Moorschildkröte, Glyptemys muhlenbergii, im Aquaterrarium – © Hans-Jürgen Bidmon

Tesauro - 2007 - 01

Tesauro, J. & D. Ehrenfeld (2007): The effects of livestock grazing on the bog turtle [Glyptemys (= Clemmys) muhlenbergii]. – Herpetologica 63(3): 293-300.

Die Auswirkungen der Beweidung auf die Sumpfschildkröte Glyptemys (=Clemmys) muhlenbergii.

DOI: 10.1655/0018-0831(2007)63[293:TEOLGO]2.0.CO;2 ➚

Moorschildkröte, Glyptemys muhlenbergii, – © Hans-Jürgen Bidmon
Moorschildkröte,
Glyptemys muhlenbergii,
im Aquaterrarium
© Hans-Jürgen Bidmon

Die Sumpfschildkröte Glyptemys (= Clemmys) muhlenbergii ist ein Bewohner von Grundwasser durchsetzten Weiden in den nordöstlichen und südöstlichen Staaten von Amerika. Beobachtungen an den Sumpfschildkröten zeigten, dass die Habitate innerhalb ihres gesamten Verbreitungsgebiets sehr stark von der Beweidung abhängig sind, da die Beweidung die Sukkzessionsprozesse (Pflanzenabfolge und Wuchs) aufhält und verhindert, dass eine Invasion mit hochwüchsigen kompetetiv-dominaten Pflanzen stattfindet, von denen viele eine exotische Herkunft haben. Die Aufgabe zahlreicher kleiner Milchwirtschaftsfarmen während der vergangenen drei Jahrzehnte führte zur Aufgabe der Beweidung und zum Verschwinden des größten Teils der Sumpfschildkrötenhabitate im Nordosten. Als Konsequenz nahm die Habitatqualität durch den Bewuchs mit invasiven Pflanzen und die damit einhergehenden hydrologischen Veränderungen ab, was zu einem Rückgang der durch das Weidevieh geschaffenen Mikrohabitate führte. In dieser Studie verglichen wir die Anzahl der Sumpfschildkrötenfänge, die Sumpfschildkrötendemographie und die Populationsdichten sowie die Vegetation in noch beweideten Habitaten (n=12) mit solchen, wo erst vor kurzem die Beweidung eingestellt worden war (n=12). Diese Analyse zeigte, dass in den beweideten Habitaten die Anzahl der Sumpfschildkröten und deren Populationsdichte höher war. Zudem fand man insbesondere in den beweideten Habitaten auch eine größere Anzahl von Jungschildkröten. Die beweideten Areale zeigten auch einen dichteren Bewuchs mit niedrig wachsenden Kräutern und zeichneten sich durch eine nur geringe Bedeckung mit hochwüchsigen exotischen und/oder invasiven Pflanzen aus. Wir stellen die Hypothese auf, dass es durch die landwirtschaftliche Nutzung zu einer Anreicherung von Nährstoffen kommt, die dazu beitragen, dass sich invasive Pflanzen sehr schnell ausbreiten können, was durch die aktive Beweidung aber verhindert wird. Wenn aber das Weidevieh entfernt wird profitieren die invasiven Pflanzen sehr rasch und die sumpfigen Mikrohabitate (z. B. Trappelpfade, in denen Pfützen stehen) werden von einer einheitlichen hochwüchsigeren Pflanzendecke überzogen. Diese Untersuchung zeigt, dass die Bemühungen zur Erhaltung überlebensfähiger Sumpfschildkrötenpopulationen eigentlich davon abhängen, ob man die weniger intensive Beweidung durch die Milchwirtschaft und die Fleischviehhaltung aufrecht erhalten kann.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Hier wird klar, wie sich Anpassungsprozesse vollziehen und wie wir als Menschen in diese eingreifen. Erst verschwanden die weit nach Süden ziehenden Büffel- und Pferdeherden und deren Auswirkungen wurden durch die Weideviehhaltung ersetzt. Jetzt steht man wie hier zulande auch vor dem Problem, dass diese kleinen Farmen nach heutigen Maßstäben zunehmend unrentabeler werden, insbesondere wenn es sich dabei um magere sumpfige Weiden handelt. Was bleibt da noch, wenn man die davon betroffenen Arten erhalten will, doch nur die Beweidung aus Gründen der Landschaftspflege. Die kostet aber zusätzliches Geld. Vielleicht könnte es auch eine Symbiose geben, wo man Landschaftspflege und den Erhalt alter auch vom Aussterben bedrohter Viehrassen vereinbaren kann, damit wäre zumindest ermöglicht, dass sich der Genpool alter Viehrassen und der der bedrohten Wildtierarten erhält. Allerdings sollte uns allen klar sein, dass alle diese Kosten verursachenden Hilfs- und Schutzmaßnahmen nur solange funktionieren, solange sich die betreffenden Staaten es sich auch ökonomisch leisten können. Was danach kommt, bleibt auch weiterhin offen und risikoreich.

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