Chinesische Dreikielschildkröte, Mauremys reevesii, Einjähriges Jungtier im Aquaterrarium – © Hans-Jürgen Bidmon

Suzuki - 2014 - 01

Suzuki, D., T. Yabe & T. Hikida (2014): Hybridization between Mauremys japonica and Mauremys reevesii Inferred by Nuclear and Mitochondrial DNA Analyses. – Journal of Herpetology 48(4): 445-454.

Hybridisierung zwischen Mauremys japonica und Mauremys reevesii aufgeklärt anhand von nukleärer und mitochondrialer DNS-Analyse.

DOI: 10.1670/11-320 ➚

Die Japanische Sumpfschildkröte, Mauremys japonica und die Chinesische Dreikielschildkröte, Mauremys reevesii, sind häufig vorkommende aquatische, geoemydide Schildkrötenarten in Japan. Erstere ist endemisch auf Japan, wohingegen letztere in Südostasien in China, Korea, Taiwan und Japan weit verbreitet ist. Obwohl die japanischen Populationen von M. reevesii gewöhnlich als einheimisch angesehen werden, geht man doch davon aus, dass die japanischen M. reevesii sich aus mehreren artifiziellen Einfuhren aus unterschiedlichen asiatischen Regionen etabliert haben. Vermutete Hybridindividuen, die intermediäre morphologische Merkmale aufweisen, wurden in freier Wildbahn beobachtet. Zudem haben sich in Gefangenschaft gehaltene Hybriden vermehrt, und die Nachkommen entwickelten sich zur Geschlechtsreife. Um nun das Ausmaß an Hybridisierungen zwischen beiden Arten zu klären, untersuchten wir genomische, nukleäre und mitochondriale DNS-Marker der vermuteten Hybriden, die wir im Freiland gesammelt hatten. Wir stellten fest, dass die meisten der untersuchten Exemplare nukleäre DNS aus beiden Spezies besaßen. Zudem stammten etliche der Individuen von Muttertieren ab, die selbst schon Hybriden waren, was zeigt, dass es in der freien Natur zu Hybriden kommt und dass zumindest die weiblichen Hybriden fertil sind und sich vermehren. Unsere Ergebnisse zeigen einen fortschreitenden Prozess der Introgression von eingeführeten M. reevesii Allelen in den Genpool der einheimischen Populationen von M. japonica.

Chinesische Dreikielschildkröte, Mauremys reevesii, – © Hans-Jürgen Bidmon
Chinesische Dreikielschildkröte,
Mauremys reevesii,
einjähriges Jungtier im Aquaterrarium
© Hans-Jürgen Bidmon

Kommentar von H.-J. Bidmon

Auch hier wieder ein schönes Beispiel, wie sich zwei angebliche Schildkrötenspezies wieder zu einer „Hybrid“-Art vereinigen. Für die Insel Kyushu geht man davon aus, dass M. reevesii schon vor etwa 200 Jahren eingeschleppt wurde, also in einer Zeit, in der man über die Konsequenzen nicht nachdachte. Dennoch, wenn wir es einmal neutral betrachten, war hier der Mensch für die Schildkröten ein Umweltfaktor, der dazu führte, dass sich zwei seit vielleicht Jahrtausenden oder Jahrmillionen getrennte Evolutionslinien wieder vereinen konnten und ihren Genfluss steigern konnten. Nach der etwas älteren Artdefinition von Mayr (1963) handelt es sich dabei auch gar nicht um Arten, sondern bestenfalls um Unterarten, gerade weil sie diese Form des Fortpflanzungspotential noch zeigen. Letztendlich sollten wir aber erkennen, dass hier der Mensch vor 200 Jahren nichts anderes gemacht hat, als es ca. 199.000 Jahre zuvor ein schweres El Nino Ereignis auf zumindest einer Galapagosinsel auch verursacht hat (siehe Garrick et al. 2014, Hennessy 2015). Letztendlich ergeben sich solche Szenarien auch mit den sich wiederholenden klimatischen Veränderungen, die dazu führen, dass sich bei Erwärmung Arten nach Norden hin ausbreiten und bei Abkühlung in Rückzugsrefugien zurückziehen, und auch dabei können sich vorher getrennte „angebliche“ Arten wieder vereinen. Bei der Vielzahl von solchen Beobachtungen sollten wir eigentlich erkennen, dass das Phänomen von „Fission and Fusion (Teilung und Verbindung)“ eben zumindest für Schildkröten nicht nur – wie von Emerson & Faria (2014) postuliert & auf Inseln zutrifft, nein, sondern zumindest im Fall von Schildkröten sogar als allgemeingültig und global angesehen werden muss (siehe die angefügte Literatur). Wir sollten uns dabei aber durchaus fragen, welchen Vorteil dieses Phänomen für die Evolution und den Fortbestand der Schildkröten hatte und wahrscheinlich auch noch hat? Denn letztendlich ist das eine Fähigkeit, die in der ganz frühen Evolution von Lebewesen schon eine bedeutende Rolle gespielt hat (siehe Bidmon 2015). Diesbezüglich bin ich auch gespannt, welche Folgen hier der neue Nicaragua-Kanal verursachen wird. Hier wurde zwar schon oft vor den ökologischen Folgen für die Anrainerregionen an Land gewarnt, aber letztendlich wird in dieser Dimension die Trennung zwischen Atlantik und Pazifik in einer Klimazone aufgehoben, in der auch sich durchaus wärmeliebende Evolutionslinien aus beiden ozeanischen Becken wiederbegegnen können und wohl auch werden, die vielleicht seit dem Zerfall von Gondwanaland getrennt verlaufen sind. Dabei dürften die Folgen für Schildkröten wohl kaum zu größeren Problemen führen, denn wie schon bei Vinke & Vinke (2004) gelistet, können ja selbst die Landschildkröten wie die madagassische Strahlenschildkröte und die südamerikanische Köhlerschildkröte hybridisieren und auch deren Evolutionslinien hatten sich zu dieser Zeit getrennt. Ich sage nicht, dass wir dafür sorgen sollten, dass sich Schildkrötenspezies vermischen, aber wir sollten uns fragen und eventuell entsprechende Forschungsansätze initiieren, die uns zeigen, welche Auswirkungen es für die Langzeitüberlebensfähigkeit dieser Tiergruppe haben könnte, wenn wir es unter diesen von uns herbeigeführten Umweltveränderungen immer nur aktiv zu unterdrücken versuchen. Letztendlich brauchen wir nur die Frage beantworten: War oder ist Introgression immer nur negativ zu beurteilen? Ich denke nicht, denn nach allem, was wir über uns selbst in jüngster Zeit lernen mussten, müssten wir uns dann wohl auch unter dieser negativen Beurteilung wiederfinden (siehe Bidmon 2015). Siehe z. B. auch Karl et al. (1995), Galgon & Fritz (2002), Buskirk et al. (2005), Shi et al. (2004), Godwin et al. (2014), Parham et al. 2013; Proietti et al. (2014) und weitere im Abstract-Archiv.

Literatur

Bidmon, H.-J. (2015): Kommentar zu: Hennessy, E. (2015): The Molecular Turn in Conservation: Genetics, Pristine Nature, and the Rediscovery of an Extinct Species of Galapagos Giant Tortoise. – Annals of the Association of American Geographers 105(1): 87-104 oder Abstract-Archiv.

Buskirk, J. R., J. F. Parham & C. R. Feldman (2005): On the hybridization between two distantly related Asian turtles (Testudines: SacaliaMauremys). – Salamandra 41:21-26.

Emerson, B. C. & C. M. A. Faria (2014): Fission and fusion in island taxa – serendipity, or something to be expected? – Molecular Ecology 23(21): 5132-5134 oder Abstract-Archiv.

Farias, I. P, A. Jerozolimski, A. Melo, V. M. das Neves, M. Martins & L. A. dos Santos Monjeló (2007): Population genetics of the Amazonian tortoises, Chelonoidis denticulata and C. carbonaria, (Cryptodira: Testudinidae) in an area of sympatry. – Amphibia-Reptilia 28(3): 357-365 oder Abstract-Archiv.

Galgon, F. & U. Fritz (2002): Captive bred hybrid between Chinemys reevesii (Gray, 1931) and Cuora amboinensis kamaroma Rummler & Fritz, 1991. – Herpetozoa 15: 137-148.

Garrick, R. C., E. Benavides, M. A. Russello, C. Hyseni, D. L. Edwards, J. P. Gibbs, W. Tapia, C. Ciofi & A. Caccone (2014): Lineage fusion in Galápagos giant tortoises. – Molecular Ecology 23(21): 5276-5290 oder Abstract-Archiv.

Godwin, J. C., J. E. Lovich, J. R. Ennen, B. R. Kreiser, B. Folt & C. Lechowicz (2014): Hybridization of Two Megacephalic Map Turtles (Testudines: Emydidae: Graptemys) in the Choctawhatchee River Drainage of Alabama and Florida. – Copeia 2014(4): 725-742 oder Abstract-Archiv.

Hennessy, E. (2015): The Molecular Turn in Conservation: Genetics, Pristine Nature, and the Rediscovery of an Extinct Species of Galapagos Giant Tortoise. – Annals of the Association of American Geographers 105(1): 87-104 oder Abstract-Archiv.

Karl, S. A., B. W. Bowen & J. C. Avise (1995): Hybridization among the ancient mariners: identification and characterization of marine turtle hybrids with molecular genetic assays. – Journal of Heredity 86: 262-268; DOI: 10.1093/oxfordjournals.jhered.a111579 ➚.

Mayr, E. (1963): Animal species and evolution. – Belknap Press, Harvard University Press, Cambridge.

Parham, J. F., T. J. Papenfuss, P. P. van Dijk, B. S. Wilson, C. Marte, L. R. Schettino & W. Brian Simison (2013): Genetic introgression and hybridization in Antillean freshwater turtles (Trachemys) revealed by coalescent analyses of mitochondrial and cloned nuclear markers. – Molecular Phylogenetics and Evolution 67(1): 176-187 oder Abstract-Archiv.

Proietti, M. C., J. Reisser, L. F. Marins, M. A. Marcovaldi, L. S. Soares, D. S. Monteiro, S. Wijeratne, C. Pattiaratchi & E. R. Secchi (2014): Hawksbill × loggerhead sea turtle hybrids at Bahia, Brazil: where do their offspring go? – PeerJ 2: e255 oder Abstract-Archiv.

Shi, H., J. F. Parham, W. B. Simison, J. Wang, S. Gong & B. Fu (2005): A report on the hybridization between two species of threatened Asian box turtles (Testudines: Cuora) in the wild on Hainan Island (China) with comments on the origin of „serrata“-like turtles. Amphibia-Reptilia 26: 377-381.

Vinke, T. & S. Vinke (2004): Vermehrung von Landschildkröten: Grundlagen, Anleitungen und Erfahrungen zur erfolgreichen Zucht. – Offenbach (Herpeton Verlag Elke Köhler), 189 S.

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