Proença, L. M. & S. J. Divers (2015): Coelioscopic and Endoscope-Assisted Sterilization of Chelonians. – Veterinary Clinics of North America: Exotic Animal Practice 18(3): 555-570.
Cölioskopische und endoskopisch-unterstützte Sterilisation bei Schildkröten.
DOI: 10.1016/j.cvex.2015.05.004 ➚
Die vorsorgliche Sterilisation ist eine gut etablierte und sichere chirurgische Methode, die bei Hunden und Katzen weltweit Anwendung findet. Im Gegensatz dazu wurde die Sterilisation bei Schildkröten nur aus therapeutischen Gründen vorgenommen, da deren schwierige Anatomie den Zugang zu den Reproduktionsorganen erschwerte, was in Folge auch dazu beiträgt, dass reproduktionsassoziierte Probleme und Erkrankungen an den Reproduktionsorganen selbst aus klinischer Sicht als allgemein häufig anzusehen sind. Mit dem Fortschritt in der veterinärmedizinischen Endoskopie wurden aber neue Techniken der präfemoralen Weichgewebecölioskopie (Bauchhöhlenendoskopie) sowie der endoskopisch überstützten Sterilisation publiziert, sodass heute vorsorgliche Sterilisation von Schildkröten zur Realität gehört. Trotzdem sollte die Übernahme der Technik in Bezug auf die spezies-spezifischen Unterschiede sorgfältig abgewogen werden und weiterführende Studien dazu sind auch erforderlich. Diese Arbeit liefert eine Zusammenfassung der bislang etablierten cölioskopischen und edoskopisch-unterstützen Sterilisationstechniken für Schildkröten.
Kommentar von H.-J. Bidmon
Diese Arbeit liefert einen ausgezeichneten praktischen Überblick über die zur Verfügung stehenden Methoden. Zudem ist die Arbeit sehr reichhaltig bebildert und mit Schemata zur Vorgehensweise ausgestaltet, um den Praktikern einen anschaulichen Einblick zu gewähren. Diesbezüglich aus meiner Sicht eine hervorragende Übersichtsarbeit für die Kliniker und somit eine gute Information, um erkrankten Individuen minimal invasiv zu helfen. Allerdings bin ich immer noch der Meinung (siehe Kommentar zu: Knafo et al. 2011; Rivera et al. 2011), dass wir bei Schildkröten und insbesondere bei den geschützten und bedrohten Arten ein ethisches Problem haben, denn ein sterilisiertes gesundes Schildkrötenexemplar ist aus populationsdynamischer Sicht ein schon totes Individuum, da es sich nach dem Eingriff zeitlebens nicht mehr fortpflanzen kann. Also auch bei Bedarf keine Nachzuchten mehr produzieren könnte. Insofern halte ich es für nicht ganz unbedeutend, wenn auch solche Eingriffe – wenn sie nicht aus akut gesundheitlichen Gründen vorgenommen werden sollen – einer Genehmigung bedürften. Denn aus meiner Sicht wäre es völlig unverständlich, wenn wir auf der einen Seite hohe naturschutzbedingte Arterhaltungsziele auch für in menschlicher Obhut gehaltene Exemplare anstreben und über CITES zu regulieren versuchen und auf der anderen Seite aber einer aus medizinischer Sicht unnötigen Sterilisation unwidersprochen zustimmen würden. Hier sollte sehr genau hingeschaut werden für welche Spezies derartige Eingriffe dann überhaupt zulässig wären. Da Schildkröten ja sehr alt werden können kann es sehr wohl noch zu dramatischen Bestandseinbrüchen während der Lebenszeit heute gehaltener Exemplare kommen, die zukünftige Nachzuchtprogramme notwendig werden lassen könnten. Wobei letzteres ja sogar noch für Hybriden in Frage kommen kann (siehe Hennessy 2015).
Literatur
Hennessy, E. (2015): The Molecular Turn in Conservation: Genetics, Pristine Nature, and the Rediscovery of an Extinct Species of Galapagos Giant Tortoise. – Annals of the Association of American Geographers 105(1): 87-104 oder Abstract-Archiv.
Knafo, S. E., S. J. Divers, S. Rivera, L. J. Cayot, W. Tapia-Aguilera & J. Flanagan (2011): Sterilisation of hybrid Galapagos tortoises (Geochelone nigra) for island restoration. Part 1: endoscopic oophorectomy of females under ketamine-medetomidine anaesthesia. – The Veterinary Record 168(2): 47 oder Abstract-Archiv.
Rivera, S., S. J. Divers, S. E. Knafo, P. Martinez, L. J. Cayot, W. Tapia-Aguilera & J. Flanagan (2011): Sterilisation of hybrid Galapagos tortoises (Geochelone nigra) for island restoration. Part 2: phallectomy of males under intrathecal anaesthesia with lidocaine. – The Veterinary Record 168(3): 78 oder Abstract-Archiv.