Schnappschildkröte, Chelydra serpentina, – © Hans-Juergen-Bidmon

Lacroix - 2022 - 01

Lacroix, C., C. M. Davy & N. Rollinson (2022): Hatchling vocalizations and beneficial social interactions in subterranean nests of a widespread reptile. – Animal Behaviour 187(1): 233-244.

Die Vokalisationen bei Schlüpflingen und deren vorteilhafter Nutzen bei sozialen Interaktionen in den unterirdischen Nestern bei einem weitverbreiteten Reptil.

DOI: 10.1016/j.anbehav.2022.03.006 ➚

Schnappschildkröte, Chelydra serpentina, – © Hans-Jürgen Bidmon
Schnappschildkröte,
Chelydra serpentina,
© Hans-Jürgen-Bidmon

Einleitung
Signale sind fundamentale Bestandteile von Kommunikation und die Theorie dazu lässt vermuten, dass die Evolution von Signalen dazu diente die Zusammenarbeit bei komplexen Aufgabenstellungen zu koordinieren. Etliche kürzlich erfolgte Arbeiten zeigten, dass Schildkrötenschlüpflinge innerhalb der unterirdischen Nisthöhlen vokalisieren (Laute äußern). Dabei wird angenommen, dass diese Vokalisation dazu dient die Entwicklung sowie den Schlupfvorgang zu synchronisieren und darüber ein gemeinsames Verlassen des unterirdischen Nests zu koordinieren (bezeichnet als „Soziale Beschleunigungshypothese“). Hier testeten wir die Annahme und Vorhersage, dass diese Soziale Beschleunigungshypothese auch für die weitverbreitete Schnappschildkröte, Chelydra serpentina, zutrifft. Als erstes zeigen wir, dass die Schlüpflinge von C. serpentina ein Lautrepertoire besitzen: Wir identifizierten bei ihnen sechs Laute innerhalb einer simulierten Nestumgebung, wobei ein bestimmter Laut vor der Eröffnung der Eischale produziert wird, während alle sechs Lautäußerungen während der ersten 24 Stunden nach eröffnen der Eischale und während des Schlupfs aus dem Nest produziert werden. Wir fanden, dass dabei die Simpson's-Diversität während des Schlupfs aus dem Ei größer war als während des Verlassens des Nests und am niedrigsten war sie während der Phase bevor die Eischale eröffnet wurde. Zum zweiten manipulierten wir die Tiefe der Nester (flach versus tief eingegraben) sowie die Sozialität (Geselligkeit; Vorhandensein vs Fehlen von Geschwistern) in einem 2 x 2 Faktorendesign. Die Ergebnisse zeigten, dass die Eier bei der sozialen Gruppe früher schlüpften und weniger Masse während des gesamten Schlupfvorgangs aus dem Nest verloren, was hervorhebt, dass die gemeinsam schlüpfenden Schlüpflinge dabei einen energetischen Vorteil gegenüber denen die einzeln schlüpften hatten. Zum dritten testeten wir eine Unterhypothese der Sozialen Beschleunigungshypothese, wobei wir untersuchten ob die Embryonen den Schlupf als Reaktion auf die Lautäußerungen von Schlüpflingen untereinander vollziehen. Allerdings hier zeigte sich, dass ein Vorspielen der Lautäußerungen während einer späten Phase vor dem Eröffnen des Eies die Eröffnung der Eischale im Vergleich zu den Kontrollen nicht mehr beschleunigte. Unsere zusammengefassten Ergebnisse unterstützen in Teilen die Soziale Beschleunigungshypothese, da sich energetische Vorteile für einen synchronen Gemeinschaftsschlupf zeigen, aber ein früherer Schlupfvorgang wird nicht per se durch Laute ausgelöst. Unsere Studie liefert einen Beitrag zur wachsenden Anzahl an Literatur über die adaptive Signifikanz von Sozialverhalten bei Reptilien und hilft dabei ein Verständnis dafür zu gewinnen welche mutmaßlichen evolutiven Vorteile sich daraus für Schildkrötenschlüpflinge ergeben.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Nun diese Arbeit fügt eine Schildkrötenspezies mehr zur Gruppe derer für die eine Vokalisation nachgewiesen ist (siehe im Wesentlichen den Kommentar zu Jorgewich-Cohen et al., 2022) im Gegensatz zu vielen anderen kürzlich erfolgten Arbeit wird hier aber wieder einmal experimentell versucht der Bedeutung die diese Laute für die Tiere haben zu erarbeiten. Dass die Autoren hier im letzten Teil des Abstracts darauf verweisen, dass Laute den Schlupf nicht per se auslösen liegt wohl wieder einmal daran, dass man dazu neigt eigentlich komplexe Entwicklungsvorgänge in einzelne Abschnitte zu untergliedern. Denn es gibt schon Befunde dazu, dass solche Laute im Nest auch eine Entwicklungsbeschleunigung bei den Embryonen im Ei bewirken, die sie wahrscheinlich erst dazu befähigt synchron schlüpfen zu können. Das heißt, dass die sich aufgrund von Temperaturgradient innerhalb des Nests langsamer entwickelnden Schlüpflinge die die Laute ihrer sich schneller entwickelnden Geschwister schon einige Zeit, vielleicht sogar Tage, vor dem eigentlichen Eröffnen wahrnehmen und darauf reagieren müssen, als kurz vor Eröffnung der Eischale und damit vor dieser so genannten Spätphase vor der Eieröffnung (McGlashan et al., 2012; 2017). Insofern ist es wohl eher dieser eine Laut der C. serpentina-Schlüpflingen schon vor der eigentlichen Eieröffnungsphase produziert wird der diese Embryoentwicklungssynchronisation in den Eiern eines Geleges bewirkt. Siehe auch Colbert et al., 2010 und den dortigen Kommentar.

Literatur

Colbert, P. L., R. J. Spencer & F. J. Janzen (2010): Mechanism and cost of synchronous hatching. – Functional Ecology 24(1): 112-121 oder Abstract-Archiv.

Jorgewich-Cohen, G., S. W. Townsend, L. R. Padovese, N. Klein, P. Praschag, C. R. Ferrara, S. Ettmar, S. Menezes, A. P. Varani, J. Serano & M. R. Sánchez-Villagra (2022): Common evolutionary origin of acoustic communication in choanate vertebrates. – Nature Communications 13(1): 6089 oder Abstract-Archiv.

McGlashan, J. K., R-J. Spencer & J.M. Old (2012): Embryonic communication in the nest: metabolic responses of reptilian embryos to developmental rates of siblings – Proceedings of The Royal Society B – Biological Sciences 279(1734): 1709-1715 oder Abstract-Archiv.

McGlashan, J.K., M. B. Thompson, J. U. Van Dyke & R. J. Spencer (2017): Thyroid Hormones Reduce Incubation Period without Developmental or Metabolic Costs in Murray River Short-Necked Turtles (Emydura macquarii). – Physiological and Biochemical Zoology 90(1): 34-46 oder Abstract-Archiv.

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