Galapagos-Riesenschildkröte, Chelonoidis nigra, wird mit einem Apfel aus der Unterkunft gelockt – © Hans-Jürgen Bidmon

Nicholls - 2004 - 01

Nicholls, H. (2004): One of a kind. – Nature 429(6991): 498-500.

Einer seiner Art

DOI: 10.1038/429498a ➚

Galapagos-Riesenschildkröte, Chelonoidis nigra, – © Hans-Jürgen Bidmon
Galapagos-Riesenschildkröte,
Chelonoidis nigra,
wird mit einem Apfel
aus der Unterkunft gelockt
© Hans-Jürgen Bidmon

Seit die männliche Galápagos-Riesenschildkröte Lonesome George auf der Insel Pinta 1971 entdeckt wurde, scheint er der einzige Überlebende der Unterart Geochelone nigra abingdoni zu sein. Da alle Versuche, ein passendes Weibchen der gleichen Unterart zu finden, im Sande verliefen, gab man ihm 1992 zwei Weibchen der benachbarten Insel Isabela ins Gehege, für die er jedoch keinerlei sexuelles Interesse aufbrachte und aufbringt.
Ende der Neunzigerjahre hat sich mittels DNA-Untersuchungen herausgestellt, dass er mit den Schildkröten der 300 km weit entfernten Insel Española (G. nigra hoodensis) wesentlich näher verwandt ist als mit seinen direkten Nachbarn. Dennoch lehnt der wissenschaftliche Direktor der Charles-Darvin-Research-Station (CDRS), Howard Snell, es ab, die beiden benachbarten Weibchen gegen die näher verwandten auszutauschen, da er das als unnatürlichen Eingriff empfindet, was gegen die Ziele der CDRS verstoße. Er setzt immer noch auf die Möglichkeit, das sich auf der Insel Pinta noch lebende Schildkröten befinden, was zumindest nicht ausgeschlossen erscheint, da 1981 auf einer Exkursion Schildkrötenfäkalien gefunden worden sind. Eine intensive Suche auf Pinta im letzten Jahr erbrachte 20 tote Schildkröten, von denen nur eine ein Weibchen war. DNA-Untersuchungen an in Zoos lebenden Riesenschildkröten erbrachten ebenfalls kein weiteres Exemplar. Allerdings gibt es immer noch jede Menge Galápagos-Riesenschildkröten in Zoos, die noch keiner DNA-Analyse unterzogen worden sind. Snell bedauert darüber hinaus die unterschiedliche Gesetzgebung bzgl. der privaten Haltung von G. nigra. Er befürwortet eine weltweite generelle Amnestie, um auch in privater Hand nach Überlebenden der Pinta-Unterart suchen zu können.
Je mehr Zeit verstreicht, umso eher wird nun doch der Kompromiss einer Inselkreuzung mit der Española-Unterart ins Auge gefasst. Auf dieser Insel hat ein intensives Nachzuchtprogramm aus den letzten 14 Überlebenden (2,12) in den Sechzigerjahren seit 1975 mehr als 1.200 Schildkröten zur Auswilderung gebracht, die sich seit 15 Jahren auch wieder wild vermehren. Allerdings ergab eine genetische Untersuchung, dass ein einziges Männchen, namens „Macho“ für 60 % des dortigen Nachwuchses verantwortlich ist, was eine bedenkliche genetische Verarmung darstellt.
Dennoch gibt die große Anzahl an Nachkommen aus dem Zuchtprogramm eine gute Chance, viele geschlechtsreife Weibchen als potenzielle Partner für Lonesome George zur Vermehrung zu haben.
Allerdings bleibt da immer noch das Problem, dass er völlig uninteressiert an Sex ist. Und solange das Problem nicht gelöst ist, bleibt die Diskussion um potenzielle Partnerinnen rein akademisch.
Eine mögliche Ursache könnte sein, dass er noch keinem normalen Paarungs- oder Werbeverhalten ausgesetzt war. So könne ihn laut Peter Pritchard das Hinzufügen eines weiteren Männchens animieren oder dass man ihn bei den benachbarten Gehegen bei Paarungen der Española-Unterart zusehen ließe. Wenn das alles nicht klappt, bleibt nur noch die künstliche Befruchtung.
Traurigerweise weiß immer noch niemand, ob Lonesome George überhaupt Sperma produzieren kann. 1993 zeigte eine deutsche Tierärztin eine Technik, wie man den Penis aus der Kloake bekommen kann und durch manuelle Stimulation Samen nehmen kann. Eine Schweizerin, die kurz darauf als Volontärin die CDRS erreichte, schaffte es bei den meisten Männchen innerhalb von 15 Minuten. Aber nicht so bei Lonesome George. Sveva Grigioni bemühte sich vier Monate, bis ihr Visum ablief, mehrere Stunden täglich. In dieser Zeit schien er auch täglich mehr Interesse an den Weibchen zu bekommen. Allerdings musste sie die Insel unverrichteter Dinge verlassen, obwohl sie sicher war, dass es ihr irgendwann gelungen wäre. Es gibt aber auch noch eine andere Möglichkeit. In vielen Zuchtprogrammen werden erfolgreich leichte Elektroschocks eingesetzt, um Sperma zu erhalten. Aber das kann man kaum eine nicht-invasive Technik nennen und so wurde das bisher bei Lonesome George noch nicht gemacht.
Falls Lonsome George tatsächlich unfruchtbar sein sollte, bleibt laut Informationstafel die wunderbare Welt des Klonens. Aber alle Wissenschaftler sind sich einig, dass es wichtigere Probleme gibt, für die man so viel Geld ausgeben könnte. Dennoch könnte man ja für eine ferne Zukunft zumindest einmal Zellen von Lonesome George für diesen Zweck aufheben.
Die Zeit spielt auf jeden Fall für ihn, wahrscheinlich ist er jünger als 100 Jahre, also jung knackig für eine Riesenschildkröte, und kann so bestimmt noch einmal 100 Jahre leben. Mit Geduld und Glück kann er dann doch noch Vater werden.

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