Zierschildkröte, Chrysemys picta, im Gartenteich – © Hans-Jürgen Bidmon

Edwards - 2007 - 01

Edwards, A. L. & G. Blouin-Demers (2007): Thermoregulation as a function of thermal quality in a northern population of painted turtles Chrysemys picta. – Canadian Journal of Zoology – Revue Canadienne de Zoologie 85(4): 526-535.

Thermoregulation als Funktion der thermischen Qualität bei einer nördlichen Population von Zierschildkröten Chrysemys picta

DOI: 10.1139/Z07-037 ➚

Zierschildkröte, Chrysemys picta, – © Hans-Jürgen Bidmon
Zierschildkröte, Chrysemys picta,
© Hans-Jürgen-Bidmon

Die Körpertemperatur hat Einfluss auf nahezu alle Lebensprozesse ektothermer Lebewesen. Reptilien generieren nicht genug Körperwärme, um damit ihre Körpertemperatur intern zu regulieren und benutzen deshalb die verhaltensabhängige Thermoregulation. Wir untersuchten hier, wie sich der thermoregulatorische Aufwand zwischen den Jahreszeiten in einer Umgebung mit großen temporären Schwankungen der Umgebungstemperatur verändert. Wir nahmen 31297-mal Messwerte für die interne Körpertemperatur von 18 Zierschildkröten (Chrysemys picta [Schneider, 1783]) während ihrer jährlichen Aktivitätsphase. Wir nahmen Abschätzungen der Umgebungstemperatur unter Verwendung physikalischer Modelle und anhand der Wassertemperatur vor (das heißt, dass die Umgebungstemperatur komplett ermittelt werden musste, da die Schildkröten zwischen Sonnenbad und Wasseraufenthalt wechselten). Wir bestimmten das Ausmaß der Vorzugskörpertemperatur in einem thermalen Gradienten. Die Vorzugskörpertemperatur betrug 21,3-25,0 °C. Wir benutzten interne Körpertemperatur, Umgebungstemperatur und Vorzugskörpertemperatur, um Standard-Thermoregulationsindizes zu kalkulieren (E-x und d(Umgebungstemperatur) – d(Körpertemperatur)). Ein E-x von 40,7 % und eine Differenz von d(Umgebungstemperatur) – d(Körpertemperatur) von 2,4 °C lassen erkennen, dass Zierschildkröten als moderate Thermoregulatoren angesehen werden müssen (sie können eigenständig die Körpertemperatur um 2,4 °C anheben oder absenken), obwohl sie in einer Umwelt mit hohen Kosten leben. Der Gebrauch einer eigenständigen Thermoregulation nahm mit der Verschlechterung der thermalen Habitatqualität zu. Der Einsatz einer endogenen Thermoregulation war höher, wenn die Tiere damit in der Lage waren, ihre Vorzugskörpertemperatur einzustellen. Zierschildkröten benutzen die endogene Thermoregulation zu Beginn der Aktivitätssaison häufiger als während der restlichen Jahreszeiten. Dieses innerartliche Muster kann auch speziesübergreifend (also bei anderen Arten) beobachtet werden. Diese Studie ist die erste, die dabei die interne Körpertemperatur misst und die Standard-Thermoregulationsindizes für wild lebende Schildkröten ermittelt.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Eine sehr schöne Studie, die uns zu denken geben sollte. Erstens wird hier gezeigt, dass Schildkröten in gewisser Weise auf endogene physiologische Weise ihre innere Körpertemperatur regeln können. Dass dies für die Tier wichtig ist, lässt sich daraus erkennen, dass sie gerade im Frühjahr während der Fortpflanzung verstärkt darauf zurückgreifen. Zweitens lässt sich erkennen, dass die auf der Carapaxoberfläche zeitweilig auftretende Temperatur deutlich von diesen inneren Körpertemperaturen abweicht. Drittens scheint diese Körpervorzugstemperatur wichtig zu sein, und die Tiere gehen sparsam mit ihren Energieressourcen um, denn sie betreiben den Aufwand einer eigenständigen Thermoregulation nur, wenn auch sicher gestellt ist, dass sie damit ihre Vorzugstemperatur einstellen können, also wenn es zu kalt bzw. zu heiß ist, und das Ganze zu energieaufwändig würde, vermeiden sie es. Was bedeutet dies für die Haltung und insbesondere für die Genesung erkrankter oder geschwächter Tiere? Es bedeutet ganz klar, dass man die besten Voraussetzungen dadurch bieten kann, dass man die Umgebungstemperatur der inneren Vorzugskörpertemperatur anpasst, denn jegliche Art von zu großer Abweichung bedeutet für die Tiere mehr Energieverbrauch und Temperaturstress. Wenn man sich aber nun einmal die Messwerte für die innere Körpertemperatur mit 21,3 bis 25 °C anschaut, dann frage ich mich schon, wie diese Messwerte mit jenen aus so manchem Buch zur Haltung und auch zu jenen Temperaturen, die in der veterinärmedizinischen Literatur zu finden sind, übereinstimmen? Die Autoren sagen selbst, dass sie für andere Arten vergleichbare Beobachtungen haben und dass die Aussagen sehr wahrscheinlich nicht nur für Chrysemys picta gelten. Sicherlich mag das Optimum der inneren Körpertemperatur bei südlicher lebenden Landschildkröten nicht mit jenen von Sumpf- bzw. Wasserschildkröten direkt vergleichbar sein, aber auch bei Landschildkröten habe ich die Erfahrung gemacht und es oft genug bei Vorträgen angesprochen (siehe auch Bidmon 2006), dass 24-28 °C angemessen sind, insbesondere während der Genesungsphasen werden Temperaturen zwischen 24 bis 28 °C sehr viel besser vertragen, als die öfters zu lesenden Temperaturangaben, die sich irgendwo zwischen 32 ° und 37 °C je nach Autor bewegen, oftmals noch versehen mit der Bemerkung, dass nur dann das Immunsystem optimal arbeiten könne. Lediglich Sassenburg veröffentlichte auch schon früher Temperaturangaben, die 29 °C nicht überschritten! Selbst meine Sternschildkröten werden oberhalb von 27 °C eher inaktiv (Bidmon, H.-J. (2003): Emys 10(1): 4-42) und das anstrengende Geschäft der Eiablage findet meistes an Tagen mit 23-25 °C bzw. in den späten Abendstunden statt, wenn die Temperaturen soweit abgesunken sind. Sicher, genaue Daten gab es bislang nicht, sonst könnten die Autoren der obigen Arbeit nicht behaupten, dass es sich dabei um die erste Arbeit dieser Art handelt, aber man darf sich dann doch zumindest, was die Veterinärmedizin anbelangt, fragen, wie viele dieser publizierten Angaben beruhen wenigstens auf eigenen Erfahrungs- bzw. Messwerten und wie viele dieser Angaben beruhen nur darauf, dass sie einer vom anderen oder gar nur vom Hörensagen ungeprüft übernommen hat? Auch hier erlaube ich mir mal wieder auf Mathie et al. (2007) zu verweisen, die ein praktikables System zur Datenerhebung und Evaluierung von Behandlungsmethoden (die Einstellung der richtigen Temperatur ist auch Bestandteil einer Therapiemethode) bietet.

Literatur

Bidmon (2006): Aquarienheizer, Wasserkanister und Basaltsäulen zur Temperierung von Frühbeeten und Legehügeln während der Freilandhaltung von Schildkröten: Langjährig erprobte, praktikable Alternativen . – Schildkröten im Fokus: Sonderband Testudo: 39-48 Link zu Amazon .

Mathie, R. T., L. Hansen, M. F. Elliott & J. Hoare (2007): Outcomes from homeopathic prescribing in veterinary practice: a prospective, research-targeted, pilot study. – Homeopathy 96(1): 27-34 oder Abstract-Archiv.

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