Bellinger-Schnappschildkröte, Myuchelys georgesi, – © Shane Ruming

Spencer - 2018 - 01

Spencer, R.-J., J. Van Dyke, K. Petrov, B. Ferronato, F. McDougall, M. Austin, C. Keitel & A. Georges (2018): Profiling a possible rapid extinction event in a long-lived species. – Biological Conservation 221: 190-197.

Die Aufzeichnung eines möglichen schnellen Aussterbeverlaufs für eine langlebige Spezies.

DOI: 10.1016/j.biocon.2018.03.009 ➚

Bellinger-Schnappschildkröte, Myuchelys georgesi, – © Shane Ruming
Bellinger-Schnappschildkröte,
Myuchelys georgesi,
© Shane Ruming

Infektionskrankheiten können zum Aussterben von Spezies führen oder sie bedrohen. Das Aussterben ist dann möglich, wenn der Krankheitserreger aus evolutionärer Sicht neu ist oder wenn er ein alternatives Reservoir benutzt oder wenn die Wirtsart vor dem Ausbruch der Erkrankung nur noch aus einer kleinen Population besteht. Hier fokussieren wir uns auf solch einen Fall, bei der eine bislang mysteriöse Erkrankung fast die ganze nur noch in einem begrenzten Lebensraum vorkommende Bellinger-Flussschnappschildkröte (Myuchelys georgesi) im nordöstlichen NSW, Australien in weniger als einem Monat an den Rand der Ausrottung brachte. Diese Erkrankung befiel keine der dort lebenden anderen Schildkrötenarten und verschonte bislang auch die Jungtiere der M. georgesi-Population. Die Ursache für diese Erkrankung ist bislang völlig unbekannt und es könnte sich dabei um einen neuen Virustyp handeln. Ebenso ist bislang völlig unklar ob sich die Population ohne oder auch mit menschlicher Unterstützung wieder erholen kann. Hier liefern wir eine Übersicht zur Biologie von M. georgesi und untersuchen die Epidemiologie dieser Erkrankung. Wir deuten an welche Beweise es im Umfeld gibt die eine potentielle Rolle bei den kürzlich erfolgten Umweltveränderungen führten die dazu beigetragen haben könnten, dass M. georgesi gegenüber infektiösen Erregern anfällig wurde. Wir zeigen, dass es zu einer länger anhaltenden Erwärmung gekommen ist die zu einem lokalen Austrocknen führte was die Wasserspiegel im Lebensraum und im Fluss sinken ließ und die ebenso die Anzahl der früher üblichen Überschwemmungen reduzierte. Ebenso liefern wir Beweise dafür, dass eventuell auch Nahrungsgefüge unterbrochen wurden was möglicherweise zu Unterernährung und damit verbunden zu einer Schwächung des Immunsystems bei subadulten und adulten Schildkröten gekommen ist. Unsere derzeitige Hypothese geht davon aus, dass diese Faktoren dazu beitrugen die Ausbreitung und Infektionsübertragung eines ansteckenden und neuen aber bis jetzt nicht identifizierten Pathogens förderten was bei allen zukünftigen Arterholungsprogrammen mit zu berücksichtigen ist. Die Identifizierung des Krankheitserregers ist unabdingbar für das zukünftige Management zur Erhaltung der Art. Allerdings müssen wir auch verstehen lernen was diese Art derart anfällig für die Infektion machte, weil dieses Wissen die gleiche Bedeutung in Bezug auf die Arterhaltung und die Planung von Populationserholungsmaßnahmen hat um diese Art tatsächlich vor der völligen Ausrottung zu bewahren.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Eines scheint hier klar zu sein, denn wenn nur die adulten beziehungsweise die fast ausgewachsenen subadulten betroffen sind und die Jugendstadien nicht, kann es sich entweder nur um eine sexuell übertragbare Infektionserkrankung handeln die gerade während der Paarungszeit zu drastischen Krankheitsausbrüchen führen kann oder es handelt sich um eine Vergiftung mit nachfolgender Infektion über einen Nahrungsbestandteil der so groß ist, dass er nur von adulten oder fast adulten Exemplaren dieser Schildkrötenart gefressen oder attackiert werden kann. Auch die Berichte über die Austrocknung könnten eventuell damit in Zusammenhang stehen, denn es würde mich nicht wundern wenn daran auch das Einwandern der Agakröte in diese Lebensräume schuld sein könnte, denn Austrockung und sinkende Wasserspiegel könnten durchaus dazu führen, dass sich die Kröten in höher Populationsdichte in solchen Gewässern zum laichen ansammeln und selbst dann wenn sie aufgrund ihres Gifts nicht gefressen werden könnten sie bei einem Fressversuch zu Schädigungen an der Rachen- oder Zungenschleimhaut führen die Sekundärinfektionen nach sich ziehen können. Die in der Publikation gezeigten Bilder und die zitierten unpublizierten Untersuchungen sprechen zwar von einem mysteriösen Virus der noch keiner der bekannten Schildkrötenviren zugeordnet werden konnte, aber die dort angeführten bislang nicht publizierten Befunde sind doch auch noch sehr lückenhaft und so wurde nur das Wasser selbst auf Giftstoffe und Schadstoffe untersucht. Letztere hätten aber sicher alle Schildkrötenstadien und Arten betroffen und nicht ausschließlich eine bestimmte Größenkasse einer Art. Deshalb denke ich, dass es sich durchaus lohnen würde mal das Nahrungsspektrum und dabei insbesondere die Nahrungskomponenten die nur von fast adulten Exemplaren gefressen werden können zu untersuchen. Was ich an der Arbeit auch interessant finde sind die modellhaften Kalkulationen für das mögliche Überleben der Art die zumindest davon ausgehen, dass es mindestens 100 Jahre dauern würde bis sich diese Spezies wieder auf das Maß einer überlebensfähigen Population erholt haben dürfte und das auch nur wenn nicht noch ein solches Erkrankungsereignis während dieser Erholungsperiode auftritt, denn wenn dies doch der Fall sein sollte sagen die Berechnungen das Aussterben der Art mit einer 97 %igen Wahrscheinlichkeit voraus.

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