Zierschildkröte, Chrysemys picta, im Gartenteich – © Hans-Jürgen Bidmon

Schwanz - 2011 - 01

Schwanz, L., Warner D.A., McGaugh S., Di Terlizzi R. & A. Bronikowski (2011): State-dependent physiological maintenance in a long-lived ectotherm, the painted turtle (Chrysemys picta) – Journal of Experimental Biology 214(1): 88-97.

Entwicklungsstadien-abhängige physiologische Erhaltung bei einem langlebigen Wechselwarmen, der Zierschildkröte (Chrysemys picta).

DOI: 10.1242/jeb.046813 ➚

Chrysemys picta, – © Hans-Jürgen Bidmon
Zierschildkröte, Chrysemys picta,
© Hans-Jürgen-Bidmon

Die Energieverteilung und physiologische (körperliche) Erhaltung sowie Reproduktion und Wachstum variiert nicht nur zwischen Arten sondern auch in Bezug auf die Individuen ein und derselben Art sowie innerhalb von Lebensabschnitten, Altersgruppen, Geschlechtern und der Saison. Bislang gab es nur wenige Forschungsarbeiten zur physiologischen Erhaltung bei langlebigen Arten und insbesondere bei Wechselwarmen wie den Reptilien. In dieser Studie untersuchten wir die geschlechtsspezifischen Unterschiede und deren altersabhängige und saisonabhängige Veränderung in Bezug auf die Immunfunktion und die DNS-Reparatureffizienz bei einem langlebigen Reptil, der Zierschildkröte (Chrysemys picta). Die Immunkomponenten (Zellen, Antikörper) waren während der Überwinterung im Vergleich zum Herbst und Frühjahr erniedrigt. Lediglich eine erhöhte Anzahl an Heterophilen (Typ unspezifischer Abwehrzellen) während der Überwinterung garantierte eine erhöhte zelluläre Abwehr während des Winters. Bei juvenilen und adulten Schildkröten, fanden wir anhand physiologischer Erhaltungsparameter wenig Nachweise für eine Alterung, was mit Vorhersagen für langlebige Organismen übereinstimmt. Unter den Immunkomponenten zeigte sich, dass die Schwellungsreaktion als Antwort auf eine Phytohaemagglutinin (PHA) Injektion oder Kontrollinjektion mit dem Alter zunimmt, wohingegen die Zahl an basophilen Granulozyten (Typ weißer Blutzellen) mit dem Alter sinkt. Auch Schlüpflinge zeigten reduzierte Werte für Basophile und für natürliche Antikörper was anzeigt, dass das Immunsystem noch nicht ausgereift ist. Allerdings zeigten Schlüpflinge eine deutlich höhere Effizienz bei der DNS-Reparatur im Vergleich zu älteren Schildkröten. Reproduktionsaktive, geschlechtsreife Schildkröten zeigten niedrigere Lymphozytenzahlen (Typ weißer Blutzellen) im Vergleich zu juvenilen Schildkröten während des Frühjahrs, was vermutlich dadurch bedingt ist, dass mehr Energie in die Reproduktion (Eier, Sperma) gesteckt wird als in die Immunabwehr. Das Geschlecht hatte nur einen geringen Einfluss auf die physiologischen Erhaltungsparameter. Diese Ergebnisse legen nahe, dass die Komponenten zur physiologischen Selbsterhaltung differentiell entsprechend der jeweiligen Lebensphase moduliert werden. Letzteres zeigt, dass noch mehr Forschungsinvestitionen notwendig sind, um die vielfältigen Komponenten, die zur physiologischen Erhaltung von Tieren während der verschieden Entwicklungsstadien beitragen, zu analysieren.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Jetzt mag sich so mancher fragen wozu das gut sein soll? Nun für uns als Schildkrötenhalter und für Tierärzte liefern solche Untersuchungen Grundlagen. Wie vielen von Ihnen liebe Leser hat ein Tierarzt, wenn sie mit ihrer Schildkröte direkt nach dem Erwachen aus der Winterruhe einen Check-up haben durchführen lassen, gesagt es liegt eine Infektion vor weil die Zahl der Heterophilen erhöht sei. Laut dieser Arbeit ist das zumindest für Chrysemys picta ein Normalbefund und kein Anzeichen für eine mit Antibiotika zu behandelnde Infektion. Das ist ein Beispiel für die eigentliche „Praxisnähe“ solcher Studien, selbst dann wenn sie von Zoologen und Biologen anstatt von Veterinären durchgeführt werden. Da es aber erfahrungsgemäß immer etwas dauert bis sich solche Erkenntnisse auch in der veterinärmedizinischen Praxis durchsetzen ist es ratsam sich auch in eher biologisch als medizinisch ambitionierten Zeitschriften kundig zu machen. Und letztendlich zeigen uns solche Arbeiten, dass man Schildkröten während ihrer Aktivitätsphasen nicht mästen sollte, eine optimale Versorgung mit Proteinen aber für Aufbau und Erhaltung des Immunsystems essentiell ist. Wenn Weibchen also während der Eireifung sogar weniger Abwehrzellen bilden, weil die Energie zur Reproduktion gebraucht wird, muss man sich schon fragen wie es bei Schildkröten mit den physiologischen Energiereserven aussieht und wie sich gerade zur Paarungszeit ein reduziertes Immunsystem auswirken kann? Denn genau zu dieser Zeit können Infektionen mit sexuell übertragbaren Erregern gehäuft auftreten. Auch frisch geschlüpfte Schildkröten scheinen den Aufbau ihres Immunsystems noch vor sich zu haben, was sicherlich erheblich schwieriger ist wenn man meint sie „Großhungern“ zu müssen. Sie liebe Leser sehen also, es sind gerade solche Arbeiten die uns Einblicke in häufig von uns Haltern diskutierte Fragestellungen bringen und wir sollten dazu beitragen, dass sich diese Erkenntnisse zum Wohle der Tiere verbreiten.

Kommentar von Flora Ihlow

Bei Phytohemagglutinin (PHA) handelt es sich um ein Lektin, einen Pflanzenstoff der in Leguminosen (Hülsenfrüchten) vorkommt und hauptsächlich aus 2 Proteinen aufgebaut ist. Medizinisch relevant ist die Wirkung der Lektine auf den Metabolismus (Stoffwechsel) der Zelle. Durch Lektin wird unter anderem die Mitose initiiert. In hohen Konzentrationen wirken Lektine toxisch.

Literatur

Roark, A. M., K. A. Bjorndal & A. B. Bolten (2009): Compensatory responses to food restriction in juvenile green turtles (Chelonia mydas). – Ecology 90(9): 2524-2534 oder Abstract-Archiv.

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