Floreana-Riesenschildkröte, Chelonoidis niger, Zuchtweibchen Z7. Bei diesem Weibchen handelt es sich um eine Hybride mit hohem C. niger Anteil, welches zur Nachzucht von C. niger eingesetzt wird. – © Washington Tapia

Gray - 2022 - 01

Gray, R., N. Fusco, J. M. Miller, W. Tapia, C. Mariani, A. Caccone & E. L. Jensen (2022): Temporal Monitoring of the Floreana Island Galapagos Giant Tortoise Captive Breeding Program. – Integrative and Comparative Biology: icac129.

Die temporäre Überprüfung des Zuchtprogramms für die Riesenschildkröten der Galápagosinsel Florena in menschlicher Obhut.

DOI: 10.1093/icb/icac129 ➚

Floreana-Riesenschildkröte, Chelonoidis niger, – © Washington Tapia
Floreana-Riesenschildkröte,
Chelonoidis niger, Zuchtweibchen Z7.
Bei diesem Weibchen handelt es sich um eine Hybride aus
C. becki und C. niger mit hohem C. niger Anteil, welches zur
Nachzucht von C. niger eingesetzt wird.
© Washington Tapia

Zuchtprogramme in Gefangenschaftshaltung profitieren sehr von genetischen Analysen die darauf abzielen die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den einzelnen Individuen aufzuzeigen wobei man die Elterntiere den Nachkommen zuordnet um das Ausmaß der genetischen Diversität zu erfassen. Die Überwachung dieser Parameter über die Nachzuchtzyklen hinweg bleibt wichtig für den Erfolg solcher Zuchtprogramme da es dem Erhaltungsmanagement die Möglichkeit gibt interaktiv einzugreifen und die Zucht innerhalb des Programms besser zu strukturieren. Allerdings im praktischen Alltag wird eine solche Nachverfolgung der Nachzuchtergebnisse selten durchgeführt. Hier untersuchten wir die ersten drei Nachzuchtkohorten (Jahrgänge) von 2017 bis 2020 des anhand der genetischen Vorinformationen zusammengestellten Nachzuchtprojekts für die Riesenschildkröten der Galápagos-Insel Florena, Chelonoidis niger. Dieses Gefangenschaftsnachzuchtprogramm ist einzigartig, da die Florena-Riesenschildkröte seit dem 18. Jahrhundert als ausgestorben galt aber ihr Genom ist noch vorhanden und zwar in einem Teil der als Hybriden auf dem Wolf-Vulkan lebenden Riesenschildkröte der Art, Chelonoidis becki. Während der Untersuchungszeit erfolgte die Zucht in der Station des Galápagos-Nationalparks in vier Gehegen wobei in jedem der Gehege jeweils 3 Weibchen und 2 Männchen untergebracht sind. Anhand von 17 Mikrosatellitenmarkern konnten wir die jeweiligen Elterntiere von 94 von insgesamt 98 Jungschildkröten die während der Zuchtperiode geschlüpft waren diesen zuordnen. Wir stellten dabei fest, dass trotz der Erhöhung dieser Gründerpopulation seit der Initiierung eines ersten Pilotprojekts die effektive Populationsgröße sehr niedrig geblieben ist, sodass es wohl notwendig ist die Zusammenstellung der Zuchtindividuen in den Gehegen zu verändern um die Schildkröten dazu zu bringen einen mehr ausgeglicheneren Reproduktionserfolg der Männchen zu gewährleisten. Diese Studie zeigt klar den Wert von Hybriden für die Restauration (Wiederherstellung) von Arten und sie verweist darauf wie wichtig die kontinuierliche Überprüfung der Nachkommen in solchen Zuchtprogrammen ist.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Die Autoren zeigen hier klar wie wichtig auch Hybridindividuen für die Erhaltung von fast verlorengegangenen Arten sein können. Sicher hier hatte man keine andere Wahl, da für eine mögliche Nachzucht nur wiederentdeckte Hybridindividuen zur Verfügung standen. Aber immerhin lieber Hybriden als gar nichts und letztendlich arbeitet die Natur beim Evolutionslinienerhalt ja auch so (siehe z. B. Hoffmann & Sgro, 2011; Hamilton & Miller, 2015; Pennisi, 2016; Garrick et al., 2014 und die dortigen Kommentare oder auch Bidmon, 2017). Allerdings wird auch wieder deutlich, dass sich anscheinend nur wenige männliche Zuchtindividuen an der Befruchtung der Gelege beteiligen wodurch die genetische Diversität relativ gering geblieben ist. Wieso das so ist bleibt bislang unbekannt. Ob dabei eventuell nicht nur eine Umstrukturierung der vier Zuchtgruppen, sondern auch eine Veränderung der Haltungsbedingungen wie zum Beispiel noch größere und stärker strukturierte freilandähnliche Haltungsflächen bleibt bislang unbekannt. Aber selbst bei ins Freiland umgesiedelten Gopherschildkröten hat man ja festgestellt, dass sich die umgesiedelten Männchen so gut wie nicht am Fortpflanzungsgeschehen beteiligen (Mulder et al., 2017). Warum aber im Gegensatz dazu nur einzelne männliche Individuen sich so überproportional an der Befruchtung der Gelege beteiligen ist bislang dabei ebenso unbekannt. Vielleicht könnte dabei aber auch eine sehr viel detailliertere genetische oder/und proteinbiochemische Untersuchung der Männchen Aufklärung bringen. Ob dabei Stressreaktionen eine Rolle spielen oder ob manche Männchen wie hier als Hybriden weniger zeugungsfähig sind sollte zumindest untersucht werden. Ebenso wie die Weibchen die ja anscheinend zur Spermaspeicherung befähigt sind (siehe 4 nicht zuzuordnende Nachkommen) könnten in Bezug auf die gespeicherten Spermien eine eigene Spermaselektion vornehmen (siehe dazu Bourchard et al., 2017). Auffällig ist jedoch, dass es solche Phänomene zumindest bei diesen Schildkröten immer wieder zugeben scheint. Denn auch bei der Evolutionslinie der Chelonoidis niger hoodensis scheint es ja auch nur das Männchen namens Diego zugeben welches für die meisten der Nachzuchten verantwortlich ist (Hennessey, 2013; Milinkovitch et al., 2004; 2007; 2013). Zumindest hätte man hier geeignete Studienobjekte die es eventuell neben der Etablierung fast ausgestorbener Evolutionslinien auch erlauben könnten die Ursachen für dieses Phänomen des so einseitigen Reproduktionserfolgs etwas genauer aufzuklären. Letztendlich könnte es ja auch so sein, dass man gerade bei der Artrestaurierung versucht erst einmal Zuchtgruppen zusammenzubringen deren Individuen einen hohen Anteil des Genoms von der Art beibehalten haben die man wieder nachzüchten möchte. Da aber diese Zuchtindividuen die man im Freiland auf dem Wolf Vulkan eingesammelt hat die ohnehin schon aus einer F1 Generation stammen die eventuell von naheverwandten Elternindividuen abstammen könnte es natürlich auch so sein, dass sich die Weibchen lieber mit fremderen Männchen erfolgreich paaren würden als mit nahe verwandten, sodass sich in solchen Gruppen am erfolgreichsten die Männchen durchsetzen die mit den weiblichen Zuchtindividuen am wenigsten verwandt sind (siehe dazu auch Garrick et al., (2014); Loire et al., (2013); Sagonas et al., (2019) und die dortigen Kommentare.

Literatur

Bidmon, H.-J. (2017): Sind phylogenetische Stammbäume nur ein Traum? – Schildkröten im Fokus 14(1): 14-27 ➚.

Bouchard, C., N. Tessier & F. L. Lapointe (2017): Paternity Analysis of Wood Turtles (Glyptemys insculpta) Reveals Complex Mating Patterns. – Journal of Heredity 109(4): 405-415 oder Abstract-Archiv.

Garrick, R. C., E. Benavides, M. A. Russello, C. Hyseni, D. L. Edwards, J. P. Gibbs, W. Tapia, C. Ciofi & A. Caccone (2014): Lineage fusion in Galápagos giant tortoises. – Molecular Ecology 23(21): 5276-5290 oder Abstract-Archiv.

Hamilton, J. A. & J. M. Miller (2015): Adaptive introgression as a resource for management and genetic conservation in a changing climate. – Conservation Biology 30(1): 33-41 oder Abstract-Archiv.

Hennessy, E. (2013): Producing ‘prehistoric’ life: Conservation breeding and the remaking of wildlife genealogies. – Geoforum 49: 71-80 oder Abstract-Archiv.

Hoffmann, A. A. & C. M. Sgro (2011): Climate change and evolutionary Adaptation. – Nature 470(7335): 479-485 oder Abstract-Archiv.

Loire, E., Y. Chiari, A. Bernard, V. Cahais, J. Romiguier, B. Nabholz, J. M. Lourenço & N. Galtier (2013): Population genomics of the endangered giant Galapagos tortoise. – Genome Biology 14(12): R136 oder Abstract-Archiv.

Milinkovitch, M.C., D. Monteyne, J. P. Gibbs, T. H. Fritts, W. Tapia, H. L. Snell, R. Tiedemann, A. Caccone & J. R. Powell (2004): Genetic analysis of a successful repatriation program: Giant Galapagos tortoises. – Proceedings of the Royal Society of London. Series B Biological Science 271(1537): 342-345 oder Abstract-Archiv.

Milinkovitch, M. C., D. Monteyne, M. Russello, J. P. Gibbs, H. L. Snell, W. Tapia, C. Marquez, A. Caccone & J. R. Powell (2007): Giant Galapagos tortoises; molecular genetic analyses identify a trans-island hybrid in a repatriation program of an endangered taxon. – BMC Ecology 7(1): 2 oder Abstract-Archiv.

Milinkovitch, M. C., R. Kanitz, R. Tiedemann, W. Tapia, F. Llerena, A. Caccone, J. P. Gibbs & J. R. Powell (2013): Recovery of a nearly extinct Galapagos tortoise despite minimal genetic variation. – Evolutionary Applications 6(2): 377-383 oder Abstract-Archiv.

Mulder, K. P., A. D. Walde, W. Boarman, A. P. Woodman, E. K. Latch & R. C. Fleischer (2017): No paternal genetic integration in desert tortoises (Gopherus agassizii) following translocation into an existing population. – Biological Conservation 210: 318-324 oder Abstract-Archiv.

Pennisi, E. (2016): Shaking up the tree of life. – Species were once thought to keep to themselves. Now, hybrids are turning up everywhere, challenging evolutionary theory. – Science 354(6314): 817-821; DOI: 10.1126/science.354.6314.817 ➚.

Sagonas, K., A. Runemark, A. Antoniou, P. Lymberakis, P. Pafilis, E. D. Valakos, N. Poulakakis & B. Hansson (2019): Selection, drift, and introgression shape MHC polymorphism in lizards. – Heredity (Edinb) 122(4): 468-484 oder Abstract-Archiv.

Yuan, M. L., K. N. White, B. B. Rothermel, K. R. Zamudio & T. D. Tuberville (2019): Close kin mating, but not inbred parents, reduces hatching rates and offspring quality in a threatened tortoise. – Journal of Evolutionary Biology 32(10): 1152-1162 oder Abstract-Archiv.

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