Shimada - 2019 - 01

Shimada, T., C. J. Limpus, M. Hamann, I. Bell, N. Esteban, R. Groom & G. C. Hays (2019): Fidelity to foraging sites after long migrations. – Journal of Animal Ecology 89(4): 1008-1016.

Die Ortstreue zu den Nahrungsgründen trotz langer Migrationen (Wanderungen).

DOI: 10.1111/1365-2656.13157 ➚

Die Muster von Tierwanderungen die im Bezug zur Nahrungsaufnahme stehen gehören zu den essentiellen Grundlagen vieler ökologischer Studien und nicht selten stehen Tiere dabei vor der Entscheidung in der Umwelt zu bleiben die sie kennen oder doch besser nach neuen Lebensräumen zu suchen. Das Fehlen des Wissens in Bezug auf neue Nahrungsgründe birgt das Risiko, dass eine Verlagerung zu einem neuen Standort sich als Fehlentscheidung herausstellt (z. B. zu wenig Nahrung) sie hat aber auch das Potential sich bessere Nahrungsgründe zu erschließen. Unter Einbezug einzigartiger Langzeit- Satellitenüberwachungsaufzeichnungen für verschiedenste Meeresschildkrötenspezies in Kombination mit Fang-Wiederfang-Daten die sich über 50ig Jahre erstreckten zeigen wir für alle Spezies, dass die Individuen im Allgemeinen eine hohe Ortstreue zu ihren speziellen Nahrungsgründen beibehalten obwohl sie zwischendurch sehr weite Wanderungen (bis zu 10.000km) zu ihren Niststränden über viele Jahrzehnte hinweg zurücklegen. Wandernde Individuen wanderten sehr häufig durch ihre bevorzugten Nahrungsgründe auf dem Weg zu ihrer Herkunftslokalität (Niststrand) wobei sie ihre Reiseroute verlängerten um dabei die bevorzugten Jagdgründe gezielt aufzusuchen. Wir untersuchten hier die möglichen diesem Verhalten zugrundeliegenden Mechanismen, die ja auch von einigen Zugvögeln bekannt sind und wir vermuten, dass die Schildkröten sogar Nahrungsgründe die sie einmal zufällig auf ihren direkten Weg entdeckt hatten umgehen, wenn sie kein Wissen darüber haben ob es sich dabei um langfristige Nahrungsgründe handelt und es zu risikoreich sein könnte diese nochmals aufzusuchen.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Wieder einmal eine sehr schöne Langzeitstudie die nun auch mit globalen Überwachungs- und Erfassungsdaten ergänzt ein klares Bild ergibt und zwar nicht nur im Hinblick auf die Ernährungsökologie und das Habitaterhaltungsmanagement. Nein, diese Studie liefert auch klare Verhaltenshinweise dafür, dass die hier adressierten Meeresschildkröten kognitive Fähigkeiten besitzen. Ja diese Verhaltensbeobachtungen gehen sogar soweit, dass sie Anzeichen für „abstrakte“ Einschätzungen und Entscheidungsabwägungen liefern, denn es ist schon bemerkenswert wenn die Autoren aus ihren Erfassungsdaten den Schluss ziehen, dass diese Schildkröten sogar auf ihrer Wanderroute einmal zufällig entdeckte neue Nahrungsgründe auf den Weg zu ihren angestammten Nahrungsgründen umgehen, wenn sie sich nicht sicher sind, dass diese auch ständig oder wiederkehrend Nahrung bieten. Um solche Entscheidungen zu treffen müssen diese Schildkröten in der Lage sein sich zu erinnern und diese Erinnerung in einen zeitlich – räumlichen Kontext einordnen zu können. Letzteres ist schon eine sehr anspruchsvolle Aufgabenstellung die bis vor wenigen Jahren niemand von einem Reptil erwartet hätte. Aber wie schon des Öfteren diskutiert Lebensraumanpassung erfordert solche Leistungen und es ist interessant zu sehen wie dies hier in einem global sehr weitreichenden ausgedehnten Lebensraum von den Tieren realisiert wird. Genauso wie dies von Roth et al., (2019) für Schildkröten in terrestrisch lokalisierten Süßwasserhabitaten und von Gutnick et al. (2019) für Landschildkröten beobachtet wurde. Auch hier handelt es sich um eine Arbeit die uns wieder auf dieses zukunftsweisende Thema verweist über das wir ganz sicher in dem nächsten Jahrzehnt noch wesentlich mehr lernen dürften. Siehe dazu auch (Gutnick et al., 2019) und die dortigen Kommentare.

Literatur

Gutnick, T., A. Weissenbacher & M. J. Kuba (2019): The underestimated giants: operant conditioning, visual discrimination and long-term memory in giant tortoises. – Animal Cognition 23: 159-167 oder Abstract-Archiv.

Roth, T. C. II, A. R. Krochmal & L. D. LaDage (2019): Reptilian Cognition: A More Complex Picture via Integration of Neurological Mechanisms, Behavioral Constraints, and Evolutionary Context. – Bioessays 41(8): e1900033 oder Abstract-Archiv.