Rowe - 2009 - 02

Rowe, R. W. & S. F. Dalgarn (2009): Body Temperature Variation During Nesting Forays in Midland Painted Turtles, Chrysemys picta marginata, in Michigan. – Chelonian Conservation and Biology 8(2): 168-172.

Körpertemperaturschwankungen während der Nistplatzsuche bei der Zierschildkröte, Chrysemys picta marginata in Michigan.

DOI: 10.2744/CCB-0761.1 ➚

Während der terrestrischen Nistplatzsuche können Wasserschildkröten der nördlichen temperierten Zonen Gefahr laufen, dass sie Umgebungstemperaturen ausgesetzt sind, die eine Überhitzung oder die Immobilität durch Kälte zu Folge haben könnten. Bis heute haben wir jedoch keine Erkenntnisse, wie die Körpertemperaturen bei Wasserschildkröten während der unterschiedlichen Phasen der Nistplatzsuche und Nestanlage variieren. Wir studierten von 2003 bis 2004 die Körpertemperaturschwankungen bei Chrysemys picta marginata in einem kleinen Sumpfgebiet im nördlichen Michigan. Drei Individuen verließen das Sumpfgebiet, nisteten und kehrten innerhalb eines Tages zum Wasser zurück. Im Gegensatz dazu blieben 5 andere Individuen für etwa 3 Tage an Land, wobei sie die meiste Zeit bewegungslos unter Falllaub verbrachten. Während die Schildkröten an Land waren, zeigte deren Körpertemperatur eine parallele diurnale Oszillation wie die Lufttemperatur. Bei sich aktiv bewegenden Schildkröten lag die durchschnittliche Körpertemperatur höher als die Lufttemperatur, jedoch war sie nicht niedriger, meist sogar gleich mit der Körpertemperatur im Wasser, wie sie noch eine Woche vor Verlassen des Wohngewässers aufgezeichnet worden war. Somit können wir feststellen, dass aktive Schildkröten während der Nistplatzsuche ihre Körpertemperatur an Land durch das Aufsuchen von Sonnen- und Schattenplätzen regulieren. Während des Prozesses des Nistgrubenaushebens und der Eiablage sank die Körpertemperatur meist von 23,5 °C auf 20,0 °C. Schildkröten, die am Abend terrestrische Unterschlüpfe aufsuchten, hatten noch ihre Körpertemperatur-Werte, die denen von mobilen Schildkröten entsprachen, die oft noch wanderten, wenn der Abendhimmel den Nistplatz erhellte. Somit kann man davon ausgehen, dass weder reduzierte Lichtverhältnisse, die die Orientierung und Navigation behindern, noch zu niedrige Körpertemperatur-Werte, die die Beweglichkeit einschränken würden, der Grund dafür sein können dass die Schildkröten einen terrestrischen Unterschlupf aufsuchen. Stattdessen vermuten wir, dass die sinkende Umgebungstemperatur und das abnehmende Licht die Navigation der Tiere einschränken und so das Risiko vergrößern, während der Rückwanderung zum Wasser Beutegreifern zum Opfer zu fallen, so dass die Schildkröten deshalb erst einmal terrestrische Unterschlüpfe aufsuchen.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Mit ihrer Schlussfolgerung könnten die Autoren durchaus recht haben. Denn wer, wie ich, selbst gesehen hat, wie häufig Waschbären allabendlich nach Einbruch der Dunkelheit die Nistareale der Schildkröten absuchen, und wer ebenfalls mit eigenen Augen einen Waschbären gesehen hat, wie er eine noch kleinere Schildkröte wie ein Brötchen zwischen den Vorderpfoten hält und einfach reinbeißt, dem erscheint es durchaus als sinnvoll, wenn sich die Schildkröten noch rechtzeitig vorher verstecken. Wenn man einmal sieht, wie viele Nester von Waschbären systematisch geplündert werden, dann wundert es nicht, dass man in seinem eigenen Bade- oder Fischteich ganz selten Schlüpflinge beobachten kann. Auf dem Grundstück, das an einem See in North Carolina lag, konnte man den Schlupf von kleinen Pseudemys oder Terrapene eigentlich nur dann erleben, wenn man schon die Ablage beobachten konnte und die Nester anschließend durch Überstülpen eines Käfigs schützte. Dutzende anderer Nester fand ich erst nach der Plünderung, und die wenigen, die den Waschbären entgingen, stammten wohl von so erfahrenen Weibchen, dass man selbst auch keine Chance gehabt hatte, sie vorher zu finden. Diesbezüglich könnte man sich aber durchaus fragen, ob der Schutz von Nestern vor Plünderung langfristig Sinn macht? Denn letztendlich erzeugen auch Beutegreifer einen Selektionsdruck, dem die Individuen einer überlebensfähigen Population standhalten können müssen.
Sollte also nicht nur erlernbare Erfahrung, sondern auch eine ererbte Komponente eine Rolle bei der richtigen Nistplatzwahl mitspielen, könnte man durch einen annähernd vollständigen Schutz der Nester eine Verschiebung zu mehr Tieren mit nicht ganz optimaler Nistplatzauswahl bewirken. Hier kann man auch nie zu allgemeingültigen Aussagen kommen, denn jeder Lokalstandort hat seine Eigenheiten und angepassten Lokalpopulationen, was ja sowohl für die Beutetiere wie auch für die Beutegreifer gilt. Auch ein Punkt, der bei der Durchführung von erfolgreichen Umsiedlungsmaßnahmen von Tieren bedacht sein will. Siehe auch Hester et al. (2008) und Mrosovsky (2008).

Literatur

Hester, J. M., S. J. Price & M. E. Dorcas (2008): Effects of relocation on movements and home ranges of eastern box turtles. – Journal of Wildlife Management 72: 772-777 oder Abstract-Archiv.

Mrosovsky N. (2008): Against oversimplifying the issues on relocating turtle eggs. – Environmental Management 41(4): 465-467 oder Abstract-Archiv.