Magnino - 2009 - 01

Magnino, S., P. Colin, E. Dei-Cas, M. Madsen, J. McLauchlin, K. Nöckler, M. Prieto Maradona, E. Tsigarida, E. Vanopdenbosch & C. Van Peteghem (2009): Biological risks associated with consumption of reptile products. – International Journal of Food Microbiology 134(3): 163-175.

Das biologische Risiko, das mit dem Verzehr von Reptilienprodukten einhergeht.

DOI: 10.1016/j.ijfoodmicro.2009.07.001 ➚

Der Konsum einer Vielzahl von in der Wildnis gefangener Reptilienspezies stellte über Millionen von Jahren eine wesentliche Proteinquelle für den Menschen weltweit dar. Schildkröten, Schlangen, Eidechsen, Krokodile und Leguane werden heute schon in Farmen herangezogen, und der Verzehr und Handel mit essbaren Reptilienprodukten hat kürzlich in einigen Regionen der Erde deutlich zugenommen. Das biologische Risiko, welches mit dem Verzehr dieser Produkte aus gefarmtem oder wild gefangenem Reptilienfleisch und deren Eiern resultiert, umfasst Infektionen verursacht durch Bakterien (Salmonella spp., Vibrio spp.), Parasiten (Spirometra, Trichinella, Gnathostoma, Pentastomiden) und Vergiftungen verursacht durch Biotoxine. Für Krokodile stellen Salmonella spp. das wichtigste Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung dar, denn Krokodile sind dafür bekannt, eine hohe Salmonellenbelastung im Darm zu tragen, was bekanntermaßen mit einer gesteigerten Kontaminationsrate des frischen und gefrorenen Fleisches einhergeht. Obwohl es bislang kaum Informationen über das Vorkommen von Salmonellen in essbaren, von anderen Reptilien stammenden Produkten gibt, so ist doch bekannt, dass sie als Haustiere (Echsen, Schildkröten) häufiger Träger dieser Bakterien in Europa sind. Parasitische Protozoen der Reptilien spielen aber eher eine vernachlässigbare Rolle in Bezug auf die öffentliche Gesundheit. Anders sieht es für parasitische Metazoen aus wie Trichinellose, Pentastomiasis, Gnathostomiasis und Sparganose, die durch den Konsum von kontaminiertem Fleisch von Krokodilen, Waranen, Schildkröten und Schlangen aufgenommen werden können. Andere Reptilien für die auch bekannt ist, dass sie diese Parasiten beherbergen, sind aber nicht dafür bekannt, sie auf den Menschen zu übertragen. Das Einfrieren inaktiviert Spirometra und Trichinella im Fleisch von Krokodilen, allerdings ist bislang die Effektivität dieser Vorgehensweise für Parasiten aus anderen Reptilien unbekannt. Biotoxine (Gifte) akkumulieren häufig im Fleisch von Meeresschildkröten und sind bekannt für das Phänomen der Chelonitoxikose einer Art von Nahrungsmittelvergiftung, die mit einer hohen Mortalitätsrate bei den betroffenen Personen einhergeht. Infektionen mit Pilzen einschließlich der Hefen und mit Viren sind bei Reptilien weit verbreitet, stehen aber bislang nicht in Verdacht ein für den Menschen erhöhtes Gesundheitsrisiko über die Fleischkontamination darzustellen. Derzeit gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass Reptilien Träger von auf den Menschen übertragbaren Spongiformen-Enzephalopathien (BSE, Creutzfeld-Jakob, etc.) sind. Allerdings birgt das Füttern der gefarmten Reptilien mit nicht entsprechend vorbehandelten, recycelten Tierabfällen das Risiko, dass auch hier die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten noch unbekannter biologischer Gefahren ansteigt, die mit dem Verzehr von Reptilienfleisch einhergehen. Die Anwendung international anerkannter Hygiene- und Verarbeitungsstandards wie GHP, GMP und HACCP in den Farmen und bei der Schlachtung sowie der Verarbeitung wäre essentiell, um eine Kontrolle über diese Gefährdungen zu gewährleisten.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Nun wie im einleitenden Satz erwähnt hat die Menschheit einschließlich unserer Vorfahren und auch einiger Bevölkerungsgruppen der Gegenwart dieses Risiko immer getragen und die Menschheit ist weder in Europa noch auf den anderen Erdteilen ausgestorben. Bislang waren es wohl eher nord- und südpolare Kälte, die die Besiedlung durch den Menschen einschränkte, nicht aber die Nutzung von Reptilienprodukten. Letztere sind eher dafür bekannt, auch die Besiedlung sonst arider und karger Lebensräume durch den Menschen ermöglicht zu haben. Allerdings, und da muss man den Autoren recht geben, birgt die unnatürliche Fütterung gefarmter Tiere mit Schlachtabfällen natürlich ein ähnliches Risiko für das Auftreten neuartiger Erreger, wie wir dies im Fall von BSE bei Rindern kennen. Sicher, nach heutigen westlichen Gesundheitsstandards ist jede Bedrohung der Volksgesundheit ein Risiko zu viel, und man sollte sich schon der bekannten Hygienestandards bedienen, um das Risiko der Übertragung von Krankheitserregern zu minimieren, oder zumindest auf dem Niveau wie es für die Geflügelhaltung und Verarbeitung toleriert wird zu beschränken. Insofern kann man eigentlich, was die Ernährung anbetrifft, nur darauf verweisen, dass wir mittlerweile andere Möglichkeiten haben, unseren Proteinbedarf zu decken, so dass der Verzehr von Reptilien jeglicher Art nicht sein müsste. Allerdings gibt es auch trotz der so genannten Entwicklungshilfe noch genug Gebiete dieser Erde, wo der Mensch auf die Nutzung jeder sich bietenden Proteinquelle dringend angewiesen ist, und die traditionelle Nutzung solcher Proteinquellen durch unsere Vorfahren bringt es auch vielerorts mit sich, dass man sich trotz anderer Möglichkeiten auf diese traditionelle Art der Proteinversorgung zurück besinnt und sie aus Tradition weiter nutzt. Die Frage bleibt, ob essbare Reptilienprodukte auch Vorteile haben, die durch die Nutzung anderer tierischer Produkte nicht zu bekommen sind, oder unter welchen ökologischen Lebensbedingen könnte die Nutzung von Reptilienprodukten wirkliche Vorteile gegenüber dem Verzehr anderer Produkte haben?