Grüne Meeresschildkröte, Chelonia mydas, – © Hans-Jürgen Bidmon

Staines - 2020 - 01

Staines, M. N., D. T. Booth, C. A. M. Hof & G. C. Hays (2020): Impact of heavy rainfall events and shading on the temperature of sea turtle nests. – Marine Biology 167(12): 190.

Der Einfluss schwerer Regenfälle und Beschattung auf die Temperatur in den Nestern von Meeresschildkröten.

DOI: 10.1007/s00227-020-03800-z ➚

Grüne Meeresschildkröte, Chelonia mydas, – © Hans-Jürgen Bidmon
Grüne Meeresschildkröte,
Chelonia mydas,
© Hans-Jürgen Bidmon

Während die meisten Studien den ökologischen Einfluss von ansteigenden Temperaturen im Zuge des Klimawandels untersuchen wurde den anderen möglichen Veränderungen wie die Zunahme bei den Regenmengen wenig Beachtung gewidmet. An einem Niststrand am nördlichen Great Barrier Riff, Australien verwendeten wir Datenspeicher um die Auswirkungen starker Regenfälle und der Beschattung auf die Nesttemperaturen von Nestern der Suppenschildkröte (Chelonia mydas) und der Echten Karettschildkröte (Eretmochelys imbricata), die ja beide eine temperaturabhängige Geschlechtsausprägung zeigen, zu untersuchen. In der Mitte der Nistsaison (Dezember-März) am 21 Januar 2019, fielen 125 mm Regen über einem Zeitraum von zwei Tagen was dazu führte, dass die Nesttemperaturen anfänglich im Durchschnitt um 3,6 °C in den Nestern (n=18) der Echten Karettschildkröten sanken was vergleichbar war zu einer Temperaturabsenkung um 3,5 °C in den Suppenschildkrötennestern (n=9). Für die beschatteten Gelege ergab sich während der für 20 Tage anhaltenden Abkühlungsphase die durch den Regen verursacht worden war eine Nesttemperatur von 27,9 °C bei den Suppenschildkrötennestern und eine vergleichbare Absenkung auf 28,2 °Cbei den Gelegen der Echten Karettschildkröten, wobei diese Temperaturen sehr gut mit dem Temperaturbereich übereinstimmen in dem sich Männchen entwickeln. Diese Temperaturen lagen deutlich kühler als die Durchschnittstemperaturen die in den Nestern vor den Regenfällen gemessen wurden und deutlich unter den Nesttemperaturen von unbeschatteten Nestern die für beide Arten etwa bei 31,3 °C aufwiesen. Extreme Niederschläge werden aber laut den Vorhersagen im Zuge des Klimawandels um Australien herum zunehmen und diese könnten dann die Auswirkungen des prognostizierten Temperaturanstiegs auf die Geschlechterentwicklung bei den Nachkommen abmildern, sodass die Geschlechterverhältnisse erhalten werden könnten. Unsere Ergebnisse deuten auch an, dass man die Nester auch künstlich abkühlen könnte indem man eine Kombination aus Beschattung und Berieselung einsetzt um zu verhindern, dass zukünftig eine Verweiblichung der Bestände weltweit einsetzt.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Siehe dazu auch Lolavar & Wyneken (2020) die auch für künstlich bewässerte Caretta caretta-Nester ähnliches beobachtet haben. Hierbei handelt es sich mal um eine durchaus interessante Beobachtung die uns auch wieder daran erinnern sollte wie komplex die Umweltbedingungen sich darstellen und welche komplexen Auswirkungen sie haben können (siehe dazu auch Breitenbach et al., 2020). Es ist manchmal schon erschreckend wie selbst in der Wissenschaft fast erst einmal alle nur in eine einzige Richtung denken und ihre Prognosen für alles in gleicherweise ausrichten ohne sich erst einmal zurückzulehnen und darüber nachzudenken warum in früheren Warmphasen der Erdgeschichte die Schildkröten nicht längst ausgestorben sind. Sicher möchte ich hier den Klimawandel weder als vernachlässigbar abtun oder gar leugnen und seine Geschwindigkeit ist auch besorgniserregend, aber aus ganz anderen Gründen. Beim Klimawandel wird es eben nicht nur wärmer, sondern es schmelzen die Gletscher ab, der Meeresspiegel steigt an, so dass wahrscheinlich die heutigen Niststrände der Meeresschildkröten gar unter Wasser liegen und gar nicht mehr jene sind die sie dann noch nutzen können. Ja, und höhere Temperaturen über einer sich vergrößernden Wasserfläche führen auch zu mehr Verdunstung und stärkeren Regenfällen die dann auch an den zukünftigen Niststränden und auch an den Nistplätzen von an Land lebenden Reptilien vermehrt zu Verdunstungskälte führen werden, sodass wenn man das Gesamtbild sich einmal vor Augen hält auch weiterhin TSD-Spezies überleben können. Lediglich dort wo zunehmende Erwärmung zu gravierender Austrocknung (Aridifizierung) führt dürften wohl Arten aussterben, wenn sie aufgrund mangelnder Konnektivität nicht ausweichen oder sich an die Situation noch anpassen können (siehe dazu auch Hofmeyr et al., 2020 und den dortigen Kommentar).

Literatur

Breitenbach, A. T., A. W. Carter, R. T. Paitz & R. M. Bowden (2020): Using naturalistic incubation temperatures to demonstrate how variation in the timing and continuity of heat wave exposure influences phenotype. – Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences 287(1932): 20200992 oder Abstract-Archiv.

Hofmeyr, M. D., F. Ihlow, P. Fouche & S. R. Daniels (2020): Niche divergence corresponds to genetic differentiation within the parrot-beaked tortoise Homopus areolatus (Reptilia: Testudinidae), endemic to South Africa. – Zoological Journal of the Linnean Society 190(4): 1256-1273 oder Abstract-Archiv.

Lolavar, A. & J. Wyneken (2020): The impact of sand moisture on the temperature-sex ratio responses of developing loggerhead (Caretta caretta) sea turtles. – Zoology 138: 125739 oder Abstract-Archiv.

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