Keenan - 2015 - 01

Keenan, S. W., C. A. Hill, C. Kandoth, L. T. Buck & D. E. Warren (2015): Transcriptomic Responses of the Heart and Brain to Anoxia in the Western Painted Turtle. – PLoS ONE 10(7): e0131669.

Reaktionen des Transkriptoms von Herz und Gehirn unter Sauerstoffmangel bei der Westlichen Zierschildkröte.

DOI: 10.1371/journal.pone.0131669 ➚

Zierschildkröten gehören zu jenen Tetrapoden (vierfüßigen Tieren) die gegenüber Sauerstoffmangel die höchste Toleranz aufweisen. Sie können bei einer Temperatur von +3 °C für 4 Monate ohne Sauerstoff überleben und bei +20 °C immerhin noch für 30 Stunden. Um zu untersuchen, welche Anpassungen des Transkriptoms dabei auftreten, untersuchten wir mit der RNS-seq Technik die quantitative mRNS-Expression im Herz und im Gehirn von Zierschildkröten nach 24 Stunden Sauerstoffmangel bei +19 °C. Insgesamt wurde die Expression von 22.174 unterschiedlichen Genen festgestellt, wovon 13.236 für beide Organe mit statistischen Methoden vergleichend ausgewertet wurden. Die Gesamt-RNS-Menge sank im Gehirn um 16 % und im Herz um 53 % ab. Im Telenzephalon (Großhirn) kam es bei 19 Genen und im Herz bei 23 Genen zu einer um den Faktor 2 erhöhten Expression, während nur 4 Gene ausschließlich im Herz eine um den Faktor 0,5 erniedrigte Expression zeigten. Wenn man einen Vergleich der Genexpressionsmuster für Herz und Gehirn von Schildkröten unter Sauerstoffmangel und bei normaler Sauerstoffversorgung anstellte zeigte sich, dass in beiden Geweben 31 Gene eine erhöhte (Faktor 2) Expression und 2 eine um den Faktor 0,5 erniedrigte Expression bei Sauerstoffmangel zeigten. Die meisten der Gene die ihre Expression veränderten gehörten zu den so genannten schnell-reagierenden Genen (Early genes) und Transkriptionsfaktorgenen die das Zellwachstum regulieren, so dass man davon ausgehen kann, dass sie dazu beitragen die Entwicklung und das Zellwachstum sowie den Stoffwechsel herunter zu regulieren. Es kam zu keiner Veränderung bei den Genexpressionsmustern von Genen die Ionenkanäle, die synaptische Übertragung (zwischen Nervenzellen) oder die Schlagkraft des Herzens oder dessen Erregung und Zellkopplung beeinflussen. Das generelle Expressionsmuster im Gehirn und für die anderen Gewebe mit Ausnahme des Herzens korrelierte mit einem vorhergesagten metabolischen Energieverbrauch durch die Transkription, wobei die kürzesten Gene und solche mit den wenigsten Exonen die höchsten Expressionsanstiege zeigten.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Auch hier wieder eine Arbeit die zeigt, dass bei Schildkröten unter Sauerstoffmangel solch lebenswichtige Organe wie Herz und Hirn besonders geschützt werden und dass es dabei sogar – obwohl die mRNS-Expression insgesamt sinkt – bei bestimmten Genen zu einer erhöhten Expressionsleistung kommt. Zudem zeigt auch die normal unveränderte Expression solcher Gene die die Übertragung von Signalen zwischen den Nervenzellen im Gehirn und im Herz steuern, dass diese lebenswichtigen Funktionen aufrechterhalten werden. Wenn wir dabei nur mal auf das Gehirn schauen sollte auch klar werden, dass damit eben sichergestellt wird, dass die Tiere in der Lage sind nach langer Überwinterung im sauerstoffarmen Schlamm und Schlick zugefrorener Gewässer oder in den eingefrorenen Nestern zu überleben und nachdem Erwärmen im Frühjahr zeitgerecht aus dieser Schlammzone an die Ufer und Oberfläche zu klettern. Denn das ist nötig, um die Phase des Sauerstoffmangels aktiv zu beenden, weil es ansonsten sehr lange dauern dürfte bis sich am Grunde der Gewässer wärmere Temperaturen einstellen würden oder gar der Sauerstoffgehalt zunehmen würde. Zumindest weiß jeder, dass die Tiere schon viel früher und kurz nach der Eisschmelze am Ufer erste Sonnenbäder nehmen und wieder frischen Sauerstoff tanken (siehe dazu auch Ultsch 2006). Letzteres verweist aber auch wieder indirekt darauf, dass solche physiologischen Anpassungen an Sauerstoffmangel auch bei den Geweben in den Embryonen in den in den Eileitern ruhenden Eiern auftreten, die aktiv dafür sorgen, dass deren sich entwickelndes Gehirn und andere Organe aktiv und überlebensfähig gehalten werden können (siehe Rings et al. 2015, Storey 2007), so dass das auch dafür spricht, dass solche Embryonen das Erdmagnetfeld, in dem sich die Muttertiere aufhalten, wahrnehmen können (Bidmon 2015).

Literatur

Bidmon, H.-J. (2015): Eine neue Hypothese zur Nutzung der Geomagnetfeldorientierung von terrestrischen Schlüpflingen und die Frage: Zwingt diese zum Umdenken bei „Headstart-Programmen“ für Sumpf- und Wasserschildkröten? – Schildkröten im Fokus 12 (4) 2015 ➚.

Rings, C. C., A. R. Rafferty, M. L. Guinea & P. D. Reina (2015): The impact of extended preovipositional arrest on embryonic development and hatchling fitness in the flatback sea turtle. – Physiological and Biochemical Zoology 88(2): 116-127 oder Abstract-Archiv.

Storey, K. B. (2007): Anoxia tolerance in turtles: metabolic regulation and gene expression. – Comparative Biochemistry and Physiology. Part A Molecular and Integrative Physiology 147(2): 263-276.

Ultsch, G. R. (2006): The ecology of overwintering among turtles: where turtles overwinter and its consequences. – Biological Reviews of the Cambridge Philosophical Society 2006 E-pub online. 81(3): 339-367 oder Abstract-Archiv.