Cebra-Thomas J., F. Tan, S. Sistla, E. Estes, G. Bender, C. Kim, P, Riccio & S, F. Gilbert (2005): How the turtle forms its shell: A paracrine hypothesis of carapace formation. – Journal of Experimental Zoology Part B Molecular and Developmental Evolution 304B(6): 558-569.
Wie formt die Schildkröte ihren Panzer: Eine Hypothese der parakrinen Carapaxformation
Wir postulieren ein Zweischrittmodell für die evolutionäre Entstehung des Schildkrötenpanzers. Wir zeigen in dieser Arbeit, dass der Carapaxrand (CR) eine kritische Rolle für das Einwandern der Rippenanlage in die dorsale Dermis (Haut) spielt. Mehr noch, wir konnten zeigen, dass die Aufrechterhaltung des Carapaxrands und dessen Fähigkeit die wandernden Rippenvorläuferzellen anzuziehen von Signalen abhängt, die durch den Fibroblasten-Wachstumsfaktor (FGF) vermittelt werden. Inhibitoren von FGF führen zur Degeneration des Carapaxrands mit der Konsequenz, dass die Rippenanlage zur ventralen Körperwand wandert. Kleine Kugeln, die FGF-10 abgeben, können beim Huhn die Wanderung der Rippenanlagen korrigieren, was nahe legt, dass vom Carapaxrand abgegebenes FGF-10 eine wichtige Rolle dabei spielt, die Rippenrudimente in die richtige Position zu leiten. Das koordinierte Wachstum der Carapaxplatte und der Rippen könnte eine positive Rückkopplungsmechanismus-Schleife (ähnlich der der Beinanlagen) bilden, bewirkt durch eine Induktion der FGF-8-Sekretion in den distalen Wachstumsspitzen der Rippen durch das FGF-10 sezernierende Mesenchym (Bindegewebe) des Carapaxrands. Wenn die Rippenanlagen die Dermis erstmal erreicht haben, durchlaufen sie eine endochondrale Ossifikation (bilden Knorpel, der dann verknöchert). Zudem liefern wir Beweise, dass die Rippen als Signalzentren für die dermale Ossifikation fungieren und dafür dass die Verknöcherung durch morphogenetische Faktoren gesteuert wird, die von den Rippen sezerniert werden. Somit kann davon ausgegangen werden, dass, wenn die Rippen erstmal in die Dermis eingewandert sind, die Verknöcherung der Panzerhaut sehr leicht realisiert werden kann. Dieser relativ rasche Weg zur Carapaxbildung würde eine mögliche Erklärung dafür liefern, warum das Auftreten von Schildkröten in der Erdgeschichte so plötzlich und ohne fossile Befunde für eine Entwicklung über Zwischenstufen erfolgte.
Kommentar von H.-J. Bidmon
Diese Schlussfolgerung halte ich für gewagt, da ja letztendlich auch die genetische Steuerung dieses Entwicklungsprogramms einer Evolution unterliegt, was allein schon daran zu erkennen ist dass ja die Rippen der Hühnerembryonen dem Einfluss der gleichen Wachstumsfaktoren unterliegen, ohne dass dabei ein Carapax oder eine ähnliche den Körper einschließende Knochenkapsel entsteht.