Li - 2020 - 01

Li, H., A. Sinha, A. A. André, C. Spötl, H. B. Vonhof, A. Meunier, G. Kathayat, P. Duan, N. R. G. Voarintsoa, Y. Ning, J. Biswas, P. Hu, X. Li, L. Sha, J. Zhao, R. L. Edwards & H. Cheng (2020): A multimillennial climatic context for the megafaunal extinctions in Madagascar and Mascarene Islands. – Science Advances 6(42): eabb2459.

Ein multimillennialer klimatischer Kontext (Zusammenhang) für die Aussterbensereignisse bei der Megafauna auf Madagaskar und der Inselgruppe der Maskarenen.

DOI: 10.1126/sciadv.abb2459 ➚

Madagaskar sowie die Inseln der Mascarenen wie Mauritius und Rodrigues waren in der Vergangenheit von katastrophenartigen ökologischen Transformationen der Landschaft betroffen die dazu führten, dass sie fast vollständig ihre gesamte endemische Megafauna während der zurückliegenden Millennia verloren. Diese Ökosystemveränderungen wurden alternierend durch menschliche Aktivitäten, Klimaveränderungen oder von Beiden zusammen bedingt, aber die Zuordnung welche relative Wichtigkeit dabei diesen Faktoren zukommt war insbesondere für Madagaskar schwer zu bestimmen. Hier präsentieren wir eine multimillenniale (ungefähr die letzten 8.000 Jahre umfassende) Rekonstruktion der im südwestlichen Indischen-Ozean abgelaufenen hydroklimatischen Veränderungen anhand von Speleothemen von der Insel Rodrigues, die etwa 1.600 km östlich von Madagaskar liegt. Dieser Klimarekord zeigt sich wiederholende Muster an hydroklimatischen Schwankungen die sich dadurch auszeichnen, dass es auf einer sub-millennialen Skala zu Trockenphasen kam die punktuell für eine Dekade oder gar für mehrere Dekaden zu sogenannten Megaaustrocknungsperioden führten, die auch während des späten Holozäns noch auftraten. Unsere Daten sprechen dafür, dass die Megafauna der Maskarenen und Madagaskar diesen gegenüber resistent waren und dass sie wiederholter maßen die vergangenen Episoden dieses extremen Klimastresses überdauerten, dass sie aber kollabierte als es zu einer deutlichen Zunahme der menschlichen Aktivitäten während einer ausgeprägten Austrocknungsperiode kam.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Diese Arbeit verweist uns zum Jahresende wieder einmal mehr auf zwei wesentliche Aspekte nämlich zum einen, dass die zur Megafauna der Maskarenen gehörenden Schildkröten Klimaschwankungen schon früher ausgesetzt waren und sie sie dennoch gut überstanden zu haben scheinen. Wie die Befunde belegen waren es nicht die Trockenperioden oder die oft beschworene Aridifizierung die sie ausrotteten, sondern es waren wohl Menschen denen sie vielleicht beim Aufsuchen der letzten Wasserstellen zum Opfer gefallen sind. Dies legt nahe, dass auch zukünftige Klimaanstiege, selbst wenn sie gravierender ausfallen dürften, nicht gleich das Aus für etliche Arten bedeuten müssten, wenn wir ihnen ihre Ressourcen zum Überleben nicht streitig machen. Aber im Angesicht dessen was sich aufgrund des Klimawandels abzeichnet dürften es auch zukünftig Menschen sein die zum einen in ihrer Not alles was an Nahrung noch verfügbar ist nutzen werden und die zum anderen die letzten Wasserreserven für sich beanspruchen werden. Ein solches uneinsichtiges Verhalten erleben wir ja heute schon selbst hier im nördlichen Europa. Auch unsere Landwirtschaft verbraucht sehr viel Wasser z. B. in zunehmend trockeneren Sommern. Zudem sorgt sie sich ohne wirklichen politischen Druck kaum darum die verbliebenen Grundwasserreserven nicht mit erhöhten Nitrat zu verseuchen. Nein, es werden eher mehr und immer tiefere Brunnen gebohrt, um die eigenen Felder zu bewässern und um die Erträge immer weiter zu maximieren. Den Preis dafür zahlen nicht nur die anderen Lebewesen die sich diese tiefer liegenden letzten Wasserreserven nicht erschließen können, sondern letztendlich wir alle. Genauso wie wir immer noch Herbizide und Pestizide zur Ertragssteigerung einsetzen und wenn die Politik in letzter Konsequenz mal eines dieser Mittel verbieten muss, müssen wir fast schon darum bangen, dass das was die Pharmakonzerne als Ersatz anbietet nicht noch schädlicher wirkt und wir es nur deshalb oft über Jahre mitertragen müssen, weil es eben immer einige Zeit dauert bis unabhängige Institutionen auch deren Schädlichkeit nachgewiesen haben. Ist das wirklich Politik im Sinne einer humanen, ethisch verantwortlichen Gesellschaft oder ist das Verbandslobby geförderte Diktatur der „Freien Marktwirtschaft“ in einer Demokratie? Wenn man sich solche Szenarien überdenkt, dann kommt es einem schon manchmal etwas seltsam vor wie es trotzdem immer wieder einige wagen Lebewesen erneut einer solchen Zukunft auszusetzen ohne vorher an der menschlichen und politischen Situation etwas grundlegend geändert zu haben (siehe Pedrono et al., 2020). Ja auch darüber sollten wir für das Wahljahr 2021 einmal eindringlicher nachdenken!
Auch in diesem Sinne einen guten Rutsch.

Literatur

Pedrono, M., E. Rambeloson & A. Clausen (2020): Giant tortoises make a comeback in Madagascar. – Nature 587(7835): 548; DOI: 10.1038/d41586-020-03290-5 ➚.