Kristensen - 2008 - 01

Kristensen, K., M. Berenbrink, P. Koldkjaer, A. Abe & T. Wang (2008): Minimal volume regulation after shrinkage of red blood cells from five species of reptiles. – Comparative Biochemistry and Physiology – Part A Molecular and Integrative Physiology 150(1): 46-51.

Minimale Volumenregulation nach der Einschrumpfung roter Blutzellen bei fünf Spezies von Reptilien

DOI: 10.1016/j.cbpa.2008.03.002 ➚

Rote Blutzellen (Red blood cells, RBCs) aus den meisten Wirbeltieren können ihr Volumen regenerieren, nachdem sie unter hypertonen Bedingungen einer Schrumpfung unterlagen, und die diesem Regenerationsvermögen (Regulatory volume increase, RVI) zugrunde liegenden Mechanismen wurden intensiv untersucht. Obwohl Reptilien phylogenetisch gesehen eine interessante Stellung innerhalb der Wirbeltiere einnehmen, ist relativ wenig über die Funktionen ihrer roten Blutzellen bekannt. Die hier vorgestellte Studie zeigt, dass sauerstoffbeladene RBCs bei allen Hauptgruppen der Reptilien nach hypertoner Schrumpfung keine oder nur eine sehr geringe RVI von weniger als 25 % zeigen. Die RBCs der Schlangen Crotalus durissus und Python regius, der Schildkröte, Trachemys scripta und dem Alligator, Alligator mississippiensis zeigen gar keine statistisch signifikante RVI innerhalb eines Zeitraums von 120 min nach vorheriger Schrumpfung, während die Schienenechse Tupinambis merianae nach 120 min eine Volumenregeneration von 22 % zeigt. Amilorid (10(-4) M) und Bumetanid (10(-5) M) (Pharmaka) zeigten keine Wirkung in Bezug auf die Verbesserung der RVI bei T. merianae, was andeutet, dass Na+/H+ Austauscher (NHE) oder der Na+/K+/2Cl(-) Co-Transporter (NKCC) keine Rolle spielen oder für diese Pharmaka insensitiv sind. Eine Sauerstoffentladung der RBCs von A. mississippiensis und T. merianae hatte auch keinen signifikanten Effekt auf die RVI nach Schrumpfung. Bei T. merianae führte die Deoxygenierung der RBCs per se zu einer Volumenzunahme, aber der Mechanismus konnte nicht charakterisiert werden. Es scheint so, als ob die Regulationsmechanismen, für die RVI die auf der NHE-Aktivierung beruhen, bei den frühen Sauropsiden verlorengegangen sind, die dann die Evolutionslinie für die modernen Reptilien und Vögel begründeten, während sie bei den Säugetieren erhalten blieb. Eine RVI-Reaktion wurde dann bei den Vögeln neu erfunden und zwar basierenden auf der Aktivierung des NKCC. Alternativ, könnte das Fehlen einer RVI-Reaktion die älteste und ursprünglichste Situation darstellen, so dass die Tiergruppen, die eine RVI zeigen, sie mehrfach unabhängig von einander entwickelt haben.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Klar, welchen Herpetologen und Schildkröten-Halter interessiert diese Art von Wissenschaft? Muss man das verstehen? Nein, man muss es nicht! Aber ich wurde einmal über meine Freunde, die Vinkes gefragt warum Schildkröten bei zu trockener Haltung austrocknen und warum der Wasserverlust durch Trinkwasser nicht ausgeglichen werden kann. Meine Antwort, die ich damals an Fam. Vinke schickte tauchte dann im Testudo-Forum wieder auf und wurde auch diskutiert. Seitdem Austrocknung nun akzeptiert ist und bekannt ist, dass der Wasserverlust durch Trinken nicht ausgeglichen werden kann können das sogar auch andere beobachten und ihre Haltung verbessern siehe, Radiata (2) 2008. Die oben angeführte Arbeit liefert aber eine mögliche physiologische Begründung dafür, warum Trinkwasser, das ja auch übers Blut die Körperorgane erreicht, bei Reptilien Feuchtigkeitsverluste nur schwer ausgleichen kann und warum manche Reptilien sogar in eine Mangelsituation geraten können, wenn sie aufgrund zu trockener Haltungsbedingungen einmal zu viel Wasser verloren haben. Bei Austrocknung wird das Blut hyperton und die Erythrozyten schrumpfen, aber wie hier gezeigt können Reptilien im Gegensatz zu Säugetieren und Vögeln die Schrumpfung nicht regenerieren, auch dann nicht, wenn wieder genug Wasser da ist. Zumindest die Roten Blutzellen können es kaum, was bedeutet, sie bleiben geschrumpft und ihre Funktion bleibt beeinträchtigt, dass heißt aber auch, dass das betroffene Reptil, wenn es wieder voll funktionsfähige Erythrozyten haben will, die alten geschrumpften in Milz und Leber abbauen muss und neue in Leber und Knochenmark bilden muss. Zudem geschrumpfte Erythrozyten platzen sowieso bei der Milzpassage, so dass dem ursprünglichen Wasserverlust zumindest vorübergehend ein Verlust an roten Blutzellen folgt. Können Sie sich vorstellen, wie viel Eiweiß notwendig ist, eine komplette Neusynthese an roten Blutzellen zu machen, wobei Sie ja sehr wahrscheinlich proteinarm weiterfüttern. Klar, ein Großteil der Proteine aus den alten Blutzellen würden in der Leber recycelt, aber wo kommen die anderen her, denn alle lassen sich nicht mehr nutzen? Ich denke, die Tiere haben kaum eine andere Wahl, als sich die fehlenden Proteine zumindest kurz- und mittelfristig aus anderen Geweben (Bindegewebe) zu holen, wenn sie nicht auf lange Sicht auf eine normale Funktion ihrer Erythrozyten verzichten wollen und mit permanent verschlechterter Sauerstoffversorgung weiterleben wollen. Aber so weit lassen sie es meistens ja nicht kommen und ziehen bevor ihre Erythrozytenfunktion beeinträchtigt wird, erst einmal möglichst viel Wasser aus den nicht unmittelbar überlebenswichtigen Organen ab, so dass Extreme, die auch die Blutzellen betreffen, eher selten sind. Dabei ist es nicht überraschend, dass der Carapax betroffen ist, denn nach neueren Befunden dient er sogar als Flüssigkeitsspeicher (Wyneken et al. (2008): Biology of Turtles, Boca Raton 2008, S. 389). Auch sicherlich mit einer der Gründe dafür, dass optimal hydrierte Schildkröten höhere Temperaturmaxima tolerieren können als dehydrierte (Plummer et al. (2003)). Sicher, es bleibt unklar, ob es bei allen Schildkröten so ist, denn die obige Arbeit hat nur eine Sumpfschildkrötenart untersucht, aber da das Phänomen wohl alle Reptilienstammbäume mehr oder weniger stark betrifft, würde ich mal davon ausgehen, dass auch unsere Landschildkröten dieses Problem haben. In diesem Sinne auch ruhig mal was Kompliziertes lesen und in Ruhe darüber nachdenken. Ob Sie nun durch lesen oder durch eigene Beobachtung zu den richtigen Erkenntnissen gelangen, tut der Sache keinen Abbruch, Hauptsache es hilft den Pfleglingen. Lesen hat nur den Vorteil, dass man in vielen Fällen das Rad nicht immer neu erfinden muss, und es kann einem Sicherheit geben, dass das, was man selbst beobachtet, trotz so manch gegenteiliger Meinung nicht so falsch sein kann, wenn man weiß, dass andere gleiche Erfahrungen gemacht haben. Das sollte man immer im Hinterkopf haben und widersprechen Sie auch ruhig mal ihrem Tierarzt, wenn Ihnen etwas komisch vorkommt, auch Tierärzte können zwangsläufig auf die Schnelle nicht alles wissen und auch so mancher Frau oder manchem Herrn Doktor könnte nämlich nachdenken, beobachten und nachlesen nicht schaden, wenn man sich so manche Äußerungen einmal im Hirn anstatt nur ehrfürchtig und respektvoll im Bauch zergehen lässt.

Literatur

Plummer, M. V., B. K. Wiliams, M. M. Skiver & J. C. Carlyle (2003): Effects of dehydration on the critical thermal maximum of the desert box turtle (Terrapene ornata luteola). – Journal of Herpetology 37(4): 747-750 oder Abstract-Archiv.

Wyneken, J. M. H. Godfrey & V. Bels (2008): Biology of Turtles, Boca Raton 2008, S. 389.