Madagassische Schnabelbrustschildkröte, Astrochelys yniphora, – © Mario Brendgen

Pedrono - 2004 - 01

Pedrono, M., L. L. Smith, J. Clobert, M. Massot & F. Sarrazin (2004): Wild-captive metapopulation viability analysis. – Biological Conservation 119(4): 463-473.

Überlebensanalyse von Metapopulationen aus wild lebenden und in Gefangenschaft gehaltenen Individuen.

DOI: 10.1016/j.biocon.2004.01.007 ➚

Madagassische Schnabelbrustschildkröte, Astrochelys yniphora, – © Hilmar Hufer
Madagassische Schnabelbrustschildkröte,
Astrochelys yniphora,
© Hilmar Hufer

Wir entwickelten ein interaktives Managementmodell für die wild lebenden und in Gefangenschaft lebenden Populationen der madagassischen Schnabelbrustschildkröte oder Angonoka, Geochelone yniphora. Interaktives Management basiert auf der Grundlage, dass ein Austausch zwischen wild lebenden und in Gefangenschaft gehaltenen Individuen zustande kommt, damit man beide Einzelpopulationen als eine große Metapopulation ansehen kann. Die demographischen Parameter von einer in Gefangenschaft gehaltenen Population und zwei frei lebenden Populationen wurden zu einer Metapopulation zusammengefasst, um eine Metapopulationsüberlebensanalyse (MVA) zu berechnen. Die Effektivität der vorgeschlagenen Erhaltungsstrategien und Zuchtstrategien, die für diese Art propagiert werden, wurden anschießend evaluiert, wobei wir die Chancen (Parameter) für ein Aussterben und die Zuwachsraten innerhalb der Metapopulation unter Vorgabe einer fixen Überlebenszeit variierten. Anschließend wurden mehrere unterschiedliche, alternative Szenarios des interaktiven Managements analysiert und anhand der positiven Auswirkungen für das Überleben der Metapopulation wurde eine Rangliste erstellt. Das Modell zeigte klar, dass Katastrophen wie Buschfeuer, die wild lebenden Populationen am negativsten beeinflussen. Das Modell zeigte auch, dass das Einbringen von in Gefangenschaft gezüchteten Jungtieren das Risiko des Aussterbens verringern, insbesondere dann, wenn zusätzliche, räumlich getrennte frei lebende Populationen gebildet werden können, wird das Überleben der Metapopulation wahrscheinlicher. Wir glauben, dass bei Zugrundelegung guter wissenschaftlicher Daten über die demographischen Parameter für eine Art die Populationsentwicklung mittels MVA optimal analysiert werden kann. Diese Ergebnisse können dann als Bestandteil des interaktiven Managements zur Populationserhaltung eingesetzt werden. Dabei können wir insbesondere testen, wie sich die verschiedenen Managementstrategien sowohl auf die in unter menschlicher Obhut gehaltenen als auch auf die wild lebenden Teilpopulationen auswirken. Einer der besonderen Aspekte dieses interaktiven Managements ist die Kombination von in situ (wild lebend) und ex situ (in Gefangenschaft) Erhaltung.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Diese Programme zur Populationsentwicklung sind sicher hilfreich, um die vielfältigen Umwelteinflüsse auf die Überlebenschancen einer Art zu simulieren. In dieser Studie hat man sich ein gut untersuchtes Paradebeispiel ausgesucht. Allerdings, sind wir doch mal ehrlich, für wie viele Arten haben wir denn gut abgesicherte wissenschaftliche Daten über alle zum Überleben notwendigen Faktoren, um solche Langzeitprognosen wirklich abschätzen bzw. exakt berechnen zu können. Zudem, da ist dann immer noch der Faktor Mensch, denn für jeden ist wohl ersichtlich, dass nur ein simpler politischer Machtwechsel auf das Überleben der Angonoka in Madagaskar schwerere Folgen haben kann als die beste ökologische Managementmaßnahme. Sicher, das angewandte Programm zeigt, dass die Etablierung mehrerer räumlich getrennter (am besten auch außerhalb Madagaskars befindlicher) Teilpopulationen, die Überlebenswahrscheinlichkeit deutlich erhöht. Aber was sagt das aus für das Überleben im natürlichen Biotop (doch recht wenig, oder?). Ob man dann aber, bei meist so magerer bio-sozioökonomisch-politischer Datenlage wirklich mithilfe von Computersimulationen mehr erreichen kann als mit dem einfachen militärstrategischem Verstand – der da besagt: dass das Verteilen der Truppen über eine möglichst große Fläche die Chance des Totalausfalls bei einem massiven Treffer deutlich verringert – bleibt fraglich. Meiner Meinung nach eröffnen uns solche Computersimulationen zwar weitaus vielfältigere Möglichkeiten, als wir sie vorher hatten, allerdings entbinden sie uns nicht von der Pflicht, saubere biologisch-soziologische Daten zu erarbeiten, auf denen diese Simulationen basieren. Genau hier liegt aber der Fehler, wir haben eine ausgezeichnete Technik, die wir leider immer noch mit unzureichenden Daten füttern müssen. Wenn wir dann auch noch diese auf unzureichenden Daten basierenden Simulationsergebnisse (oft bloß weil's modern ist) als alleinige Parameter zur Entscheidungsfindung propagieren, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn wir auch in Zukunft mit schweren Rückschlägen insbesondere im Umweltschutz zu rechnen haben. Selbst wenn dies unwissenschaftlich ist – ich erinnere mich noch gut an die Computerprogramme zur Simulation der langfristigen Gartengestaltung (wobei Garten ein recht einfaches Biotop darstellt im Vergleich zu komplexen, wilden Lebensgemeinschaften) und wie viele der Benutzer waren nach 5-10 Jahren froh, wenn ihnen dann kein Gärtner, sondern nur noch der Holzfäller, die dauerschattenspendenden Riesen entsorgen konnte.

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