Strahlenschildkröte, Astrochelys radiata, ein Männchen frisst Blätter des Spindelstrauchs oder Pfaffenhütchens, Euonymus europaeus, – © Hans-Jürgen Bidmon

Paquette - 2005 - 01

Paquette, S. R., G. D. Shore, S. M. Behncke, F. J. Lapointe & E. E. Louis (2005): Characterization of polymorphic microsatellite markers for the endangered Malagasy radiated tortoise (Geochelone radiata). – Molecular Ecology Notes 5(3): 527-530.

Charakterisierung von polymorphen Mikrosatelliten-Markern für die gefährdete Madagassische Strahlenschildkröte (Geochelone radiata).

DOI: 10.1111/j.1471-8286.2005.00979.x ➚

Strahlenschildkröte, Astrochelys radiata, – © Hans-Jürgen Bidmon
Strahlenschildkröte,
Astrochelys radiata,
© Hans-Jürgen Bidmon

Die Strahlenschildkröte (Geochelone radiata) ist eine bedrohte, endemische Spezies aus Madagaskar, welche die halbtrockenen Dornenwälder des Südens der Insel bewohnt. Habitatzerstörung und illegales Absammeln gefährden die Art in großem Umfang, was sich aus der deutlichen Reduktion ihres Verbreitungsgebiets während der letzten 30 Jahre ablesen lässt. Um nun adäquate Erhaltungsmaßnahmen einzuleiten, ist es notwendig, ein besseres Wissen über deren genetische Struktur innerhalb der Gesamtpopulation zu bekommen. Für diese Studie untersuchten wir 145 Blutproben, die von drei Populationen der Strahlenschildkröte im Südwesten Madagaskars stammen. Acht Mikrosatelliten-Loci konnten als polymorph identifiziert werden, wobei sie auch Unterschiede in den Allelen zeigten. Ebenso war die Heterozygotie für alle acht hoch.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Daraus lässt sich wohl schließen, dass es auch bei der Strahlenschildkröte, wenn auch subtile, Unterschiede zwischen den Populationen gibt. Ein Umstand der auch gestützt wird durch die Befunde von O'Brien et al. (2003), die besagen, dass Strahlenschildkröten als sehr standorttreue Art keine großen Wanderungen durchführen, die einerseits zur Wiederbesiedlung abgesammelter Biotope und andererseits zur Vermischung getrennter Populationen beitragen könnten. Geochelone radiata scheint daher eine Art zu sein, die sehr anfällig für den Verlust an genetischer Variabilität ist, wenn durch Absammeln die Gesamtpopulation in kleinere Teilpopulationen zerstückelt wird, obwohl ihre Gesamtindividuenzahl im Gesamtverbreitungsgebiet noch als relativ hoch eingeschätzt werden muss.
Allerdings gibt diese Arbeit auch Anhaltspunkte für eine weitere praktische Anwendung, nämlich die Identifizierung von Nachzuchten. Vaterschaftstests sind bei Schildkröten möglich, siehe dazu Burns et al. (2003). Allerdings könnte man sie vielleicht mit dem Vorbehalt anzweifeln, dass Schildkrötenweibchen ja Sperma speichern können und man nicht weiß, ob es nicht auch außerhalb der Zuchtgruppe zu Kopulationen gekommen sei. Was man aber wohl nicht anzweifeln kann, ist dass ja die Hälfte des Genoms auch von der Mutter stammt, sodass das Fehlen mütterlicher wie väterlicher Anteile sicher festzustellen ist, dazu sind die oben beschriebenen nukleären Mikrosatelliten „primer“ sicher ein äußerst hilfreicher Anfang. Es geht aber noch einfacher, denn die Mitochondrien werden nur mit der Eizelle vererbt, somit hat jeder direkte Nachkomme immer exakt das gleiche mitochondriale Genom und die gleichen mitochondrialen Proteine wie dessen Mutter. Solche mitochondrialen Genabschnitte kann man einfach isolieren und untersuchen, zumal ja für Nachzuchten die Mutter oder die in Frage kommenden Mütter bekannt sind. Man hat dann zwar im eigentlichen Sinne keinen Vaterschaftstest, sondern einen Mutterschaftsnachweis, der aber ist sehr genau, da das mitochondriale Genom von Mutter und Tochter oder Mutter und Sohn immer zu 99,9999 bis 100 % übereinstimmt. Solche Tests sollten es dann zumindest ermöglichen, das oder die Zuchtweibchen eindeutig zu identifizieren, von dem die Jungtiere abstammen sollen. Was man dazu braucht: nicht viel, sondern nur etwas Blut, damit man die nukleäre DNS sowie die Mitochondrien und die mtDNS aus d en Blutzellen gewinnen kann, alles andere kann mit der oben beschriebenen Vorarbeit jedes gentechnisch ausgestattete Labor. Damit sollte es immer möglich sein, illegal eingeführte und nachträglich legalisierte angebliche Nachzuchten zweifelsfrei zu identifizieren. Das liegt dann nur am Staatsanwalt oder Richter, ob er bei begründetem Verdacht eine solche Untersuchung anordnet oder nicht. Vielleicht werden ja bald für weitere derzeit strenggeschützte, aber teuer gehandelte Arten solche Marker beschrieben, denn damit könnte vielleicht einmal sowohl der Ursprung der Tiere als auch ihre Legalität bzw. Illegalität zweifelsfrei bestimmt werden. So etwas könnte zum Beispiel auch ein Forschungsprojekt für das Internationale Zentrum für Schildkrötenschutz im Allwetterzoo Münster sein, denn hier könnten Blutproben von solch seltenen Tieren gewonnen werden, die dazu dienen könnten, nicht nur den genetischen Stammbaum zur Minimierung von Inzucht bei den Nachzuchten abzuklären, sondern auch bei eventuellen Diebstählen, die Tiere zweifelsfrei wieder identifizieren zu können. Darüber hinaus könnten die gewonnen Daten zukünftig zur Identifizierung von Schmuggeltieren genutzt werden. Entsprechende Unterstützung für solche Forschungsprojekte sowie die finanzielle Ausstattung damit verbundener Diplomarbeiten und Dissertationen sollten durchaus auch im Interesse Herpetologischer Vereinigungen sein, die sich dem Natur- und Artenschutz verpflichtet fühlen.

Literatur

Burns, C. E., C. Coifi, L. B. Beheregaray, T. H. Fritts, J. P. Gibbs, C. Marquez, M. C. Milinkovitch, J. R. Powell & A. Caccone (2003): The origin of captive Galapagos tortoises based on DNA analysis: Implications for the management of natural populations. – Animal Conservation 6(4): 329-337 oder Abstract-Archiv.

O’Brien, S., E. R. Emahalala, V. Beard, R. M. Rakotondrainy, A. Reid, V. Raharisoa & T. Coulson (2003): Decline of the Madagascar radiated tortoise Geochelone radiata due to overexploitation. – Oryx 37(3): 338-343 oder Abstract-Archiv.

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