Oliv-Bastardschildkröte, Lepidochelys olivacea, – © Sando L. Bonatto

Pusapati - 2021 - 01

Pusapati, C., M. Manoharakrishnan, A. D. Phillott & K. Shanker (2021): Effect of Hatchery Nest Environment on Olive Ridley (Lepidochelys olivacea) Hatchling Performance. – Chelonian Conservation and Biology 20(1): 60-70.

Die Auswirkungen der Nestumgebung in artifiziellen Inkubationszentren für Olive Bastardschildkröten (Lepidochelys olivacea) auf deren Aktivitätseigenschaften.

DOI: 10.2744/CCB-1450.1 ➚

Oliv-Bastardschildkröte, Lepidochelys olivacea, – © Bipro Behera
Oliv-Bastardschildkröte,
Lepidochelys olivacea,
ein weibliches Exemplar
© Bipro Behera

Die Umweltbedingungen des Nistplatzes spielen eine wichtige Rolle da sie den Phänotyp von Meeresschildkrötenschlüpflingen mitprägen. Global ansteigende Umwelttemperaturen könnten daher potentiell gefährliche Veränderungen verursachen, die sich auf die Schlüpflingsgröße und deren Aktivitätsmuster auswirken und die sich letztendlich auf deren Integrationsfähigkeit in eine bestehende adulte Population auswirken. Die Massennistplätze für Olive Bastardschildkröten in Odisha an der Ostküste von Indien sind die weltweit größten und die einzigen die sich außerhalb der zentralamerikanischen Küsten befinden. Viele der an der Ostküste von Indien abgelegten Nester werden als Teil eines Managementprogramms zu Brutstationen umgesiedelt. Deshalb ist es unumgänglich ein Verständnis dafür zu gewinnen wie sich die Temperatur auf die in den Brutstationen zum Schlupf gebrachten Schlüpflinge auswirkt. Ebenso ist es wesentlich die lokalspezifischen Faktoren zu ermitteln, um damit ein adäquates dem Klimawandel gegenüber widerstandsfähiges Brutstationsmanagement zu implementieren. Diese Studie untersuchte deshalb die Auswirkungen der Inkubationstemperaturen auf die Morphologie und die motorischen Funktionen der Schlüpflinge die in zwei unterschiedlichen Brutstationen an der indischen Ostküste (in Rushikulya, Odisha, und in Chennai, Tamil Nadu, Indien) zum Schlupf gebracht wurden. Wir untersuchten dabei verschiedene Größenmaße wie Körper-, Bein- und Halslängen und Bewegungsparameter wie Kriechgeschwindigkeit, Umkehrfähigkeit aus Rückenlage, und Umkehrbereitschaft der Schüpflinge über eine Spannbreite an unterschiedlichen Temperaturen. Unsere Daten zeigten, dass die Schlüpflingsgröße sowie deren Fitnesseigenschaften signifikant durch die Nesttemperatur beeinflusst wurden. Höhere Inkubationstemperaturen resultierten in einer geringeren Schlüpflingsgröße die ebenso mit geringeren Fitnesseigenschaften korrelierte. Die Inkubationstemperatur hatte zudem direkte Auswirkungen auf die Fitnessparameter der Schlüpflinge die unabhängig von deren Größe waren. Die Auswirkung der Nesttemperatur auf die Morphologie und Bewegungseigenschaften der Schlüpflinge kann sich auf deren Überlebensfähigkeit und Populationsintegration auswirken und somit die Populationsdynamiken sowie deren Widerstandsfähigkeit (Resilienz) gegenüber dem Klimawandel beeinflussen.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Die Arbeit enthält detaillierte Angaben zu den Testbedingungen und beschreibt die Nestemperaturunterschiede im nördlicher gelegenen Küstenabschnitt von Rushikulya (28,26 °C – 32,83 °C mit einer Inkubationsdauer von etwa 57 Tagen) und dem südlicher gelegenen Chennai (31,25 °C – 34,25 °C mit Inkubationsdauer von etwa 46 Tagen). Was diese Daten aber trotz der temperaturabhängigen Unterschiede bei den Schlüpflingsparametern auch zeigen ist, dass diese Bastardschildkröten, die an beiden Niststandorten ablegen, genetisch zur gleichen Population gehören und insofern weist ja diese Population natürlicherweise ein gewisses Nisttemperaturspektrum auf, welches sicher noch variabler ist, da es wohl auch noch zwischen diesen beiden Nistlokalitäten weitere gibt die eventuell weitere Temperaturunterschiede aufweisen. Insofern kann man wohl auch davon ausgehen, dass es innerhalb dieser Population zu einer umweltbedingten Resilienz kommt, die allein schon von den unterschiedlichen Inkubationsbedingungen entlang des Verlaufs der indischen Ostküste vorgegeben wird und die auch nicht ausschließt, dass sich die Nistplätze auch noch etwas weiter nach Norden verlagern können. Bezüglich der Resilienz dürfte es da für das Langzeitüberleben von Populationen wesentlicher sein in wieweit sich die Niststrände im Küstenverlauf ins derzeitige Landesinnere verlagern könnten, denn mit steigendem Meeresspiegel würde es ja wahrscheinlich dazukommen, dass die heutigen Küstenbereiche die für eine Eiablage genutzt werden unter Wasser liegen würden oder so dicht am Wasser liegen dürften, dass sie wesentlich häufiger überflutet werden als es derzeit der Fall ist. Siehe dazu auch Thomson et al. (2021); Pike et al., (2015) und die dortigen Kommentare. Ebenso ist es interessant, dass die erfolgreiche schnelle Umkehrreaktion aus Rückenlage bei diesen Schildkröten im Wesentlichen von deren Halslänge abhängt, da sie sich damit den Schwung und die erforderliche Abstützung holen wobei auch die Halslänge bei höheren Temperaturen verkürzt war. Leider beschreibt die Arbeit keine Unterschiede für eventuell auch auftretende Schildanomalien.
Insofern wieder ein schönes Beispiel dafür wie Umwelt, Genetik und Epigenetik sowie temperaturabhängiger Stoffwechsel (siehe auch Ripley et al., 2021, Stubbs & Mitchell, 2018) die belebte Materie beeinflussen und damit das Leben auf diesen Planeten und gewiss auch im Universum erhalten solange wir es nicht durch immer perfidere Eingriffe und Schlupflöcher zerstören (siehe Epstein et al., 2021).

Literatur

Epstein, Y., G. Chapron & F. Verheggen (2021): EU Court to rule on banned pesticide use. – Science 373(6552): 290 oder DOI: 10.1126/science.abj9226 ➚.

Pike, D. A., E. A. Roznik & I. Bell (2015): Nest inundation from sea-level rise threatens sea turtle population viability. – Royal Society Open Science 2(7): 150127 oder Abstract-Archiv.

Ripley, D. M., S. De Giorgio, K. Gaffney, L. Thomas & H. A. Shiels (2021): Ocean warming impairs the predator avoidance behaviour of elasmobranch embryos. – Conservation Physiology 9(1): 1-7 oder DOI: 10.1093/conphys/coab045 ➚.

Stubbs, J. L. & N. J. Mitchell (2018): The Influence of Temperature on Embryonic Respiration, Growth, and Sex Determination in a Western Australian Population of Green Turtles (Chelonia mydas). Physiological and Biochemical Zoology 91(6): 1102-1114 oder Abstract-Archiv.

Thomson, R. C., P. Q. Spinks & H. B. Shaffer (2021): A global phylogeny of turtles reveals a burst of climate-associated diversification on continental margins. – Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 118(7): e2012215118 oder Abstract-Archiv.

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