Strahlenschildkröte, Astrochelys radiata, ein Männchen frisst Blätter des Spindelstrauchs oder Pfaffenhütchens, Euonymus europaeus, – © Hans-Jürgen Bidmon

Paquette - 2007 - 01

Paquette, S. R., S. M. Behncke, S. H. O'Brien, R. A. Brenneman, E. E. Louis & F. J. Lapointe (2007): Riverbeds demarcate distinct conservation units of the radiated tortoise (Geochelone radiata) in southern Madagascar. – Conservation Genetics 8(4): 797-807.

Flussbetten begrenzen distinkte Erhaltungseinheiten von Strahlenschildkröten (Geochelone radiata) im südlichen Madagaskar.

DOI: 10.1007/s10592-006-9227-5 ➚

Strahlenschildkröte, Astrochelys radiata, – © Hans-Jürgen Bidmon
Strahlenschildkröte,
Astrochelys radiata,
© Hans-Jürgen Bidmon

Die Strahlenschildkröte (Geochelone radiata) ist eine bedrohte Art, die endemisch auf Madagaskar vorkommt. Sie bewohnt die halbtrockenen Dornbuschwälder im südlichen Teil der Insel, ein Ökosystem, das sehr stark von Habitatzerstörung betroffen ist. Zusätzlich ist die Spezies durch das illegale Absammeln gefährdet. Das Hauptziel unserer Arbeit war es, bessere Einsichten über die genetische Struktur der Art zu gewinnen, um anhand dieser Befunde adäquate Managementstrategien zu entwickeln, beispielsweise für die Wiederauswilderung beschlagnahmter Exemplare. Unsere Hypothese war, dass Flussbetten wirkungsvolle Barrieren für die Ausbreitung der Schildkröten darstellen, auch dann, wenn sie die meiste Zeit des Jahres ausgetrocknet sind. Wir benutzten 13 polymorphe Mikrosatelliten-Marker, um die Proben aus 6 Populationen entlang des Verbreitungsgebiets der Spezies zu vergleichen. Alle Analysen (Fisher's Exakt Tests, FST-Werte, AMOVA) zeigten, dass die Strahlenschildkröten entlang des Verbreitungsgebiets ein moderates Maß an genetischer Struktur zeigten. Zusätzlich benutzten wir eine multiple Regressionsanalyse, die zeigte, wie wichtig Flüsse sind, um erklären zu können, wie diese Struktur zustande kommt. Diese Analysen zeigten, wie die Flüsse Menaranda und Manambovo Hauptbarrieren für die Ausbreitung der Strahlenschildkröten darstellen, allerdings zeigten die Markovketten Monte Carlo Simulationen, dass es immer noch zu einem geringen Maß an Genfluss kommt, was letztendlich erklären mag, warum die nachzuweisenden FST-Werte nicht höher waren. Wir identifizierten drei distinkte Erhaltungseinheiten mit relativ hohen Zugehörigkeitsraten (87 %), die als wertvoll (erhaltenswert) für das Management der Art anzusehen sind. Dies ist die erste Studie, die die genetische Struktur einer Art anhand von Proben beschreibt, die über den gesamten Dornbuschwald Madagaskars gesammelt worden waren.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Diese Arbeit belegt, wie die vorhergehende morphologische Erhebung (siehe Paquette & Lapointe (2007)), dass G. radiata eine genetische Struktur ausgeprägt hat und sich in drei Morphotypen untergliedern lässt. Sie zeigt auch, wie Flüsse selbst dann, wenn sie komplett austrocknen, eine natürliche Populationsgrenze darstellen können, weil die Flüsse eben in der Trockenzeit austrocknen und während dieser Zeit sind G. radiata im natürlichen Habitat sehr inaktiv, dass heißt, sie legen keine weiten Wanderungen zurück, sondern befinden sich in einer Aestivations-ähnlichen Phase (siehe auch O'Brien et al. (2003)). Dennoch bleibt die Frage, wie sinnvoll ist die Aufrechterhaltung dieser Struktur für das Management, insbesondere dann, wenn es sich bei einem dieser Strukturtypen um einen schon ziemlich dezimierten Bestand handeln sollte? Die Aufrechterhaltung des Genflusses innerhalb kleiner Bestände erscheint mir wichtiger als die Aufrechterhaltung von Lokalformen bei zunehmendem Einfluss von Inzucht (siehe auch Kommentar zu Fritz et al. (2007)). Allerdings wäre es sicher auch einmal interessant, ob überhaupt und zu welchem Grad Inzucht bei Schildkröten eine Rolle spielt und wie anfällig sie die Tiere machen würde? Inselpopulationen wie z.B. auf der Galapagosinsel Espanola könnten da vielleicht aufschlussreiche Erkenntnisse liefern (Milinkovitch et al. (2007)). Allerdings muss man auch berücksichtigen, dass es sich dabei um Inselformen handelt, die sehr wahrscheinlich einem anderen – vielleicht in Bezug auf Krankheitserreger geringeren Selektionsdruck ausgesetzt sind, als andere Lebensformen, die großräumige komplexere Lebensräume besiedeln.

Literatur

Fritz, U., A. K. Hundsdörfer, P. Široký, M. Auer, H. Kami, J. Lehmann, L. F. Mazanaeva, O. Türkozan & M. Wink (2007): Phenotypic plasticity leads to incongruence between morphology-based taxonomy and genetic differentiation in western Palaearctic tortoises (Testudo graeca complex; Testudines, Testudinidae). – Amphibia-Reptilia 28(1): 97-121 oder Abstract-Archiv.

Milinkovitch, M. C., D. Monteyne, M. Russello, J. P. Gibbs, H. L. Snell, W. Tapia, C. Marquez, A. Caccone & J. R. Powell (2007): Giant Galapagos tortoises; molecular genetic analyses identify a trans-island hybrid in a repatriation program of an endangered taxon. – BMC Ecology 7(1): 2 oder Abstract-Archiv.

O’Brien, S., E. R. Emahalala, V. Beard, R. M. Rakotondrainy, A. Reid, V. Raharisoa & T. Coulson (2003): Decline of the Madagascar radiated tortoise Geochelone radiata due to overexploitation. – Oryx 37(3): 338-343 oder Abstract-Archiv.

Paquette, S. R. & F.-J. Lapointe (2007): The use of shell morphometrics for the management of the endangered Malagasy radiated tortoise (Geochelone radiata). – Biological Conservation 134(1): 31-39 oder Abstract-Archiv.

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