Köhlerschildkröte, Chelonoidis carbonaria, – © Hans-Jürgen Bidmon

Mendoza - 2021 - 01

Mendoza, P., C. Furuta, B. Garcia, L. A. Zena, S. Artoni, E. S. Dierenfeld, K. C. Bícego & A. C. Carciofi (2021): Starch and fiber intake effects on energy metabolism, growth, and carapacial scute pyramiding of red-footed tortoise hatchlings (Chelonoidis carbonaria). – Comparative Biochemistry and Physiology Part A: Molecular & Integrative Physiology 265(3): 111131.

Das Fressen von Stärke und Fasern wirkt sich auf den Energiestoffwechsel, das Wachstum und die Carapaxschildpyramidenbildung bei der Köhlerschildkröte (Chelonoidis carbonaria) aus.

DOI: 10.1016/j.cbpa.2021.111131➚

Köhlerschildkröte, Chelonoidis carbonaria, – © Hans-Jürgen Bidmon
Köhlerschildkröte,
Chelonoidis carbonaria,
© Hans-Jürgen Bidmon

In Bezug auf die Landschildkrötenhaltung gibt es Berichte über zu hohe Wachstumsraten, und Carapaxpyramidenbildung, aber die Ursachen dafür müssten immer noch genau abgeklärt werden. Juvenile Köhlerschildkröten (Chelonoidis carbonaria) wurden hier mit zwei verschiedenen Diäten versorgt nämlich einer mit hohem Faseranteil (HF; 14,2 % Rohfaser; 39,2 % neutrale detergenzlösliche „Faser“-Anteile, NDF; auf Trockengewichtbasis, DMB) und einer mit hohem Stärkeanteil (HS; 27,7 % DMB) um dabei herauszufinden wie sich die Ernährung auf den Energiestoffwechel, die Nährstoffverdauung und das Wachstum auswirkt. Insgesamt wurden 20 Schlüpflinge (10 pro Diätgruppe) dazu verwendet eine Bestimmung folgender Parameter zu bestimmen: Den scheinbaren Verdaulichkeitskoeffizienten der Nährstoffe (Da), den Gesamtenergiegewinn (GE), die Verdauungstraktpassagezeit im Alter von 5 und 11 Monaten, den Ruhestoffwechsel sowie die Stoffwechselrate nach Nahrungsaufnahme im Alter von 6 und 12 Monaten, die Wachstumsraten, die Pyramidenbildung und die geschätzte Köperzusammensetzung. Die Schildkröten die die HS-Diät erhielten zeigten eine höhere Massenspezifische-Nahrungsaufnahme für verdauliche Energieanteile (113,9 ± 32,1 kJ kg-1 Tag-1 vs. 99,6 ± 35,3 kJ kg-1 Tag-1; P < 0,05), die verdauliche DM (6,1 ± 1,8 g kg-1 Tag-1 vs. 5,0 ± 1,8 g kg-1 Tag-1; P < 0,01), kürzere Transitzeiten (3 ± 1 Tage vs. 4 ± 1 Tage; P < 0,01, Zeit bis zur Erstausscheidung der Markierungssubstanz) und Rückhaltezeiten (8 ± 2 Tage vs. 10 ± 2 Tage; P < 0,01 Zeit bis zur letzten Ausscheidung der Markierungssubstanz) sowie einen höheren Da pro DM-Anteil, Stärke, NDF und GE. Der Da für Rohprotein lag aber bei der HF-Diätgruppe höher. Die Ruhestoffwechselraten und die Stoffwechselraten nach Nahrungsaufnahme sowie die Pyramidenbildung blieb aber bei beiden Diätgruppen gleich und nicht von der Nahrungszusammensetzung beeinflusst. Im Alter von 13 Monaten zeigten die Schildkröten der HS-Diätgruppe breitere Plastra und Carapaxe sowie höhere Carapaxbreitenzuwachsraten. Zudem zeigten die Tiere der HS-Diätgruppe einen geringeren Körpermineralanteil (1,88 ± 0,15 % vs. 2,15 ± 0,19 %; P < 0.01) und eine geringere Knochendichte (0,13 ± 0,01 g mm-2 vs. 0,15 ± 0,02 g mm-2; P < 0,02). Diese Ergebnisse liefern Bewiese dafür, dass eine hochgradig verwertbare Diät das Panzerwachstum beschleunigt und zu einer geringeren Mineralisation bei dieser Art führt.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Diese Studie liefert zwar gute allgemein verständliche Angaben zur Auswirkung unterschiedlicher artifizieller Ernährungsweisen, zeigt aber auch gleichzeitig, dass die Diät mit dem höheren Stärkegehalt und der höheren Verdaulichkeit zwar das Panzerwachstum und insbesondere das Breitenwachstum beschleunigt, aber dennoch die Pyramidenbildung unbeeinflusst lässt. Ebenso erwähnen die Autoren, dass zum Zeitpunkt des Versuchsendes keine signifikanten Größen- bzw. Gewichtsunterschiede zwischen den Gruppen bestanden, sodass letztendlich nur die Unterschiede bezüglich der Plastron- und Carapaxbreite als morphologische Unterschiede zwischen den Gruppen eindeutig waren. Letzteres könnte daran liegen, dass die Pyramidenbildung auf anderen Faktoren beruht nämlich wie von Heinrich & Heinrich (2016) sowie Wright (2005) angegeben auf der rel. Luftfeuchte oder auf noch kaum gut untersuchten Temperatureinflüssen (siehe dazu Álvarez-Varas et al., 2019 und den dortigen Kommentar), wobei die Untersuchung die besagt, dass Pyramidenbildung bei Panter- und Spornschildkröten auf zu hohen haltungsbedingten Nachttemperaturen beruhen sicher auch noch einer genaueren Abklärung bedürfen (Heinrich & Heinrich,2016). Das bei diesem oben vorgestellten Fütterungsexperiment sich der Mineralgehalt und die Knochendichte bei der HF-Diätgruppe als am höchsten erwiesen haben liegt wohl hauptsächlich daran, dass bei dieser Gruppe auch der Proteinverdaulichkeitsindex am höchsten war. Letzteres liegt wohl eher daran, dass der höhere Faseranteil die Darmmikrobiommasse steigert und dabei auch mehr Aminosäuren, Proteine und Peptide bakteriellen Ursprungs mitverdaut und aufgenommen werden können und Proteine bilden nun einmal sowohl im Knochen wie auch in anderen Geweben und Zellen die Strukturen die Mineralien binden und auch das Grundgerüst zur Knochenbildung liefern. Da aber Keratin also die Hornschicht der Panzerschilde auch aus vernetzten Proteinen besteht zeigt diese Arbeit aber eindeutig, dass ein erhöhter Proteinanteil der durch die Ernährung mitbedingt wird eben nicht zu einer erhöhten Pyramidenbildung führt. Ja, es ist sogar so, dass der Proteinanteil bei der faserreichen Diät die zu erhöhter Proteinverdauung und Aufnahme führt insgesamt höher liegt. Letzteres ist ja gerade etwas was von den meisten hierzulande ganz anders dargestellt wurde, denn es hieß ja bislang bei der Argumentation immer, dass der Proteinanteil bei faserarmer Ernährung höher sei als bei einer faserreichen Diät mit Heuanteilen. Insofern liefert diese Arbeit ein deutliches Anzeichen dafür, dass eine faserreichere Diät vielleicht selbst weniger verdaubare Proteine den Schildkröten zuführt aber dennoch durch die Verlängerung der Colonpassagezeit und der Förderung des Darmmikrobioms im Endergebnis zu einer höheren Proteinaufnahme pro aufgenommener Nahrung und Energie führt, da ja in diesem Fütterungsexperiment beide Diäten auf eine gleiche Energiemenge kalibriert waren. Siehe dazu auch (Gramanzini et al. 2013; Bidmon & Jennemann, 2006). Eigentlich ist es schade, dass die Autoren hier nur angeben, dass beide verwendeten Diäten so eingestellt waren, dass sie den gleichen Energiegehalt hatten, aber dass sie darauf verzichteten noch eine weitere Gruppe mit zu untersuchen bei der eine Diät mit erhöhten zugegebenen Proteinanteil bei normalen Kohlehydratanteil gefüttert worden wäre. Allerdings denke ich, dass das auch nicht zur Pyramidenbildung beigetragen hätte, wenn man sich an die Befunde von Lapid et al. (2005) erinnert. Allerdings macht diese Studie noch auf einen Ernährungsaspekt indirekt aufmerksam, der bislang nie genau beachtet wurde und der auch bei der retrospektiven Untersuchung von Ritz et al. (2012) nicht geklärt werden konnte. Denn die faserarme HS-Diät führte zu einer verminderten Kalzifizierung und Knochendichte, letzteres kann aber zum Überdauern von Ruhephasen sehr von Nachteil sein, weil Schildkröten in der Regel dieses Kalzium aus den lebenden Knochenanteilen benötigen um die Milchsäure im Blut ab zu puffern. Das ist zwar für anoxisch überwinternde Wasserschildkröten wichtiger als für Landschildkröten, aber dennoch sind auch sie auf diesen Mechanismus zum Teil angewiesen. Ja und letztendlich könnten solche weniger gut kalzifizierten Carapaxskelette auch bei einer später einsetzenden Trockenphase leichter eine Pyramidenbildung oder Wachstumsfugeneinsenkung (siehe Wright, 2005) begünstigen.

Literatur

Álvarez-Varas, R., D. Véliz, G. M. Vélez-Rubio, A. Fallabrino, P. Zárate, M. Heidemeyer, D. A. Godoy & H. A. Benítez (2019): Identifying genetic lineages through shape: An example in a cosmopolitan marine turtle species using geometric morphometrics. – PLoS ONE 14(10): e0223587 oder Abstract-Archiv.

Bidmon, H.-J. (2009): Ernährungsgrundlagen und Darmpassagezeiten bei herbivoren Landschildkröten – oder wie selektierende Nahrungsgeneralisten auch unter extremen Bedingungen überleben: Eine Übersicht. – Schildkröten im Fokus 6(1): 3-26 ➚.

Bidmon, H.-J. & G. Jennemann (2006): Hohe relative Luftfeuchtigkeit, gleich glatte Panzer: Wie lässt sich das in der Landschildkrötenhaltung praktikabel realisieren? – Schildkröten im Fokus 3(4): 3-18 ➚.

Gramanzini, M., N. Di Girolamo, S. Gargiulo, A. Greco, N. Cocchia, M. Delogu, I. Rosapane, R. Liuzzi, P. Selleri & A. Brunetti (2013): Assessment of dual-energy x-ray absorptiometry for use in evaluating the effects of dietary and environmental management on Hermann’s tortoises (Testudo hermanni). – American Journal of Veterinary Research 74(6): 918-924 oder Abstract-Archiv.

Heinrich, M. L. & K. K. Heinrich (2016): Effect of Supplemental Heat in Captive African Leopard Tortoises (Stigmochelys pardalis) and Spurred Tortoises (Centrochelys sulcata) on Growth Rate and Carapacial Scute Pyramiding. – Journal of Exotic Pet Medicine 25(1): 18-25 oder Abstract-Archiv.

Lapid, R. H., I. Nir, & B. Robinzon (2005): Growth and body composition in captive Testudo graeca terrestris fed with a high-energy diet. – Applied Herpetology 2(2): 201-209 oder Abstract-Archiv.

Ritz, J., M. Clauss, W. J. Streich & M. Hatt (2012): Variation in Growth and Potentially Associated Health Status in Hermann’s and Spur-Thighed Tortoise (Testudo hermanni and Testudo graeca). – Zoo Biology 31(6): 705-717 oder Abstract-Archiv.

Wright, K. (2005): Beyond POTZ: Environmental influences on reptile healing. – Exotic DVM Veterinary Magazine 7(4): 11-15 oder Abstract-Archiv.

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