beweise für das Vorkommen gemeinsamer Haplotypen bei iberischen und nordafrikanischen Sumpfschildkröten und wir fanden einen zusätzlichen Haplotyp auf der südlichen Iberischen Halbinsel, der sich von einem marokkanischen Haplotyp ableitet. Diese Befunde stützen die Annahme, dass die Straße von Gibraltar keine signifikante Barriere für E. orbicularis darstellte. Allerdings lässt der auf der iberischen Halbinsel neu entdeckte und gemeinsame Haplotyp der auch aus Marokko stammt vermuten, dass es zumindest zu zwei unabhängigen natürlichen Besiedlungen von Marokko aus gekommen sein muss oder dass marokkanische Sumpfschildkröten unbeabsichtigt oder gewollt auf der iberischen Halbinsel angesiedelt wurden.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Auch hier mal wieder ein schönes Beispiel dafür, wie die Natur auch auf natürliche Weise zur Faunenverschiebung beiträgt. Auch der Mensch kann schon zu früheren Zeiten auch dazu beigetragen haben. Sicher geht es hier um eine Langzeitbetrachtung der Ausbreitungsereignisse für E. o. occidentalis, aber dennoch mal strenggenommen die Frage: Müssten wir bei diesen Erkenntnissen nicht auch E. o. occidentalis als „invasive Art“ einstufen, die eigentlich auf dem europäischen Kontinent nichts zu suchen haben dürfte? Viel wichtiger ist wohl für die Arterhaltung nicht die Frage nach der Invasivität von Arten, sondern die Suche nach der Antwort auf die Frage: Warum sind solche einstmals durchaus „invasive Spezies“ heute bedroht oder warum haben sie ihr durchaus vorhandenes Invasionspotential verloren? Ich denke für den so genannten Artenschutz ist es viel wichtiger zu evaluieren, welche Landschaftseingriffe (z.B. intensive Landwirtschaft, Verkehr, Gewässerverändernde-Maßnahmen etc.) sorgen dafür das solche Arten verdrängt werden und heute mancher Orts als hochgradig gefährdet eingestuft werden (siehe auch Kommentar zu: Popgeorgiev et al. 2014). Sicher können so genannte exotische, „invasive“ Arten eine zusätzliche Gefährdung mit sich bringen, aber sie sind ganz sicher nicht der wesentliche Faktor der Gefährdung. Allerdings gibt es selbst in den USA Landnutzungspraktiken und Schildkrötenhandelsvorgehensweisen, die selbst die als invasivste bekannt gewordene Schildkrötenart, die Rotwangen-Schmuckschildkröte, zur im Bestand gefährdeten Art werden lassen (siehe Brown et al. 2012).

Literatur

Brown, D. J., A. D. Schultz, J. R. Dixon, B. E. Dickerson & M. R. J. Forstner (2012): Decline of Red-Eared Sliders (Trachemys scripta elegans) and Texas Spiny Softshells (Apalone spinifera emoryi) in the Lower Rio Grande Valley of Texas. – Chelonian Conservation and Biology 11(1): 138-143 oder Abstract-Archiv.

Popgeorgiev, G., N. Tzankov, Y. Kornilev, D. Plachiyski, B. Naumov & A. Stoyanov (2014): Changes in Agri-environmental Practices Pose a Threat to the Herpetofauna: a Case Study from Besaparski Ridove Special Protection Area (Natura 2000), Southern Bulgaria. – Acta Zoologica Bulgarica (5): 157-169 oder Abstract-Archiv.

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