Tabascoschildkröte, Dermatemys mawii, – © Yanel Tovar de la Cruz

Gonzales-Porter - 2011 - 01

Gonzales-Porter, G. P., F. Hailer & J. E. Maldonado (2011): Patterns of genetic diversity in the critically endangered Central American river turtle: Human influence since the Mayan age? – Conservation Genetics 12(5): 1229-1242.

Die Muster der genetischen Unterschiede bei der stark bedrohten zentralamerikanischen Flussschildkröte: Die menschliche Beeinflussung seit der Zeit der Mayas.

DOI: 10.1007/s10592-011-0225-x ➚

Tabascoschildkröte, Dermatemys mawii, – © Mariana Yanel Tovar de la Cruz
Tabascoschildkröte,
Dermatemys mawii,
© Mariana Yanel Tovar de la Cruz

Wir führten eine phylogeographische Analyse der ausnahmslos aquatisch lebenden zentralamerikanischen Flussschildkröte, Dermatemys mawii, im Rahmen eines Erhaltungsprogramm für diese Art durch. Wir sammelten Proben von 238 Individuen aus 15 verschiedenen Lokalitäten aus deren Gesamtverbreitungsgebiet. Unter Verwendung von Sequenzfragmenten der mtDNS der Cyt b und ND4 Gene identifizierten wir 16 verschiedene Haplotypen. In der Gesamtübersicht lieferten die Ergebnisse ein Signal für eine ursprüngliche phylogeographische Struktur (Aufspaltung) innerhalb des Gesamtverbreitungsgebiets, die sich aber sekundär aufgelöst hat, da es anscheinend zu einem intensiven Genfluss kam. Dabei sollte hervorgehoben werden, dass dieser genetische Austausch sogar über drei getrennte Flusssysteme vorkam, die für andere aquatische Taxa klare biogeographische Grenzen aufweisen. Die Aufspaltungszeiten für die mtDNS-Haplotypen für D. mawii lassen vermuten, dass sich Evolutionslinen im Pliozän–Pleistozän (vor 3,73-0,227 Millionenjahren) trennten, wobei die demographischen Tests anzeigten, dass es bei den Spezies zu dramatischen Schwankungen in Bezug auf deren Größe (Populationsgrößen) während dieser Aufspaltungsperiode kam. Ein sehr alter Haplotyp (1D) wurde gefunden, der Sequenzunterschiede in der Größenordnung von bis zu 2 % zu den anderen Haplogruppen zeigte. Abweichungen in dieser Größenordnung sind bei anderen Schildkrötengattungen ein Indiz für eine eigene Art. Zudem wurde der Haplotyp 1D nur in zwei Lokalitäten Sarstun und Salinas gefunden, allerdings wurden dort auch Tiere mit anderen Haplotypen nachgewiesen. Derzeit ist unbekannt, ob die Schildkröten mit dem Haplotyp 1D sich mit anderen nicht 1D-Individuen gekreuzt haben. Unsere Ergebnisse deuten an, dass menschliche Aktivitäten wie das Abfangen und der Transport über weite Strecken das derzeitige genetische Muster verursacht haben. Seit mehr als 2.000 Jahren ist belegt, dass D. mawii von der Bevölkerung der verschiedenen mittelamerikanischen Kulturen gegessen wurde und archäologische Befunde liefern deutliche Hinweise darauf, dass die Mayas diese Schildkröten über weite Strecken zwischen den Siedlungen sogar außerhalb des Verbreitungsgebiets der Tiere transportierten. Deshalb gehen wir davon aus, dass das großräumige Muster der Haplotypüberlappung sogar über die hydrologischen Barrieren hinweg sowie die niedrige Haplotypverschiedenheit innerhalb einiger Populationen wie auch das Fehlen eines ausgeprägten derzeitigen phylogeographischen Musters durch eine Kombination aus Populationsausweitung, Genfluss, intensiver vom Menschen verursachter Verbringung der Tiere und durch kürzlich verursachte Flaschenhälse durch eine Übernutzung der Bestände verursacht wurde.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Nun, auch hier ein schönes Beispiel dafür, wie auch der Mensch schon in der Vergangenheit in diesem Fall noch nicht zur Ausrottung (Hawkins et al. 2016; Kehlmaier et al. 2017) sondern zur Genflusssteigerung bei diesen Flussschildkröten beigetragen hat. Ihnen ist also in einem anderen Zeitrahmen gleiches wiederfahren wie den Galapagosriesenschildkröten, (Garrick et al. 2014), allerdings gab es sicher auch auf den Galapagos Verfrachtungen jüngeren Datums (siehe Sulloway 2009, Hennessy 2015). Hat das diesen Schildkrötenpopulationen geschadet?

Literatur

Garrick, R. C., E. Benavides, M. A. Russello, C. Hyseni, D. L. Edwards, J. P. Gibbs, W. Tapia, C. Ciofi & A. Caccone (2014): Lineage fusion in Galápagos giant tortoises. – Molecular Ecology 23(21): 5276-5290 oder Abstract-Archiv.

Hawkins, S., T. H. Worthy, S. Bedford, M. Spriggs, G. Clark, G. Irwin, S. Best & P. Kirch (2016): Ancient tortoise hunting in the southwest Pacific. – Scientific Reports 6: 38317 oder Abstract-Archiv.

Hennessy, E. (2015): The Molecular Turn in Conservation: Genetics, Pristine Nature, and the Rediscovery of an Extinct Species of Galapagos Giant Tortoise. – Annals of the Association of American Geographers 105(1): 87-104 oder Abstract-Archiv.

Kehlmaier, C., A. Barlow, A. K. Hastings, M. Vamberger, J. L. Paijmans, D. W. Steadman, N. A. Albury, R. Franz, M. Hofreiter & U. Fritz (2017): Tropical ancient DNA reveals relationships of the extinct Bahamian giant tortoise Chelonoidis alburyorum. – Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences 284(1846): 20162235 oder Abstract-Archiv.

Loire, E., Y. Chiari, A. Bernard, V. Cahais, J. Romiguier, B. Nabholz, J. M. Lourenço & N. Galtier (2013): Population genomics of the endangered giant Galapagos tortoise. – Genome Biology 14(12): R136; DOI: 10.1186/gb-2013-14-12-r136 oder Abstract-Archiv.

Sulloway, F. J. (2009): Tantalizing tortoises and the Darwin-Galapagos Legend. – Journal of the History of Biology 42(1): 3-31 oder Abstract-Archiv.

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