Pantherschildkröte, Stigmochelys pardalis, Fundort: Windhoek, Namibia – © Victor Loehr

McMaster - 2008 - 01

McMaster, M. K. & C. T. Downs (2008): Digestive parameters and water turnover of the leopard tortoise. – Comparative Biochemistry and Physiology – Part A Molecular and Integrative Physiology 151(1): 114-125.

Verdauungsparameter und Wasserhaushalt bei der Pantherschildkröte.

DOI: 10.1016/j.cbpa.2008.06.007 ➚

Pantherschildkröte, Stigmochelys pardalis, – © Hans-Jürgen Bidmon
Pantherschildkröte,
Stigmochelys pardalis,
© Hans-Jürgen Bidmon

Pantherschildkröten (Stigmochelys pardalis) erfahren weit reichende Schwankungen der Umweltbedingungen, und dazu gehören auch unvorhersehbare Unterschiede bei der Verfügbarkeit von Futter und Wasser im Nama-Karoo-Biotop. Es wurde eine Hypothese formuliert, die besagt, dass Schildkröten, die zwei unterschiedliche Sorten von Futter nutzen, welche sich in Bezug auf den Wassergehalt und Fasergehalt unterscheiden, nahrungsabhängige Unterschiede bezüglich der aufgenommenen Futtermenge, der Darmpassagerate, Assimilationseffiziens, des Wasserverlustes über den Fäzes (Kot) und Urin und der Urinkonzentration zeigen. Es gab zudem eine Vorhersage, dass Schildkröten, die diese unterschiedlichen Nahrungen zu sich nehmen, versuchen werden, ihre Energie- und Wasserbilanz aufrecht zu erhalten, indem sie ihre Verdauungsparameter verändern. Pantherschildkröten, die mit Luzerne (Medicago sativa) gefüttert wurden, zeigten eine geringe Nahrungsaufnahme, gekoppelt mit einer langen Darmpassagedauer, was zur Folge hatte, dass der Energiegehalt des Fäzes niedrig war und nur ein geringer Wasserverlust über den Fäzes auftrat. Schildkröten, die Tomaten fraßen (Solanum lycopersicum), zeigten eine hohe Nahrungsaufnahme, eine schnellere Darmpassage, aber sie verloren mehr Energie und Wasser mit dem Fäzes. Allerdings ergab sich, dass für beide von den Schildkröten gefressenen Futtersorten eine vergleichbare Energieassimilation (Energieaufnahme) und Assimilationseffizienz zu messen war. Die Osmolalität (Konzentration) des Urins der Schildkröten war für beide Nahrungsgruppen signifikant verschieden. Die Ergebnisse belegen, dass Pantherschildkröten ihre Verdauungsparameter, wie Darmpassagerate, Nahrungsaufnahme, Wasserverlust und Urinosmolalität so verändern können, dass sie ihre Körpermasse und ihre Wasser- und Energiebilanz auch unter Nutzung einer ballaststoffreichen Nahrung mit vielen Fasern und wenig Wasser sowie einer ballaststoffarmen, wasserreichen Diät aufrecht erhalten können. Diese Befähigung zu einer Flexibilität bezüglich der Verdauung erlaubt es den Pantherschildkröten in der Wildnis, die unvorhersehbaren Unterschiede bezüglich der verfügbaren Nahrung und des verfügbaren Wasser auszugleichen.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Die Arbeit liefert mehr Daten, als im Abstract angesprochen werden, denn neben einer detaillierten Nahrungsanalyse (mit Ausnahme von Kalziumgehalten) wird auch deutlich, dass sowohl junge als auch adulte Schildkröten in die Untersuchung einbezogen waren. Diese Arbeit enthält wirklich in gewisser Weise Ergebnisse, die zum Umdenken aufrufen (um nicht gleich das Wort Sprengstoff in den Mund zu nehmen), und trotzdem sollte man sie nicht falsch interpretieren. Hier wird klar gezeigt, dass eine so genannte überwiegend herbivore Landschildkröte nicht nur Früchte fressen kann, sondern sogar ihre Verdauung diesem Nahrungstyp anpassen kann. Das ist erst einmal eine Feststellung, die wohl keinen Einzelfall unter den Landschildkröten darstellt (siehe Stevenson et al. (2007); Strong & Fragoso (2006); Birkhead et al. (2005)). Selbst die oft so verpönten Tomaten gehören zumindest als Wildform zur natürlichen Nahrung mancher Landschildkrötenspezies (siehe Moolna (2008)) – kein Wunder, dass sie auch in Gefangenschaft gern genommen werden. So schädlich können sie, wenn ab und zu verfüttert, auch nicht sein. Denn wie oben gezeigt, ist diese Art der Nahrung nicht so unphysiologisch, als dass sich Schildkröten nicht darauf einstellen könnten. Dennoch ist hier Vorsicht geboten, wie die Autoren selbst feststellen, dient dieses Anpassungspotential dazu, dass die Schildkröten extrem unterschiedliche Nahrungen im Jahreszyklus nutzen können. Jahreszyklus beinhaltet hier schon, dass dies auf gar keinen Fall bedeutet, dass es sich bei einer der Diäten (ballaststoffreich + trockener wie auch ballaststoffarm + sehr wasserreich) um ein generelles Dauerfutter handelt, sondern um sporadisch auftretende Extreme, wobei die Zeitspanne, in der solches Futter verfügbar ist, mehrere Tage bis Wochen, vielleicht auch einmal Monate während der Regenzeit bzw. Trockenzeit betragen kann (jeder kann sich wohl leicht selbst vorstellen, wie lange z. B. bestimmte Pflanzen Früchte tragen). Hier muss man also klar zur Kenntnis nehmen, dass die Schildkröten auch Früchte fressen und diese im Jahreszyklus zu ihrer natürlichen Nahrung gehören, an der sie auch nicht erkranken, solange sie sich dabei in ihrem natürlichen Lebensraum und dem für sie natürlichen Temperaturoptimum befinden. Dieses Temperaturoptimum fehlt ihnen leider oft hierzulande.
Für mehr Information zu diesem Thema siehe Bidmon (2009). An dieser Stelle sei nur erwähnt, dass sowohl Früchte als auch trockene und ballaststoffreiche Nahrung deutliche Auswirkungen auf die natürlicherweise damit verbundenen Darmpassagezeiten haben, die es zu berücksichtigen gilt. Solche Darmpassagezeiten spielen nicht nur in Bezug auf die Verdauung eine Rolle, sondern sind auch relevant für pharmakologische Wirkung von Medikamenten und deren Ausscheidung bzw. Anreicherung. Insofern kann es aus veterinärmedizinischer Sicht durchaus Sinn ergeben, die Darmpassagezeiten über bestimmte Futtermittel und die Temperatur im Sinne einer Therapie zu modellieren. Diesbezüglich erscheint es sicherlich sinnvoll, auf lange Darmpassagezeiten zu verweisen, wenn es darum geht, aufzuzeigen wie lange es dauern kann, bis ein oral verabreichtes Medikament vollständig ausgeschieden ist. Jedoch macht das häufig nachzulesende Aufzählen von Maximalzeiten für die Darmpassage aus rein ernährungsphysiologischer Sicht wenig Sinn, da man sich hier doch mehr auf die Zeitangaben konzentrieren sollte, zu der die Hauptmenge einer bestimmten Nahrung in Abhängigkeit zur Haltungstemperatur ausgeschieden wird.

Literatur

Bidmon, H.-J. (2009): Ernährungsgrundlagen und Darmpassagezeiten bei herbivoren Landschildkröten – oder wie selektierende Nahrungsgeneralisten auch unter extremen Bedingungen überleben: Eine Übersicht. – Schildkröten im Fokus 6(1): 3-26 ➚.

Birkhead, R. D., C. Guyer, S. M. Hermann & W. K. Michener (2005): Patterns of folivory and seed ingestion by gopher tortoises (Gopherus polyphemus) in a southeastern pine savanna. – American Midland Naturalist 154(1): 143-151 oder Abstract-Archiv.

Moolna, A. (2008): Preliminary observations indicate that giant tortoise ingestion improves seed germination for an endemic ebony species in Mauritius. – African Journal of Ecology 46(2): 217-219 oder Abstract-Archiv.

Stevenson, P. R., C. A. Borda, A. M. Rojas & M. Alvarez (2007): Population size, habitat choice and sexual dimorphism of the Amazonian tortoise (Geochelone denticulata) in Tinigua National Park, Colombia. – Amphibia-Reptilia 28(2): 217-226 oder Abstract-Archiv.

Strong, J. N. & J. M. V. Fragoso (2006): Seed Dispersal by Geochelone carbonaria and Geochelone denticulata in Northwestern Brazil. – Biotropica 38(5): 683-686 oder Abstract-Archiv.

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