Seebacher - 2005 - 01

Seebacher, F. (2005): A review of thermoregulation and physiological performance in reptiles: what is the role of phenotypic flexibility? – Journal of Comparative Physiology B – Biochemical Systemic and Environmental Physiology 175(7): 453-461.

Ein Übersichtsartikel zum Thema Thermoregulation und physiologischer Performance bei Reptilien: Was ist die Rolle der phänotypischen Flexibilität.

DOI: 10.1007/s00360-005-0010-6 ➚

Biologische Funktionen sind abhängig von der Temperatur des Organismus. Tiere reagieren in der Regel auf Schwankungen der Umgebungstemperatur im Habitat, indem sie ihre Körpertemperatur anpassen und indem sie ihre physiologischen und biochemischen Prozesse modifizieren. Phänotypische Flexibilität (reversible phänotypische Plastizität, Anpassung, oder Akklimatisierung) in Bezug auf die Umsatzratenfunktionen findet in allen großen taxonomischen Gruppen statt und kann daher als ein altes ererbtes Konzept angesehen werden. Innerhalb der Reptilien zeigen alle Vertreter der verschiedenen taxonomischen Gruppen phänotypische Flexibilität als Reaktion auf langfristige oder chronisch einwirkende Wechsel in ihrer thermischen Umgebung. Anpassungen oder die Akklimatisation bei Reptilien wird im allgemeinen untersucht, indem man Ganztierreaktionen misst, wie zum Beispiel den Gesamtsauerstoffverbrauch. Allerdings sind Ganztierreaktionen oft beeinflusst durch variable, individuell ererbte Gegebenheiten, wie z.B. Enzymaktivitäten, Hormonexpression und kardiovaskuläre Funktionen. Die Kunst liegt nun darin, einen Bezug herstellen zu können, wie sich die temperaturabhängigen Veränderungen der einzelnen Komponenten auf die Funktion des Gesamttiers und dessen Fitness auswirken. Das experimentelle Design zur wissenschaftlichen Untersuchung der Thermalphysiologie bei Reptilien sollte deshalb die Kapazität (und Befähigung) zur reversiblen phänotypischen-Plastizität als Null-Hypothese einbeziehen, denn die Bedeutung der unterschiedlichen Körpertemperatur-Performance-Beziehungen (Thermale Reaktionsnormen) zwischen Individuen, Populationen oder Spezies können nicht erfasst, evaluiert und beurteilt werden, ohne dass die Null-Hypothese getestet worden ist.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Sicher diese eher theoretische Arbeit hat nur insofern mit Schildkröten zu tun, als dass Schildkröten eben auch zu den Reptilien zählen. Die Arbeit beleuchtet aber grundsätzliche Fragestellungen, die sich in Bezug auf die temperaturabhängige Fitness der Tiere und deren wissenschaftliche Untersuchung und Beurteilung ergeben. Dazu zählen eben nicht nur Enzymreaktionen, sondern auch temperaturabhängige Zuwachsraten, Geschlechtsbestimmung, Reproduktionserfolg, Populationsdynamiken unter dem Einfluss einer globalen Erwärmung usw. Diesbezüglich ist diese Übersichtsarbeit mit 100 Originalzitaten sicher eine interessante Quelle für all jene, die sich auch mit temperaturabhängigen Prozessen bei Schildkröten beschäftigen.