Rotwangen-Schmuckschildkröte, Trachemys scripta elegans, sitzt sonnend am Ufer – © Hans-Jürgen Bidmon

Rowe - 2009 - 03

Rowe, J. W., D. L. Clark, M. Price & J. K. Tucker (2009): Reversible Melanization Following Substrate Color Reversal in Midland Painted Turtles (Chrysemys picta marginata) and Red-Eared Sliders (Trachemys scripta elegans). – Journal of Herpetology 43(3): 402-408.

Reversible Melanisierung als Folge eines Wechsels der Substratfarbe bei der Zierschildkröte (Chrysemys picta marginata) und der Rotwangen-Schmuckschildkröte (Trachemys scripta elegans).

DOI: 10.1670/08-047R2.1 ➚

Rotwangen-Schmuckschildkröte, Trachemys scripta elegans, – © Hans-Jürgen Bidmon
Rotwangen-Schmuckschildkröte,
Trachemys scripta elegans,
© Hans-Jürgen Bidmon

Einige Wasserschildkrötenarten zeigen eine Farbanpassung des Panzers an das Substrat, was ihnen hilft kryptisch (versteckt, unsichtbar) zu leben. Da Schildkröten aber zwischen verschiedenen Unterwasserhabitaten wechseln, die unterschiedliche Farben zeigen, untersuchten wir, ob die Melanisierung (Dunkelfärbung) bei juvenilen Zierschildkröten (Chrysemys picta marginata) und Rotwangen-Schmuckschildkröten (Trachemys scripta elegans) sich mit dem Substrat veränderte. Wir hielten Kontrollindividuen, die entweder auf schwarzem oder weißem Substrat für 160 Tage aufgezogen worden waren und verglichen sie mit solchen Individuen, die für 80 Tage entweder auf schwarzem oder weißem Substrat gehalten worden waren und die danach umgesetzt wurden, also von schwarzem auf weißes und von weißem auf schwarzes Substrat. Es wurde die mittlere Reflexionsintensität bestimmt (also ein Maß für die Menge des reflektierten Lichts im sichtbaren Wellenlängenbereich), der über dem dritten Wirbelschild des Carapax (TVSC) gemessen wurde. Ebenso wurde der Wert für die dorsale Kopfhaut gemessen. Für die auf dunklem Substart gehaltenen Kontrollschildkröten sanken die Messwerte ab (die Tiere wurden dunkler). Die C. p. marginata dunkelten weniger als die T. s. elegans. Bei den auf weißem Substrat gehaltenen Kontrolltieren wurden die Mittelwerte für TVSC und DHS erheblich höher (die Schildkröten wurden heller) für beide Spezies. Während der ersten 80 Tage verhielten sich die Tiere der experimentellen Gruppen bezüglich der TVSC und DHS Werte vergleichbar mit den Kontrollgruppen. Allerdings begannen nach dem Substratfarbenwechsel in beiden Spezies die TVSC und DHS Werte mit jenen der entsprechenden Kontrollgruppe zu konvergieren. Somit war die Umkehr der TVSC und DHS Werte und die Melanisierung (Umfärbung von hell nach dunkel oder von dunkel nach hell) nach 160 Tagen nahezu komplett. Deshalb erscheint es uns einleuchtend, dass junge Schildkröten beider Spezies eine Farbanpassung an das Substart unterschiedlicher Habitate realisieren können.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Diese Arbeit hat auf experimentelle Art gezeigt, dass wie so viele Lebewesen auch Wasserschildkröten in der Lage sind, zumindest in der Jugendzeit eine Farbanpassung an die Habitatumgebung vorzunehmen, um eine verstecktere Lebensweise führen zu können. Dabei handelt es sich um eine gut konzipierte Studie, die allerdings unter Extrembedingungen, was den Farbkontrast des Substrat anbelangt, durchgeführt wurde, und sie zeigt, wie langsam die Farbanpassungsreaktion bei diesen Schildkröten abläuft, denn 80 Tage sind nun wahrlich keine Geschwindigkeit. Nun sind Schildkröten ja auch in gewisser Weise frei in Bezug auf die Substratwahl und den Aufenthaltsort, Falllaub, abgesunkene Äste, Steine, Schlamm und Wasserpflanzen und Schilfbewuchs, so dass der Selektionsdruck hin zu einem schnellen Farbwechsel eher gering ist und eher die optische Substratwahl auch eine entscheidende Rolle spielen dürfte. Chamäleons, die sich in einem einzigen Busch in der Wüste so gut tarnen müssen, dass sie von Beute suchenden Greifvögeln nicht entdeckt werden, und die den Standort nur begrenzt wechseln können, weil das Laufen über freie Sandflächen bis zum nächsten Strauch noch gefährlicher und auffälliger wäre, haben da schon ganz anderes in Bezug auf eine schnelle und möglichst exakte Farbanpassung zu leisten. Ein Umstand, der wohl allen wissenschaftlich Vorgebildeten sogar noch aus dem Biologieunterricht klar sein dürfte. Insofern ist diese Arbeit auch wieder einmal ein schönes Beispiel dafür, wie der wissenschaftliche oder besser herpetologische Feuilleton arbeitet, da konnte man schauen, wo man wollte überall reißerisch aufgemachte Überschriften nach dem Motto, Schildkröte wechselt Farbe wie Chamäleon etc., selbst der Laie der sich die Arbeit durchgelesen hat, wird unschwer erkennen welchen Stuss sich manche leisten, und auf welch unseriöse Art man Wissenschaft in ein falsches Licht rücken kann. Etwas, das man eigentlich nur unter dem Phänomen Zeitgeist und mediengeile Schlagzeile abhaken kann. Eigentlich schade, dass selbst große Verbände mit angeblich wissenschaftlichen Ambitionen sich von solchem Zeitgeist beeinflussen lassen und dazu beitragen. Übrigens, es scheinen temperaturabhängige Farbmuster während der Inkubation bei Schildkröten vorzukommen, siehe Paitz et al. (2009).

Literatur

Paitz, R. T., A. C. Gould, M. C. N. Holgersson & R. M. Bowden (2009): Temperature, Phenotype, and the Evolution of Temperature-Dependent Sex Determination: How Do Natural Incubations Compare to Laboratory Incubations? – Journal of Experimental Zoology Part B Molecular and Developmental Evolution 314B(1): 86-93 oder Abstract-Archiv.

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