Espindola, S., E. Vázquez‐Domínguez, M. Nakamura, L. Osorio-Olvera, E. Martínez-Meyer, E. A. Myers, I. Overcast, B. N. Reid & F. T. Burbrink (2022): Complex genetic patterns and distribution limits mediated by native congeners of the worldwide invasive red‐eared slider turtle. – Molecular Ecology 31(6): 1766-1782.
Komplexe genetische Muster und Verbreitungsbegrenzungen werden durch natürlich vorkommende verwandte Arten der weltweit invasiven Rotwangen-Schmuckschildkröte moduliert.
DOI: 10.1111/mec.16356 ➚
Nicht natürlich vorkommende (invasive) Spezies bieten die einzigartige Möglichkeit zum Studium der geographischen Verbreitung und der Ausbreitungsbegrenzungen von Arten und zwar im Hinblick darauf wie evolutionären Veränderungen durch die interspezifischen Interaktionen zwischen den invasiven und den nahe verwandten einheimischen Arten als Schlüsselkomponete beeinflusst werden. Die Rotwangen-Schmuckschildkröte, Trachemys scripta elegans (TSE) wurde weltweit verbreitet und hat sich erfolgreich vielerorts etabliert. Sie kann zusammen mit ihren nächsten natürlich vorkommenden Verwandten wie T. cataspila, T. venusta und T. taylori in Mexiko koexistieren. Wir unternahmen ausgedehnte Freilanduntersuchungen und führten eine ganze Reihe von genetischen Analysen durch wobei wir einen neuen Speziesverteilungsmodellansatz anwendeten um deren historische Evolutionslinienbeziehungen zu analysieren und deren derzeitige populationsgenetische Muster herauszuarbeiten. Unsere Befunde zeigen deren historische Abstammung von gemeinsamen Vorfahren sowohl für die natürlich vorkommenden Trachemys-Arten und der invasiven TSE wobei sie aber auch ebenso deutlich die genetische Differenzierung (Abgrenzung) der exotischen Linie (TSE) hervorheben. Die genetischen Muster stehen in einer Beziehung zur Verbreitungsgebietsgröße/Endemismusgradienten und die mikroendemische T. taylori zeigte auch eine signifikant reduzierte genetische Diversität, wohingegen die invasive TSE die höchste Diversität aufwies und Anzeichen für eine Expansion der Populationsgröße zeigte. Im Gegensatz zu unseren Erwartungen wurde eine niedrigere natürliche Ausbreitungsüberlappung mit den natürlich vorkommenden Trachemys-Arten sowie nur eine geringe Durchmischung von TSE und ihren nahe verwandten Spezies gefunden. Letzteres zeigt an, dass es nur einen reduzierten Genfluss gibt und es weiterhin zu einer klaren genetischen Trennung zwischen den benachbarten Spezies kommt obwohl gemeinsame Kontaktzonen vorhanden sind. Wir können hier zeigen, dass diese natürlich vorkommenden einheimischen Trachemys-Arten an distinkte klimatische ökologische Nischen angepasst sind die sehr wahrscheinlich die Etablierung und die Verdrängung durch die invasive TSE verhindern. Zudem fanden wir größere Überschneidungen der ökologischen Nischen zwischen der invasiven TSE und natürlich vorkommenden einheimischen Arten weltweit. Zudem fanden wir eine ökologische Nischenüberschneidung zwischen TSE und einheimischen Spezies weltweit, was unsere Vorhersage untermauert, die davon ausgeht, dass Lokalitäten die sehr viel näher am ökologischen Optimum von invasiven Spezies liegen jene sind die ein hohes Risiko für eine Besiedlung durch invasive Arten mit sich bringen als solche Lokalitäten deren Lebensbedingungen noch nahe am ökologischen Optimum der einheimischen natürlich vorkommenden Arten liegen.
Kommentar von H.-J. Bidmon
Eine durchaus bemerkenswerte Arbeit, die eigentlich verdeutlicht das Trachemys scripta elegans nicht überall so invasiv auftritt wie es immer beschrieben wird. Zumindest dort wo die Lebensräume und ökologischen Nischen für die natürlicherweise vorkommenden Arten noch intakt geblieben sind. Letzteres macht zwar deutlich, dass es zu Konkurrenz- und Verdrängungsprozessen durch invasive Arten kommen kann (siehe Drost et al., 2021 und den dortigen Kommentar), dass es aber sehr viel wahrscheinlicher ist, dass wir nicht nur invasive Arten einschleppen sondern, dass wir durch Eingriffe und Umgestaltung der Habitate der einheimischen Arten dazu beitragen, dass sich dadurch die Lebensbedingungen der einheimischen Arten verschlechtern und für die Besiedlung durch invasive Arten verbessern (siehe Romero et al., 2014). Wir sollten aber auch im Auge behalten, dass es dazu auch einige gegenläufige Befunde gibt (siehe Parham et al., 2013; 2020), aber für diese gegenläufigen Befunde lässt sich zwar sagen das TSE eingeschleppt wurde oder eingewandert ist, aber es wird wenig darüber berichtet wie diese Lebensräume durch den Menschen in der Vergangenheit verändert wurden, sodass wir gar nicht mehr überprüfen können ob es ohne diese menschlichen Eingriffe zu keiner gravierenden Durchmischung mit TSE gekommen wäre.
Literatur
Drost, C. A., J. E. Lovich, P. C. Rosen, M. Malone &, S. D. Garber (2021): Non-native pond sliders cause long-term decline of native Sonora mud turtles: a 33-year before-after study in an undisturbed natural environment. – Aquatic Invasions 16(3): 542-570 oder Abstract-Archiv.
Parham, J. F., T. J. Papenfuss, A. B. Sellas, B. L. Stuart & W. B. Simison (2020): Genetic variation and admixture of red-eared sliders (Trachemys scripta elegans) in the USA. – Molecular Phylogenetics and Evolution 145: 106722 oder Abstract-Archiv.
Parham, J. F., T. J. Papenfuss, P. P. van Dijk, B. S. Wilson, C. Marte, L. R. Schettino & W. Brian Simison (2013): Genetic introgression and hybridization in Antillean freshwater turtles (Trachemys) revealed by coalescent analyses of mitochondrial and cloned nuclear markers. – Molecular Phylogenetics and Evolution 67(1): 176-187 oder Abstract-Archiv.
Romero, D., Báez J. C., Ferri-Yáñez F., Bellido J. J. & R. Real (2014): Modelling favourability for invasive species encroachment to identify areas of native species vulnerability. – Scientific World Journal 2014(1): 519710 oder Abstract-Archiv.
Galerien
Trachemys scripta elegans – Rotwangen-Schmuckschildkröte
Trachemys venusta – Mittelamerikanische Schmuckschildkröte