Mittermeier - 2015 - 01

Mittermeier, R. A., P. P. van Dijk, A. G. J. Rhodin & S. D. Nash (2015): Turtle Hotspots: An Analysis of the Occurrence of Tortoises and Freshwater Turtles in Biodiversity Hotspots, High-Biodiversity Wilderness Areas, and Turtle Priority Areas. – Chelonian Conservation and Biology: 14(1): 2-10.

Schildkrötenhotspots: Eine Analyse zum Vorkommen von Land- und Süßwasserschildkröten in „Biodiversitätshotspots“, biodiversitätsreichen, naturbelassenen Arealen und Arealen mit einer Priorität für Schildkröten.

DOI: 10.2744/ccab-14-01-2-10.1 ➚

Wir analysierten den Taxonreichtum und das endemische Vorkommen von Land- und Süßwasserschildkröten in den primären Arealen für den Biodiversitätserhalt weltweit, und für die Länder, die sich durch einen besonderen Schildkrötenreichtum auszeichnen. Die Schildkrötenhotspots schließen generelle Biodiversitätshotspots (BHS) mit ein, ebenso gehören dazu naturbelassene Areale mit hoher Biodiversität (HBWA) und Areale, die besonders wichtig für Schildkröten sind (TPA). Wir präsentieren hier Informationen und Skalenwerte zum Artenreichtum und über das endemische Vorkommen für 16 Schildkrötenhotspots mit höchstem Schildkrötenvorkommen sowie endemischen Vorkommen von Schildkröten. Diese 16 Schildkrötenhotspots beherbergen zusammengenommen 262 Arten (83 % aller bekannten Schildkrötenarten), von denen 149 (47 %) als endemisch für diese Areale gelten, und 134 Spezies (43 %) davon sind als endemisch vorkommend für nur eine der Regionen zu bezeichnen. Bezogen auf den terminalen Taxonstatus (Unterartniveau) beherbergen diese 16 Areale 342 Taxa (79 %), von denen 210 (48 %) als endemisch für die Regionen und 195 (45 %) als endemisch für nur eine Prioritätsregion zu bezeichnen sind. Diese 16 BHS, HBWA und TPA umfassen weniger als 24 Millionen Quadratkilometer oder 16,0 % der Landmasse unseres Planeten Erde, wovon ungefähr noch 10,4 Millionen Quadratkilometer als ursprüngliche Orginalhabitate zu bezeichnen sind, die sich auf vergleichsweise 7,0 % der Erdoberfläche beziffern lassen. Einundzwanzig Länder wurden aufgelistet die 15 oder mehr nicht-marine Schildkröten beherbergen, wobei der Anteil an endemisch vorkommenden Arten zwischen 0-88 % liegt. Zusammengenommen beherbergen diese 21 Länder 275 (87 %) Spezies und 352 (81 %) Taxa, wovon 115 (37 %) der Arten und 175 (40 %) der Taxa als endemisch vorkommend für nur ein Land gelten. Die Identifizierung dieser Prioritätsregionen und Länder für den Artenschutz soll dazu dienen, die Erhaltung von Schildkröten weltweit zu fördern, indem wir uns auf die Regionen konzentrieren, in denen die größte Anzahl an Arten und Taxa zu erhalten sind, und wo die derzeitigen Regierungen und Institutionen hoffentlich diese Zielsetzung ermöglichen.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Eine schöne Zusammenstellung, allerdings frage ich mich warum sich die Situation in etlichen dieser Regionen während der letzten 30 Jahre trotz der Bemühungen kaum verbessert hat? Ja selbst heute gibt es kaum praktikable Langzeitstrategien, um in diesen Regionen und Ländern den Naturerhalt zu stabilisieren und zu verbessern. Es wird in den meisten Fällen vom Gegenteil berichtet. Man kann schon fast sagen (mit Blick auf Südostasien und Madagaskar), dass mit Fortschritten in der Erhaltung bedrohter Arten in menschlicher Obhut selbst vor Ort sich in Bezug auf den Schutz und die Erhaltung der natürlichen Lebensräume kaum etwas verbessert hat, und viele Gebiete auch heute noch durch den Landverbrauch weiter schrumpfen. Sicher mag es logisch klingen, dass Schutzmaßnahmen dort am notwendigsten und effektivsten sein sollten, wo es quantitativ viel Schützenswertes gibt, aber diese Regionen und ihr Schutzstatus ist doch im Wesentlichen weit mehr von den dort vorherrschenden politischen Systemen und Zuständen abhängig, als von dem was sich außenstehende Erhaltungsbiologen so vorstellen. Manchmal frage ich mich wirklich, ob es nicht wirklich effektiver wäre, dort – wo noch intakte Biotope von noch nicht so seltenen Arten vorhanden sind – erhaltungsmäßig zu investieren, als diese Regionen unbeachtet weiteren Gefährdungen auszusetzen, nur weil man Geld dort verbrennt, wo sowieso kaum noch was zu retten ist. Aber wir haben zwei große Probleme: Zum einen, weil wir immer erst zu spät auf irgendetwas aufmerksam werden, und zum zweiten weil wir rein abstrakt unserer menschlichen Sammlernatur entsprechend „selten“ mit „wertvoll“ assoziieren. Ob diese letztere menschliche Eigenschaft der Natur im eigentlichen Sinne entspricht wage ich allerdings zu bezweifeln.

Literatur

Marchetti, M. P. & T. Engstrom (2015): The conservation paradox of endangered and invasive species. – Conservation Biology 30(2): 434-437 oder Abstract-Archiv.