Terekay-Schienenschildkröte, Podocnemis unifilis – © José Erickson

Quintana - 2019 - 01

Quintana, I., D. Norris, A. Valerio, F. G. Becker, J. P. Gibbs & F. Michalski (2019): Nest removal by humans creates an evolutionary trap for Amazonian freshwater turtles. – Journal of Zoology 309(2): 94-105.

Das Absammeln von Gelegen durch den Menschen stellt eine evolutionäre Falle für die amazonischen Süßwasserschildkröten dar.

DOI: 10.1111/jzo.12689 ➚

Terekay-Schienenschildkröte, Podocnemis unifilis – © José Erickson
Terekay-Schienenschildkröte,
Podocnemis unifilis,
© José Erickson

Die Nistplatzauswahl stellt einen fundamentalen, grundlegenden Beitrag der Mütter für die Fitness der Nachkommen bei ovoviviparen Arten dar. Bei vielen Süßwasserschildkröten erbringen die Weibchen nach der Eiablage keine Versorgungsmaßnahmen und sind daher auf die richtigen Nest-Mikroumweltbedingungen angewiesen unter denen die sich entwickelnden Embryonen inkubieren. Dabei sind die Zusammenhänge zwischen Ablageortswahl und der Fitness der Nachkommen bislang auch nur unzureichend untersucht. Wir testeten hier Voraussagen die von mehreren Hypothesen abgeleitet waren, wobei wir Eiablagemuster bei der gelbgefleckten Amazonasarrauschildkröte, Podocnemis unifilis untersuchten. Dabei handelt es sich um eine bedrohte Spezies die durch Gelegeentnahmen durch Menschen über ihr gesamtes Verbreitungsgebiet hinweg gefährdet ist. Dabei stützen wir uns auf Daten die an 73 Nistplätzen entlang eines 118 km langen Flussabschnitts des östlichen brasilianischen Amazonas gesammelt worden waren. Die Nistarealgröße lieferte eine Erklärung für die Nistplatzauswahl durch die Schildkrötenweibchen, aber sie lieferte nur eine schwache Erklärung für die vor Ort stattfindende Entnahme der Gelege durch Menschen. Trotz des Vorhandenseins alternativer Nisthabitate scheinen die Schildkröten nicht in der Lage zu sein für ihre Nachkommen gefährliche Niststrände die durch starke Nestplünderungen betroffen sind zu vermeiden. Denn die Umweltsignale die von den weiblichen Schildkröten genutzt werden um die Nistplätze auszuwählen sind offensichtlich nicht ausreichend um damit Nistplätze auszuwählen die für Menschen unzugänglich sind. Direkte Erhaltungsmaßnahmen sind essentiell um die Existenz dieser Amazonas-Süßwasserschildkröten zu gewährleisten.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Eine solche Dateninterpretation habe ich selten in einem ernstzunehmenden Journal gelesen. Denn wie sollten die Schildkröten auch vermeiden, dass Menschen ihre Nester ausfindig machen und plündern. Menschen würden wahrscheinlich selbst die entlegensten Nistbänke entlang der Flussverläufe per Kanu und mittels Machete für sie zugänglich machen um die Eier zu entnehmen. Deshalb liefern die von den Schildkröten gewählten Nistplätze auch kaum eine gute Erklärung für die Ausbeutung durch die Bevölkerung, denn der Grund für die Bevölkerung sind die vorhanden Eier und nicht die Größe und wahrscheinlich Sandtemperatureigenschaften der Sandbank auf der sie abgelegt wurden. Sollten wir deshalb den Menschen umsiedeln oder eliminieren, weil er sich hier eventuell invasiv verhält? Gewisse Analogien lassen sich aus dieser Beschreibung zu der die für die Rotwangen-Schmuckschildkröte in Spanien beschrieben wurde nicht ganz von der Hand weisen. Allerdings werden solche Untersuchungen ja nicht oft und wenn erst seit jüngster Zeit durchgeführt, deshalb wäre es auch sehr unwahrscheinlich, dass man eine Anpassung der Schildkröten an diese Situation schon feststellen könnte. Denn solche Veränderungen würde man ja nur dann sehen, wenn genug Schildkröten von Müttern die ihre Nistplätze so angelegt hatten, dass sie nicht ausfindig zu machen waren, die Population so dominieren, dass man das auch zweifelsfrei nachweisen kann und das würde sicherlich mehrere Schildkrötengenerationen und damit mehrere Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Siehe dazu auch Erickson et al., (2020a, b) und Santos & Fiori (2020).

Literatur

Erickson, J., I. P. Farias & J. A. S. Zuanon (2020a): The life history of the Yellow-spotted Amazon River Turtle (Podocnemis unifilis) as told from the nests. – Salamandra 56: 296-308 oder Abstract-Archiv.

Erickson, J., C. Kurzmann Fagundes, M. d. S. Magalhaes, L. C. Dias, R. C. Vogt, I. P. Farias & J. Zuanon (2020b): Natural nests incubated in two different soil types lead to an overall balanced sex ratio in Podocnemis unifilis hatchlings on the lower Purus River, Brazil. – Salamandra 56(4): 309-316 oder Abstract-Archiv.

Santos, C. F. M. dos & M. M. Fiori (2020): Turtles, indians and settlers: Podocnemis expansa exploitation and the Portuguese settlement in eighteenth-century Amazonia. – Topoi Revista de História 21(44): 350-373 oder Abstract-Archiv.

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