Pazifische Sumpfschildkröte, Actinemys marmorata, – © H. Bradley Shaffer

Congdon - 2013 - 01

Congdon, J. D. , J. W. Gibbons, R. J. Brooks, N. Rollinson & R. N. Tsaliagos (2013): Indeterminate growth in long-lived freshwater turtles as a component of individual fitness. – Evolutionary Ecology 27: 445-459.

Nicht endendes Wachstum bei langlebigen Wasserschildkröten als eine Komponente der individuellen Fitness.

DOI: 10.1007/s10682-012-9595-x ➚

Obwohl die Beweise, dass Reptilien ein nicht endendes Wachstum zeigen, uneinheitlich sind und auf unzureichenden Daten basieren, ist die Annahme, dass es so ist, weit verbreitet und als allgemein gültig für Reptilien akzeptiert. Wir untersuchten hier die Variationen im Muster des Wachstums bei adulten Reptilien unter Verwendung einer sehr lange laufenden Fang-Markierungs-Wiederfangstudie bei 13 Populationen von 9 Spezies aus 3 Wasserschildkrötenfamilien in South Carolina, Michigan, und Arizona in den USA und in Ontario, Kanada. Über alle 13 Populationen gemittelt betrugen die Zuwachsraten aller Adulti, wobei nur die berücksichtigt wurden, die wirklich Zuwachs zeigten, 1,5 und 1,9 mm pro Jahr. Die Variationen in den Wachstumsraten, die beobachtet wurden, waren spezies-, populations-, geschlechts- und altersbedingt sowie vom Breitengrad beeinflusst. Die meisten Adulten mit einem Wiederfangintervall von mehr als 10 Jahren waren in der Zeit gewachsen, aber über alle Populationen gemittelt zeigten etwa 19 % der Individuen keinen Zuwachs (wobei es einige mit einem Wiederfangintervall von bis zu 30 Jahren gab). Für Adulte mit genau bekannten Alter aus 3 Spezies erfolgte die höchste Adultzuwachsrate während der ersten 10 Jahre nach Erreichen der Geschlechtsreife, und die Anzahl der nicht mehr wachsenden Tiere nahm mit zunehmenden Alter zu. Die Zuwachsraten der Adulti waren durchschnittlich um 92 % niedriger als jene der Juvenilen. Basierend auf einer linearen Beziehung zwischen Gelegegröße und weiblicher Körpergröße bei durchschnittlichen Juvenil- bzw. Adultzuwachsraten würde es 0,7 (0,2-1,2) und bei adulten 8,6 (min-max = 2,3-18,5) Jahre dauern, um genug gewachsen zu sein, dass die Gelegegröße um ein Ei zunehmen kann. Die Mehrheit der Faktoren, die die Schwankungen der Adultgröße innerhalb einer distinkten Population erklären, waren wie bei 3 Spezies ermittelt eine Kombination aus dem Alter, zu dem die Geschlechtsreife erreicht wird und juvenile sowie frühe Adultzuwachsraten, jedoch kein unbegrenztes Adultwachstum. Die Ergebnisse aus unseren Untersuchungspopulationen zeigen, dass Zunahmen in der Körpergröße (und assoziierter Reproduktionsausstoß), die durch unbegrenztes Adultwachstum erreicht werden können, nicht groß genug sein können, um einen substantiellen Beitrag zur Evolution von bestimmte, Lebensstadien im allgemeinen leisten zu können oder im speziellen zur Evolution von Langlebigkeit und Altern beizutragen.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Eine schöne, ausführliche Arbeit, die für 9 Wasserschildkrötenarten etwas Ähnliches beschreibt, wie es auch für Testudo graeca oder Actinemys marmorata schon veröffentlicht wurde (Rouag et al. 2007, Cogalniceanu et al. 2010, Kadour et al. 2005, Bury et al. 2010). Diese Arbeit macht aber noch auf ein generelles Problem aufmerksam, denn innerhalb etlicher Schildkrötenspezies sind bisweilen ungewöhnlich große Exemplare beschrieben worden, wobei zumindest bei T. graeca ibera auch schon darüber spekuliert wurde, ob solche Tiere gar eine eigene Unterart darstellen könnten, und bislang waren die meisten davon ausgegangen, dass diese Exemplare ihre ungewöhnliche Größe durch ein entsprechend hohes Alter erreicht haben. Auch heute noch werden solche Ausnahmeindividuen durchweg als sehr alt beschrieben (Vyas 2011, siehe auch Literatur und Einleitung bei Bidmon 2011a, oder Bidmon 2011b, Kommentar zu Bury et al. 2010 ). Wie diese Studie hier aber zeigt, kann das nicht sein, denn die höchsten Zuwachsraten treten nur vor der Geschlechtsreife auf und dann in trotzdem deutlich verringerter Form nur in den ersten 10 Jahren nach Erreichen der Geschlechtsreife. Das heißt für die meisten Arten, die je nach Geschlecht ihre Geschlechtsreife zwischen 7 und 15 Jahren erreichen, und unter Berücksichtigung der ersten 10 Adultjahre, dass hier in der Regel trotzdem nur von einem Alter von 20-25 Jahren ausgegangen werden muss, währenddessen die entsprechende Größe erreicht wurde. Wenn es also keine weiteren Anhaltspunkte bzw. Merkmale gibt, die auf ein höheres Alter schließen lassen, kann man aus der Größe von Schildkröten sicher nicht auf deren Alter schließen, weil es zwischen Größe und Alter gar keine lineare Beziehung gibt. Somit bleibt also nur die Frage bestehen, warum werden manche Schildkrötenindividuen so groß? Ist es die Nahrungsverfügbarkeit bei optimaler Temperatur, die es manchen Populationen erlaubt, größere bis extrem große Individuen der jeweiligen Art hervorzubringen, oder sind das immer nur Ausnahme-Individuen, bei denen eine vielleicht erblich bedingte Störung der Wachstumshormonproduktion dazu führte, dass sie diese Größe dann schon in jungen Jahren erreichten?

Literatur

Bidmon, H.-J. (2011a): Schildkrötenschutz am Südostrand Europas: Ein Besuch zur Eröffnung der GEA Chelonia Foundation, Bulgarien. – Schildkröten im Fokus 8(2): 3-21 ➚.

Bidmon, H.-J. (2011b): Kommentar zu Bury, R. B., D. J. Germano & G. W. Bury (2010): Population structure and growth of the turtle Actinemys marmorata from the Kalamath-Siskiyou Ecoregion: Age, not size matters. – Copeia 2010(3): 443-451. – Schildkröten im Fokus 8(1): 21-22 ➚.

Bury, R. B., D. J. Germano & G. W. Bury (2010): Population structure and growth of the turtle Actinemys marmorata from the Kalamath-Siskiyou Ecoregion: Age, not size matters. – Copeia 2010(3): 443-451 oder Abstract-Archiv.

Cogalniceanu, D., Samoila, C., Tudor, M. & O. Tallowin (2010): An extremely large spur-thighed tortoise male (Testudo graeca) from Macin Mountains National Park, Romania. – Herpetology Notes 3(1): 45-48 oder Abstract-Archiv.

Kaddour, K. B., E. H. El Mouden, T. Slimani, F. Lagarde & X. Bonnet (2005): Sexual dimorphism, growth and maturation patterns of Testudo g. graeca, in the Central Jbilets, Morocco. – Revue d'Ecologie – La Terre et la Vie 60(3): 265-278 oder Abstract-Archiv.

Rouag, R., S. Benyacoub, L. Luiselli, E. H. El Mouden, G. Tiar & C. Ferrah (2007): Population structure and demography of an Algerian population of the Moorish tortoise, Testudo graeca. – Animal Biology 57(3): 267-279 oder Abstract-Archiv.

Vyas, R. (2011): Record Size of Indian Star Tortoise: Geochelone elegans (Schoepff, 1795). – Russian Journal of Herpetology 18: 47-50 oder Abstract-Archiv.