Petrov, K., S. Sutcliffe, H. Truscott, C. Kutay, C. C. Eisemberg, R. J. Spencer, I. Lawler, D. S. Bower, J. U. Van Dyke & A. Georges (2023): Turtles in trouble. Conservation ecology and priorities for Australian freshwater turtles. – Austral Ecology 48(8): 1603-1656.
Schildkröten in existenziellen Schwierigkeiten: Die Erhaltungsökologie und deren Prioritäten für die australischen Süßwasserschildkröten.
DOI: 10.1111/aec.13418 ➚
Die australische Süßwasserschildkrötenfauna wird dominiert von den Arten aus der Familie der Chelidae. Die derzeitige Fauna setzt sich zusammen aus einer Reihe von distinkten Linien, wobei jede eine beträchtlich in die Vergangenheit zurückreichende Abstammung aufweist, da sie Relikte einer umfassenderen und mehr diversen Fauna darstellen, die zu einer Zeit existierte als das Klima noch wesentlich feuchter war. Etliche phylogenetisch distinkte Spezies sind häufig auf einzelne, kleine Wassereinzugsgebiete beschränkt, was eine zunehmende Herausforderung für deren Erhaltung darstellt. Die spezifischen Gefährdungen beziehen sich auf die Entwicklung und Nutzung der Gewässerressourcen die sich auf das Ausmaß, die Häufigkeit und die Zeiten des Wasserflusses auswirkt, wobei Fließgewässer in stehende Gewässer durch Dämme und Wehre umgewandelt wurden. Dabei kommt es zudem zu Habitatfragmentierungen, Sedimentablagerungen, Überdüngung sowie zu einer Verringerung bei der Häufigkeit und dem Ausmaß von Überflutungsflächen und deren Flutungen. Die Entwässerung von Feuchtgebieten und die Veränderungen bei der Landnutzung stellen für einige Arten eine besondere Bedrohung dar, die heute schon auf sehr kleine Lebensräume beschränkt wurden und als hochgradig gefährdet gelten. Der eingebürgerte europäische Rotfuchs erweist sich als hochgradig effizienter Plünderer von Schildkrötengelegen der einen großen Einfluss auf den Schildkrötenpopulationszuwachs haben kann. Im Norden werden Arten wie die Nördliche Schlangenhalsschildkröte durch Wildschweine stark dezimiert. Andere invasive Tiere und aquatische Pflanzen verändern auf drastische Weise die aquatischen Lebensräume mit verheerenden Folgen für die Süßwasserschildkröten. Neue Pathogene wie z.B. Viren haben mindestens schon eine Schildkrötenspezies an den Rand der Ausrottung gebracht. Arten die routinemäßig über Land wandern werden durch strukturelle Habitatveränderungen oder durch die Verringerung der verfügbaren terrestrischen Rückzugsgebiete sowie durch Einzäunungen (einschließlich der Zäune die als Erhaltungsmaßnahmen eingesetzt werden) eingeschränkt oder in einigen Fällen durch hohe Straßendichte und den Straßentod bedroht. Wir berichten hier über den Aufnahmeprozess und die Schwierigkeiten bei der Listung von Süßwasserschildkröten unter dem australischen Gesetz zum Schutz der Umwelt und zur Erhaltung der Biodiversität, wobei wir den Wissensstand der für eine solche Listung von Bedeutung ist zusammenfassen und wir identifizieren die Schlüsselgefährdungen die einen Einfluss auf die Schildkrötenbestände haben, wobei wir auch die wesentlichen Wissenslücken aufführen die die Prioritätensetzung für deren Schutz behindern. Wir fokussieren uns auch darauf, wie wir das Wissen der Ureinwohner in die Entscheidungsfindung bei der Listung von Arten einbeziehen können und diskutieren die Möglichkeiten wie die Gemeinden der indigenen Bevölkerung bei den Erhaltungsmaßnahmen einen Beitrag zur Erhaltung leisten können.
Kommentar von H.-J. Bidmon
Hier handelt es sich wieder einmal um die Schilderung altbekannter Probleme beim Schildkrötenschutz, die hier nur etwas spezifischer für die Situation in Australien zum Ausdruck kommt. Auch hier wird wieder der Zwiespalt zwischen Wirtschaftsinteressen, politischer Prioritätensetzung und Biodiversitätserhalt deutlich, der wohl weltweit immer wieder zu den gleichen Problemen führt. Ob wir diesen Zwiespalt wirklich ohne gravierende globale, gesellschaftliche und ökonomische Veränderungen ausräumen können, bleibt mehr als fraglich. Wir erleben ja gerade auch hier, wie schwierig es zu sein scheint, selbst auf nationaler Ebene entsprechende, hilfreiche Entscheidungen zu treffen. Nur um ein Beispiel zu nennen: Die Rolle und das Wissen sowie die Mitarbeit der indigenen Bevölkerung wäre sicherlich leichter zu integrieren gewesen, wenn sich Australien gerade erst im letzten Monat nicht mehrheitlich gegen mehr Mitbestimmung der indigenen Bevölkerung entschieden hätte. Ja, wie sollen wir dann auf globaler Ebene z.B. bei der Einrichtung von Schutzgebieten in der Antarktis hoffen, wenn sich auch erst letzten Monat China und Russland dagegen ausgesprochen haben. Man hat eigentlich eher den Eindruck, dass die Reisekosten und Umweltbelastungen, die für solche nationalen wie auch internationalen Konferenzen anfallen, eher noch der Umwelt mehr Schaden zufügen. Siehe dazu auch Ferronato & Georges, (2023); Gong et al., (2009); Standord et al., (2020) und Zhang et al., (2018) und die dortigen Kommentare.
Literatur
Ferronato, B. O. & A. Georges (2023): Distribution of freshwater turtle rock art and archaeological sites in Australia: a glimpse into Aboriginal use of chelonians. – Herpetological Conservation and Biology 18(2): 374-391 oder Abstract-Archiv.
Gong, S.-P., A. T. Chow, J. J. Fong & H.-T. Shi (2009): The chelonian trade in the largest pet market in China: scale, scope and impact on turtle conservation. – Oryx 43(2): 213-216 oder Abstract-Archiv.
Stanford, C. B., J. B. Iverson, A. G. J. Rhodin, P. P. van Dijk, R. A. Mittermeier, G. Kuchling, K. H. Berry, A. Bertolero, K. A. Bjorndal, T. E. G. Blanck, K. A. Buhlmann, R. L. Burke, J. D. Congdon, T. Diagne, T. Edwards, C. C. Eisemberg, J. R. Ennen, G. Forero-Medina, M. Frankel, U. Fritz, N. Gallego-García, A. Georges, J. W. Gibbons, S. P. Gong, E. V. Goode, H. T. Shi, H. Hoang, M. D. Hofmeyr, B. D. Horne, R. Hudson, J. O. Juvik, R. A. Kiester, P. Koval, M. Le, P. V. Lindeman, J. E. Lovich, L. Luiselli, T. E. M. McCormack, G. A. Meyer, V. P. Páez, K. Platt, S. G. Platt, P. C. H. Pritchard, H. R. Quinn, W. M. Roosenburg, J. A. Seminoff, H. B. Shaffer, R. Spencer, J. U. Van Dyke, R. C. Vogt, A. D. Walde (2020): Turtles and Tortoises Are in Trouble. – Current Biology 30(12): R721-R735 oder Abstract-Archiv.
Zhang, J., D. S. Finlaison, M. J. Frost, S. Gestier, X. Gu, J. Hall, C. Jenkins, K. Parrish, A. J. Read, M. Srivastava, K. Rose & P. D. Kirkland (2018): Identification of a novel nidovirus as a potential cause of large scale mortalities in the endangered Bellinger River snapping turtle (Myuchelys georgesi). – PLoS One 13(10): e0205209 oder Abstract-Archiv.
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Myuchelys georgesi – Bellinger-Schnappschildkröte