Warner - 2011 - 01

Warner, D. A. & R. Shine (2011): Interactions among thermal parameters determine offspring sex under temperature-dependent sex determination. – Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences 278(1703): 256-265.

Interaktionen zwischen verschiedenen Temperaturparametern bestimmen das Geschlecht der Nachkommen bei der Temperatur-abhängigen Geschlechterfixierung.

DOI: 10.1098/rspb.2010.1040 ➚

Bei vielen Tieren bestimmt die Temperatur der die sich entwickelnden Embryonen ausgesetzt sind deren Geschlecht (Temperatur-abhängige Geschlechterfixierung, TSD). Viele Studien fokussieren sich aber nur auf die Bedeutung der Durchschnittstemperatur und beachten kaum die Bedeutung der natürlicherweise auftretenden Temperaturschwankungen. Bei der Agame (Amphibolurus muricatus), einer australischen Echse mit TSD, zeigen die Daten aus Nestern die im Freiland inkubierten, dass das Geschlechterverhältnis anhand der erfolgten Temperaturschwankungen vorhersagbar ist, nicht jedoch anhand der Durchschnittstemperatur. Um dieses Paradox zu klären inkubierten wir Eier in einem fraktoriellen Experiment mit zwei unterschiedlichen Durchschnittstemperaturen und drei unterschiedlichen Ausmaßen der Temperaturschwankung. Wir zeigen, dass das Geschlecht der Nachkommen durch so genannte kritische thermische Parameter bestimmt wird. Eigenartigerweise verschieben sich diese beiden thermalen Parameter während der Inkubationssaison in entgegengesetzte Richtungen, wobei im Jahreszyklus Saison-bedingte Unterschiede im Geschlechterverhältnis unterdrückt werden. Somit zeigen unsere Ergebnisse, dass TSD zu gleichen Geschlechterverhältnissen führen kann wie die genotypische-Geschlechterfixierung. Diese Ergebnisse werfen wichtige Fragen zum Verständnis der TSD - Reaktionsnormen auf, um Experimente auszuarbeiten die die evolutionäre Bedeutung von TSD adressieren und um Geschlechterverhältnisse unter sich verändernden Klimaszenarios vorhersagen zu können.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Warum wieder ein Abstract zur TSD bei Echsen (siehe auch Du & Shine, 2010)? Nun wie die Autoren selbst ausführen sind solche Daten für den Artenschutz im Hinblick auf eine globale Erderwärmung von Bedeutung und somit trifft dies auch für Schildkröten zu, denn mit Ausnahme von etwa 18 bekannten Arten zeigen alle TSD. Die Bedeutung dieses Sachverhalts ist also auch für den Schildkrötenschutz nicht zu vernachlässigen. Für mich ist dabei interessant und beruhigend zu gleich zu erkennen welche Möglichkeiten im Bezug zur thermischen Umweltanpassung TSD liefern kann. Es ist ja nun keine neue Erkenntnis, dass es auf eine kritische Temperatur (Scheitelpunkt oder Pivotaltemperatur) zu einer ganz bestimmten embryonalen Entwicklungsphase ankommt die für die Geschlechtsfestlegung entscheidend ist. Letzteres lässt sich ja auch für Schildkrötenhalter aus der von mir mal so genannten (von Frau Eggenschwiler im Internet erstmals beschriebenen) „Eggenschwilerkurve“ zur Erbrütung von Griechischen Landschildkrötenweibchen ohne Carapaxdeformationen erkennen. Allerdings lässt diese Studie vermuten, dass sich für ein und dieselbe Art, ja sogar Lokalpopulation diese Pivotaltemperatur mit der Jahreszeit zu der die Eier abgelegt werden oder inkubieren verändert und dass es nicht nur auf die Pivotaltemperatur allein, sondern auch auf das Ausmaß der zu dieser Zeit vorherrschenden Temperaturschwankungen ankommt. Für die Zucht und artifizielle Inkubation von Eiern mag das außer für echte Nachzuchtprogramme mit Wiederansiedlungspotential von geringerer Bedeutung sein, aber die Erkenntnis, dass diese jahreszeitlichen Anpassungen in Sinne von Veränderung möglich zu sein scheinen stimmt hoffnungsvoll und deutet an, dass die einzelnen Spezies doch Mechanismen haben sich auch den Klimaveränderungen anzupassen. Vielleicht ist dies einer der Gründe, warum Reptilien solange überlebt haben und auch Schildkröten dürften in den vergangenen 225 Millionen Jahren ihrer fossil nachgewiesenen Existenz etliche Warm und Kaltzeiten überstanden haben. Sicher gibt es in solchen Phasen geographische Populationsverschiebungen mit Reliktrefugien (siehe Fritz et al. (2009); Sommer et al.(2009)) und Wiederbesiedlungsphasen, aber einige scheinen sich in begrenztem Umfang vor Ort anpassen zu können. Wie weit diese Anpassungen gehen gilt es zukünftig genauer zu untersuchen.

Literatur

Du, W. G. & R. Shine (2010): Why do the eggs of lizards (Bassiana duperreyi: Scincidae) hatch sooner if incubated at fluctuating rather than constant temperatures?. – Biological Journal of the Linnean Society 101(3): 642-650 oder Abstract-Archiv.

Fritz, U., D. Ayaz, A. K. Hundsdoerfer, T. Kotenko, D. Guicking, M. Wink, C. V. Tok, K. Cicek & J. Buschbom (2009): Mitochondrial diversity of European pond turtles (Emys orbicularis) in Anatolia and the Ponto-Caspian Region: Multiple old refuges, hotspot of extant diversification and critically endangered endemics. – Organisms Diversity & Evolution 9(2): 100-114 oder Abstract-Archiv.

Sommer, R. S., C. Lindqvist, A. Persson, H. Bringsoe, A. G. J. Rhodin, N. Schneeweiss, P. Široký, L. Bachmann & U. Fritz (2009): Unexpected early extinction of the European pond turtle (Emys orbicularis) in Sweden and climatic impact on its Holocene range. – Molecular Ecology 18(6): 1252-1262 oder Abstract-Archiv