Pham, T. V., O. L. Duc, B. Leprince, C. Bordes, C. Ducotterd, V. Q. Luu, L. T. An, M. H. Nguyen, V. O. Lo, V. N. Ha, Q. B. Tran & L. Luiselli (2023): An assessment of turtle communities in Bach Ma National Park, Vietnam. – Nature Conservation Research 8(2): 72-80.
Eine Erfassung der Schildkrötengemeinschaften im Bach Ma Nationalpark, Vietnam.
Der größte Teil des außergewöhnlichen Artenreichtums der südostasiatischen Länder konzentriert sich auf die Nationalparks und andere Schutzgebiete, wobei artenreiche Schildkrötengemeinschaften vor allem in diesen Reservaten überleben, wo ihre natürlichen Lebensräume besser erhalten sind. Es gibt jedoch nur wenige Studien, die den Artenreichtum der Schildkröten in den verschiedenen Schutzgebieten Vietnams dokumentieren, das nicht nur einen der Hotspots der weltweiten Schildkrötendiversität darstellt, sondern auch eines der Länder repräsentiert, in denen die Ausbeutung dieser Tiere am größten ist. Hier wird die Vielfalt der Schildkröten im Bach-Ma-Nationalpark in Zentralvietnam untersucht, der hauptsächlich durch bewaldete Hügel und Berge mit Teichen und Bächen unterschiedlicher Form und Struktur gekennzeichnet ist. Die Studie wurde durchgeführt durch (i) halbstrukturierte Interviews mit Jägern, die durch ein Auswahlverfahren in lokalen Dörfern rekrutiert wurden, (ii) durch die Inspektion von Schildkrötenindividuen die sich in deren Besitz befanden und (iii) durch Felduntersuchungen entlang zufälliger Transekte, bei denen die verschiedenen von diesen Reptilien genutzten Mikrohabitate untersucht wurden. Wir beobachteten insgesamt 15 Arten, von denen 14 (93,3 %) gemäß der Roten Liste der IUCN bedroht sind. Ein natürlicher Hybrid aus Cuora bourreti x C. mouhotii obsti (Cuora << serrata >>) wurde beobachtet. Drei Arten (Cuora bourreti, Manouria impressa, Platysternon megacephalum) waren nach Angaben der Befragten die am häufigsten vorkommenden Arten. Wir kommen zu dem Schluss, dass es zur Verbesserung des Schutzstatus der Schildkrötengemeinschaften auf lokaler Ebene wichtig wäre, (i) die Zahl der Ranger, die in der Regenzeit (von April bis September) im Untersuchungsgebiet patrouillieren, zu erhöhen und (ii) die Namen der Jäger in den Dörfern rund um den Bach-Ma-Nationalpark aufzulisten und sie davon zu überzeugen, eine Vereinbarung mit den lokalen Behörden zu unterzeichnen, um die Jagd auf Schildkröten innerhalb des Schutzgebiets zu vermeiden.
Kommentar von H.-J. Bidmon
Hier hat der Naturschutz und die Arterhaltung in den Schutzgebieten unter anderem mit den schon vielfach beschriebenen und diskutierten Problemen zu kämpfen, denn auch hier wird deutlich, dass zumindest in den Randgebieten des Parks auch Jagd auf Schildkröten und andere bedrohte Tiere gemacht wird halb strukturierte(siehe z. B. Gong et al., (2017) und Gaillard et al. (2017). Man kann da nur hoffen, dass sich die Situation verbessert, aber wie wir oft genug in der Vergangenheit gesehen haben, reicht meist die Wahl einer neuen Regierung oder ein Militärputsch aus, um alle Bemühungen zu zerstören.
Was mich aber beim Lesen dieser Arbeit etwas mehr im positiven Sinne fasziniert, ist die Erwähnung von „Cuora serrata“ im natürlichen Lebensraum. Sicher werden da einige wieder fragen, warum gerade ein Hybrid? Nun, weil es mich mal wieder daran erinnert, wie viel wir seit Darwins „On the Origin of Species“ und den Schildkröten (Galapagosschildkröten) über das Leben lernen durften. Es war ja nicht nur die Evolutionstheorie, die dort ihren Anfang nahm! Nein, auch die Besiedlungsgeschichte dieser Inseln und mithilfe der modernen Molekularbiologie waren es auch wieder Schildkröten, die uns zeigten, wie DNS-Erhalt Verbreitung von Arten real abläuft (siehe dazu Miller et al., 2018 oder Emerson & Faria, 2014) selbst dann, wenn wir es nach unseren Vorstellungen gerne rückgängig machen würden. Ja, und letztendlich zeigen uns diese über einen so viele Jahre längeren Fossilrekord zurückblickenden Schildkröten auch die Parallelen zu unserer eigenen Evolutionslinie auf! Wie die jüngsten Publikationen von Li et al. (2024) und Gibbons (2024) verdeutlichen haben sich auch die Evolutionslinien der Hominiden schon vor mehr als 200.000 Jahren vermischt, wobei sich auch zwei Introgressionszeitfenster abzeichnen und auch da zeigte sich, dass eine dieser Arten nämlich der Neandertaler zum zweiten Zeitfenster nur noch aus einer individuenschwachen Population bestand. (siehe Originalzitat). Warum die Populationen der Neandertaler und Denisova-Menschen rückläufig waren, bleibt noch häufig ungeklärt, aber warum Schildkrötenpopulationen und auch die anderer Tierarten, vielerorts rückläufig sind, wissen wir schon seit einiger Zeit nur zu gut! Ja und, wenn wir in die Arbeit von Pham et al. (2018) schauen, könnte man auch für Cuora mouhotii auf eine stärkere Populationsabnahme schließen. Da stellt sich dann natürlich fast unweigerlich die Frage, welchen Beitrag die durch Homo sapiens verursachten Lebensraumveränderungen und die Entnahmen von Individuen aus der Natur dazu beitragen und die Hybridisierung fördern. Haben die Spezies, die Introgression schon immer konnten und heute noch können, einen wesentlichen Überlebensvorteil, den sie nutzen können, sofern wir ihnen den Lebensraum und die Nahrungsressourcen lassen würden? Siehe dazu auch Bidmon, (2016).
Literatur
Bidmon, H.-J. (2016): Kommentar zu: Renner, S. S. (2016): A Return to Linnaeus's Focus on Diagnosis, Not Description: The Use of DNA Characters in the Formal Naming of Species. – Systematic Biology 65(6): 1085-1095 oder Abstract-Archiv.
Emerson, B. C. & C. M. A. Faria (2014): Fission and fusion in island taxa – serendipity, or something to be expected? – Molecular Ecology 23(21): 5132-5134 oder Abstract-Archiv.
Gaillard, D., L. Lin, S. Haitao & L. Shujin (2017): Gallego-Turtle soup: Local usage and demand for wild caught turtles in Qiongzhong County, Hainan Island. – Herpetological Conservation and Biology 12(1): 33-40; DOI: None ➚.
Gibbons, A. (2024): Oldest human genome comes from a Denisovan. – Science 385(6706): 240-241; DOI: 10.1126/science.adr8007 ➚.
Gong, S. P., H. T. Shi, A. W. Jiang, J. J. Fong, D. Gaillard & J. C. Wang (2017): Disappearance of endangered turtles within China’s nature reserves. – Current Biology 27(5): R170-R171 oder Abstract-Archiv.
Li, L., T. J. Comi, R. F. Bierman & J. M. Akey (2024): Recurrent gene flow between Neanderthals and modern humans over the past 200,000 years. – Science 385(6705): eadi1768; DOI: 10.1126/science.adi1768 ➚.
(Orginalzitat: More generally, the smaller estimated population size and inferred admixture dynamics are consistent with a Neanderthal population that was decreasing in size over time and was ultimately being absorbed into the modern human gene pool).
Miller, J. M., M. C. Quinzin, D. L. Edwards, D. A. R. Eaton, E. L. Jensen, M. A. Russello, J. P. Gibbs, W. Tapia, D, Rueda & A. Caccone (2018): Genome-Wide Assessment of Diversity and Divergence Among Extant Galapagos Giant Tortoise Species. – Journal of Heredity 109(6): 611-619; DOI: 10.1093/jhered/esy031 ➚.
Pham, T. V., T. Vu, J. E. Dawson, T. Bui & B. Leprince (2019): Natural history observations on the endangered turtle Geoemyda spengleri in Tay Yen Tu Nature Reserve (Vietnam), with notes on other sympatric species. – Herpetological Bulletin 146(2018): 1-7; DOI: None ➚.
Galerien
Cuora bourreti – Zentralvietnamesische Scharnierschildkröte
Cuora serrata - Gesägte Scharnierschildkröte
Cuora mouhotii – Dreikiel-Scharnierschildkröte
Manouria impressa – Hinterindische Waldschildkröte
Platysternon megacephalum – Großkopfschildkröte